Interview | Leander Haußmann zum 65. Geburtstag
Leander Haußmann begann als Schauspieler, wurde Theaterregisseur, Intendant und schließlich Kinoregisseur. Jetzt ist er 65 Jahre alt geworden. Manchmal war er umstritten, manchmal streitlustig - und fast immer erfolgreich. Ein Gespräch.
rbb|24: Herr Haußmann, wie wichtig sind Ihnen überhaupt Geburtstage - und wie feiert man dann den 65. Geburtstag?
Leander Haußmann: Das ist eine wirklich schöne Frage, weil bei mir im Grunde alles, was ich gemacht habe, immer eng mit meiner Kindheit verknüpft ist, so auch Geburtstage.
Geburtstage waren unwidersprochen undiskutiert. Da ging es um dich, und wenn ich was am meisten mag, ist es, wenn es um mich geht. Damit kenne ich mich übrigens auch am besten aus (lacht laut).
Sie haben als Schauspieler angefangen, da gilt zumindest das Klischee, dass Schauspieler eine gewisse Eitelkeit mitbringen…
Na ja, aber nicht so wie Autoren. Autoren sind die Eitelsten von allen, die ich kenne. Ich bin wahnsinnig gerne mit Schauspielern zusammen, auch als mehr oder weniger Nicht-Schauspieler. Meine Eltern waren auch Künstler, mein Großvater war Schauspieler, mein Vater war Schauspieler, und da war natürlich viel Verkehr auf dieser Ebene bei uns. Die konnten wahnsinnig gut mit Kindern umgehen und waren immer unterhaltsam, immer irgendwie lustig und natürlich auch teilweise besoffen. Aber sie haben immer Spaß mitgebracht, und so ist es irgendwie in meiner Erinnerung, und so ist es eben auch heute noch.
Ist Kunst und künstlerische Darstellung tatsächlich etwas, was ihnen in die Wiege gelegt wurde durch die Familie, durch den Umgang?
Mein Großvater väterlicherseits ist erstmal aus dem Nichts gekommen, da war gar Nichts in die Wiege gelegt. Der hatte acht Geschwister, Bauernkind. Warum der nun Schauspieler wurde, das wird ein ewiges Rätsel bleiben, genauso dass meine Schwester Iris eben nicht Künstlerin geworden ist, sondern auf dem viel wichtigeren Gebiet der Pflege und vor allem der Altenpflege tätig ist.
Insofern hat sich das auch sehr unterschiedlich entwickelt. Man kann auf jeden Fall dazu sagen, dass ich mehr als andere, die diesen Wunsch haben, auch davor gewarnt wurde, es zu werden und auch mit eigenen Augen sehen konnte, wie abhängig man in diesem Beruf von anderen ist und wie hoffnungslos es sich anfühlt, wenn man eben auch keine Arbeit kriegt.
Sie haben sich ziemlich gut durchgeschlagen…
Ich hab mich ziemlich gut durchgeschlagen, aber mein Vater beispielsweise hatte damit Schwierigkeiten. Ich konnte an seinem fast zehn Jahre andauernden Berufsverbot, das ja nicht offiziell ausgesprochen war, sehen, wie verletzlich und wie abhängig man doch ist. In dem Fall vom Staat und von der Stasi. Aber in jedem Fall eben auch von anderen, von Intendanten, von Produzenten, von Förderungen und so weiter. Und dass Künstler sein allein eben nicht ausreicht. Das ist doch mit viel praktischem Unwillen verbunden und auch mit vielen Rückschlägen.
Welches war Ihr größter Rückschlag?
Es gibt keine Rückschläge, es gibt Misserfolge. Ich glaube, das Leben besteht aus Erwartungen, die immer mal wieder enttäuscht werden. Sagen wir es so. Man muss auch unterteilen zwischen Freundschaften, Beruf, Liebe und so weiter. Es gibt bestimmte Sachen, auf die ich hätte verzichten können, beispielsweise eine Prügelei in der Kantine meines Theaters. Aber so waren die Zeiten damals und wir waren nicht aus Zucker. Damit meine ich jetzt keine körperliche Gewalt, sondern auch Kritiken und all das, was man so mit sich herumschleppt.
