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Video: rbb|24 | 04.07.2024 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Quelle: dpa

Synagogenzentrum in Potsdam eröffnet

Ein Haus für alle

Die Schlüssel wurden bereits übergeben, am Donnerstag kommt der Bundespräsident zur Einweihung: Das Synagogenzentrum im Herzen Potsdams öffnet nach langem Streit um dessen Bau - doch am Ende hat man sich einigen können. Von Carsten Dippel

Auf diesen Tag haben jüdische Menschen in Potsdam lange gewartet. Am Donnerstag ist es soweit: Nach jahrelangem Streit und schier endlosen Debatten öffnet im Herzen der brandenburgischen Landeshauptstadt das jüdische Gemeindezentrum mit der Synagoge seine Pforten.

Vier Gemeinden sollen es gemeinsam nutzen. Für religiöse, soziale und kulturelle Zwecke. Jewgenij Kutikow, Vorsitzender der mit rund 550 Mitglieder zählenden größten jüdischen Gemeinde, ist sehr erleichtert. "Wir haben 15 Jahre gekämpft, aber es war nicht umsonst. Die neue Synagoge steht da, sieht superschön aus, wir freuen uns sehr", sagt er.

Rituelle Zeremonie

Neue Synagoge in Potsdam wird am Donnerstag eröffnet

Große Erleichterung bei der Landesregierung

Erleichtert zeigt sich auch Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD). Vor bald 20 Jahren hatte das Land der damals noch einzigen jüdischen Gemeinde im Bundesland das Versprechen gegeben, eine Synagoge zu finanzieren. Die Gemeinde selbst, die sich jahrelang von einem Provisorium zum nächsten hangeln musste, hätte das nie stemmen können. Im Jahr 2009 hatte es einen Wettbewerb gegeben, den das Architekturbüro von Jost Haberland in Berlin gewann. Doch auf den prämierten Entwurf folgten bald Querelen. Es ging um Fragen der Nutzung, der Ästhetik, dann gab es wieder religiöse, manchmal auch ganz grundsätzliche Einwände. Es kam zu mehreren Gemeinde-Spaltungen.

Heute zählt man bis zu sechs verschieden große jüdische Gemeinden und Zusammenschlüsse in der Landeshauptstadt mit insgesamt etwa 800 Mitgliedern. Manja Schüle hat sich viele Jahre für das Synagogenzentrum stark gemacht, auch wenn das nicht immer leicht gewesen sei. "Auf der anderen Seite habe ich diesen Streit nicht immer als harten Streit empfunden, sondern auch als das leidenschaftliche Ringen um das eigene Synagogenzentrum", sagt sie.

Schlichter Kubus aus märkischem Klinker: Das neue Synagogenzentrum. | Quelle: rbb

Ein schlichter und wirkungsvoller Bau

Gut 17,5 Millionen Euro hat der vom Land beauftragte Bau des Synagogenzentrums gekostet. Ein moderner, schlichter Kubus, im warmen Ton des typisch märkischen Klinkers. Sieben hohe Fenster markieren ihn nach außen. Der Architekt Jost Haberland legte Wert auf heimische Materialien. Nach außen der sandfarbene Klinker, im Kontrast dazu Bodenplatten, die an den berühmten Jerusalem-Kalkstein erinnern, auch wenn diese Platten aus einem Steinbruch in Bulgarien stammen. Das Mobiliar in Gebetsraum mit seinem nach Osten ausgerichteten Toraschrein ist aus hellem Eichenholz gebaut.

Der Raum öffnet sich weit nach oben, Licht fällt durch ein Deckenfenster, geschwungene Elemente erinnern an das biblische Stiftszelt. In der Mitte steht die Bimah, das Lesepult, auf der im Gottesdienst die Tora zum Lesen ausgerollt wird. Weil diese Synagoge dem orthodoxen Ritus folgt, können Frauen nur auf einer Empore Platz nehmen.

