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Quelle: Schaubühne/Gianmarco Bresadola

Theaterkritik | "spinne" in der Schaubühne

"Wir wären keine Freunde geblieben"

Einer Frau wird klar, dass ihr Jugendfreund weit nach rechts abgedriftet ist: Maja Zades kraftloses Lehrstück "spinne" unterfordert die große Caroline Peters - und das, obwohl sie den Abend ganz allein bewältigen muss. Von Fabian Wallmeier

Caroline Peters mahlt Kaffee. Sie steckt zwei Scheiben Brot in den Toaster, stellt die Mokkakanne auf den Herd und brät sich ein Spiegelei. Und während sie oder vielmehr ihre Figur Julia all das tut, erzählt sie. Erst aus der Kindheit, von diesem einen Tag auf der Baustelle hinter dem Haus, als sie zusammen mit ihrem Freund Kris eine Spinne fand, vor der sie sich so geekelt hat.

Dann erzählt sie vom Wiedersehen mit Kris, 30 Jahre später bei einem Nobelitaliener in Charlottenburg - von einem Abend, an dem nach und nach klar wird, dass Kris nicht nur reich, sondern vor allem politisch ganz weit rechts ist, ganz anders als Julia. Ein Trump-Versteher ist er geworden. Ein Anwalt, der hohe Tiere aus der AfD vertritt, und der davon faselt, dass er nur deshalb seine eigene Kanzlei habe gründen müssen, "weil das System gegen mich arbeitet", weil in der alten Kanzlei nicht er, sondern "zwei Ausländer und eine Frau" befördert wurde. Und langsam driftet das von zu viel Alkohol begleitete Wiedersehen ins Chaos ab.

Maja Zades "spinne" ist ein Monolog. Nur Caroline Peters steht an diesem Donnerstagabend bei der Uraufführung im Globe der Berliner Schaubühne auf der Bühne. Anderthalb Stunden lang echauffiert sie sich. Über den späten Verlust des früheren Freundes an die AfD, über seine schönheitsoperierte Frau und seinen verzogenen Sohn, die beim Italiener noch dazustoßen.

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Eindeutig kein Nobelitaliener-Leben

Peters steht dabei in einer schlichten Küche (Bühne: Nina Wetzel), die mit eindeutig gesetzten Details den Kontrast zu der Welt bildet, in der das Wiedersehen stattfand: Keiner der vier Küchenstühle gleicht dem anderen, das Toastbrot ist von einer Billigmarke - ganz klar: Julia, die sich mit Übersetzungen und Lektoraten übers Wasser hält, führt kein Nobelitaliener-Leben. Zu dem hat es sie nur verschlagen, um Kris wiederzusehen und das Treffen wie einen Zufall aussehen zu lassen: Aus einer Laune heraus hat sie Christianes Facebook-Profil durchstöbert und dort gelesen, dass sie dort öfter essen.

Erst vor ein paar Wochen performte auf derselben Bühne ein anderer Darsteller ganz allein einen Abend. Dimitrij Schaad stemmte da beim Berliner Theatertreffen Falk Richters autofiktionale Auseinandersetzung mit seiner Familie, vor allem seiner Mutter: "The Silence" . Ein starker, tiefschürfender und vielschichtiger Abend.

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Keine echten Reibungspunkte

Nichts davon lässt sich über "spinne" sagen. Das liegt nicht an der großen Caroline Peters, die sich redlich bemüht, dem kraftlosen Lehrstück Leben einzuhauchen und vor allem die komischen Seiten des Textes hervorkehrt. Doch sie bleibt gnadenlos unterfordert. Maja Zade, leitende Dramaturgin der Schaubühne und hier erstmals auch Regisseurin, hat einen Text geschrieben, der ohne Schnörkel daherkommt, aber leider auch ohne echte Reibungspunkte.

Schon Zades "abgrund", 2018 uraufgeführt von Intendant Thomas Ostermeier, war ein Abend, der seine - nun ja - Abgründe nur behauptete. "spinne" setzt diese Linie fort. Vielleicht ist das größte Problem des Textes und damit auch des Abends seine Perspektive: Alles wird aus der Warte von Julia erzählt, der empörten, links geblieben Präkariats-Schreiberin.

Zwar schont der Monolog auch seine Hauptfigur nicht: Auch Julia steht am Ende des Wiedersehens, betrunken unter den Tisch fallend, nicht als strahlende Siegerin da. Doch sie erzählt auch diese eigene Schmach aus einer mildernden Distanz. Der Spott, mit dem sie Kris beschreibt und wiedergibt, führt dagegen dazu, dass er und seine Familie tumbe Nazi-Karikaturen bleiben, keine echten Figuren werden.

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Wer hätte das gedacht?

Vielleicht ist es ganz einfach keine gute Idee, einen Monolog darüber zu schreiben, ob - und wenn ja: wie - man mit Rechtsextremen in den Dialog gehen kann, erst recht nicht, wenn man die Antwort offenkundig schon zu kennen glaubt: Nein, kann man nicht, bringt nichts. Das ist eine legitime und wahrscheinlich in den allermeisten auch nicht unrealistische Position - aber eine gute Grundlage für einen aufregenden Theaterabend ist es nicht. "Wir wären keine Freunde geblieben", stellen Julia und Kris am Ende ihres Wiedersehens fest. Ach was! Wer hätte das gedacht?

Hilfreich sind auch Sébastien Dupoueys Videoprojektionen nicht, die in kurzen Text-Pausen im Hintergrund flimmern - eher im Gegenteil. Nicht nur die titelgebende Spinne, vor der Julia als Kind solche Angst hatte, taucht da auf. Allerlei Käfer, Schaben und Kakerlaken krabbeln irgendwann über den Restauranttisch. Ein Vergleich politischer Positionen mit Ungeziefer, der so offenkundig problematisch ist und damit zu billigsten Angriffen einlädt, dass man staunt, wie er es tatsächlich auf die Bühne geschafft hat.

Die Schaubühne hatte in dieser Spielzeit eigentlich einen echten Lauf: Zwei Einladungen zum Theatertreffen stehen unter anderem auf der Haben-Seite. Kurz vor Ende der Spielzeit ist dieser Lauf mit dieser Uraufführung nun vorbei.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.06.2024, 7:55 Uhr

Beitrag von Von Fabian Wallmeier

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