Man stellt sich ununterbrochen zur Disposition, und Menschen können dich auch ununterbrochen bewerten. Die ganze Kindheit und Jugend sind darauf angelegt, dass du gut bewertet wirst, so bist du konditioniert und so gehst du ins Leben. Und plötzlich merkst du, dass die Zeichnungen, die du gemacht hast, nicht mehr so gelobt werden von deinen Eltern. Oder dass die Ansätze andere sind und du dich dem anpassen musst. Und irgendwann sterben die Eltern. Das ist ein großer Einschnitt im Leben. Ein ganz schöner Hammer, auf den man dann doch nicht vorbereitet ist.
Ihre Arbeit hat immer eine kindliche Erzähl- und Spielfreude und eine gewisse Jugendlichkeit.
Sonnenallee, Herr Lehmann oder auch NVA und Hotel Luxus sind ja alle zutiefst politische Filme, die versuchen, sich als Unterhaltungsfilme zu tarnen, weil sie sonst nicht gesehen werden. Ich will mit meinen Filmen nicht belehren, sondern in erster Linie unterhalten. Und da sieht man manchmal nicht die Probleme und Dramen, die unter all der Komik eben stecken. Sonnenallee ist in keiner Phase des Films auch nur annähernd eine positive Bewertung des Systems, sondern ausschließlich der Menschen, die in diesem System gelebt haben, und zwar vom äußersten Mitläuferrand, zum Opportunisten bis hin eben auch zum aktiven Helden.
Ihr erster Film war auch ihr erster großer Erfolg. Begleitet dieser Film ihr ganzes Leben und ist er ein Resonanzboden für Sie?
Man könnte es als lästig empfinden, weil irgendwas hat man ja auch noch die letzten 25 Jahre gemacht. Ich habe noch ein paar andere schöne Filme gemacht. Ich bin auf alle gleichermaßen stolz, alle waren Geburten unter sehr schwierigen, in der Regel fast unmöglichen Bedingungen. Den Erfolg kann man nicht planen, wie wir wissen. Man ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort – dann hat man Glück gehabt. Und auf dieses Glück, hat ein amerikanischer Schauspieler, ich glaube Michael Caine gesagt, soll man vorbereitet sein.
Ihre anderen Werke stehen für sich und es ist nicht so, dass man sagt, Leander Haußmann ist nur Sonnenallee...
Das möchte ich hören. Vielen Dank! Das ist auch angemessen an einem 65. Geburtstag. Und um noch mal auf die Eingangsfrage zurück zu kommen, warum mir Geburtstage so gefallen. Natürlich gefallen sie mir auch deswegen, weil man die Gelegenheit hat, bevor man stirbt, doch noch mal zu hören und zu sehen, dass Menschen einen gern haben. Das ist ja in der Regel immer erst auf Beerdigungen der Fall, da hört man es leider nicht mehr, es sei denn man heißt Tom Sawyer. Ich rufe hiermit alle, die Geburtstag haben auf, ihre Geburtstage zu feiern. Denn noch nie war es so wertvoll, das Leben zu feiern, wie in diesen Zeiten.
Was bringt Sie denn zum Lächeln auch im Rückblick? Was ist das, was sie in Ihrem Tiefsten berührt und bewegt?
Ich mich selbst, ehrlich gesagt. Wenn ich so zurückdenke, wer ich war oder wenn mir zufällig ein Foto von mir in die Hände fällt - oder was noch schlimmer ist, eine alte Talkshow. Dann habe ich eigentlich nur einen Gedanken, diesem Typen möchte ich nicht begegnet sein, weil ich hätte ihn möglicherweise genauso gehasst oder genauso verfolgt oder hätte gegen ihn angeschrieben. Weil er so viel Zorn in mir erweckt hätte, aus irgendwelchen Gründen. Man kann es durchaus als Kompliment nehmen, wenn ich Menschen nicht ganz gleichgültig war in meinen letzten 65 Jahren, im Guten wie im Schlechten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Alexander Soyez für rbb24 Inforadio.
Es handelt sich um eine gekürzte Fassung.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.06.2024, 07:45 Uhr
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