Der Ursprungsentwurf, sagt Architekt Haberland, sei reduzierter gewesen. "Ursprünglich dachten wir eher an einen etwas introvertierten Bau, angelehnt an skandinavische Vorbilder und Synagogenbauten der Nachkriegszeit. Wir haben jetzt dort sieben parabelförmige Fenster vorgesehen, was explizit ein Wunsch der jüdischen Gemeinden war, sich zur Stadt zu öffnen", sagt er. Man habe dieses Thema aufgenommen und architektonisch umgesetzt.

"Explizit ein Wunsch der jüdischen Gemeinden, sich zur Stadt zu öffnen": Der Architekt Jost Haberland. | Quelle: picture alliance/dpa/P.Pleul)

Rat vom israelischen Rabbiner

Für den Bau der Mikwe, einem rituellen Tauchbad, das im Judentum der spirituellen Reinigung dient, hat sich das kleine Büro Haberland die Expertise des israelischen Rabbiners und internationalen Spezialisten Meir Posen eingeholt. Sie wird allein durch Regenwasser gespeist, das vom Dach in einen Tank geleitet und gefiltert wird - mit einem eigens zertifizierten Filter aus Israel. Die ganze Elektrik, Lichtschalter, Türen, Aufzüge, all das musste so ausgelegt werden, dass es für einen orthodoxen Schabbat-Gottesdienst nutzbar ist, an dem solche Schalter nicht normal benutzt werden dürfen.

Für den Bau der Mikwe brauchte es Know-how aus Israel: Der Potsdamer Rabbiner David Gewirtz besichtigt das zukünftige Tauchbad auf der Baustelle. | Quelle: picture alliance/dpa/S.Stache

Ein neuartiges Nutzungskonzept

Potsdam ist die letzte Landeshauptstadt, die einen großen Synagogenneubau samt dazugehörigem Gemeindezentrum erhält. Unter den Streit, so versichern alle Beteiligten, solle mit der Eröffnung ein Schlussstrich gezogen werden. Die Trägerschaft des Synagogenzentrums hat für die ersten drei Jahre die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, kurz ZWST, übernommen.

Vier Gemeinden werden das Haus für Gottesdienste, für kulturelle und soziale Zwecke nutzen: Die Jüdische Gemeinde der Stadt Potsdam, die Synagogengemeinde von Ud Joffe und die beiden kleineren Gemeinden "Adass Israel" und "Kehilat Israel", die vor allem israelische Familien mit sefardischem Hintergrund versammelt. Ein Konzept, das es in dieser Form noch nirgends in Deutschland gab.

Gottesdienste sollen turnusmäßig stattfinden, und während eine Gemeinde ihn leitet, soll es keine konkurrierenden Parallelangebote geben, so die Verabredung. Dabei werden die Unterschiede im Ritus eher im Detail liegen, erklärt der Einrichtungsleiter der ZWST, Nick Hörmann: "Es gibt Unterschiede, die von außen nicht so leicht wahrnehmbar erscheinen. Zum Beispiel bei der Wahl der Gebetbücher oder in der Auslegung der Kaschruthregeln, der religiösen Speisevorschriften."

Hoffnung auf Einigkeit

Wie das im Alltag tatsächlich umgesetzt werde, zeige die Zukunft. Mit dem nun eröffneten Synagogenzentrum in Potsdam verbindet die ZWST die Hoffnung, dass die ehemals zerstrittenen Gemeinden wieder zusammenfinden. "Dieses Synagogenzentrum bringt wieder ein Stück jüdisches Leben in das Herz dieser Landeshautstadt zurück", sagt Aron Schuster, Direktor der ZWST. "Und das hat natürlich eine große Symbolkraft. Aber es ist sicherlich auch ein wichtiges Zeichen für die jüdische Community, dass Jüdinnen und Juden dazugehören, dass sie fester Bestandteil sind dieser Zivilgesellschaft und deswegen ihren Platz eben auch inmitten dieser Stadt erhalten." Und das sei gerade jetzt in Zeiten des wachsenden Antisemitismus von besonderer Bedeutung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.07.2024, 7:20 Uhr

Beitrag von Carsten Dippel

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