Konzertkritik | Garbage in der Uber Eats Music Hall
"Fuck off, you make me cry, thank you"
Nach fünf Jahren spielt die US Band Garbage wieder in Berlin. Vier Songs und eine Ansage brauchen sie - und alles ist wie früher. Von Hendrik Schröder
Um Punkt 21 Uhr geht das Saallicht aus in der Uber Eats Music Hall, Intromusik kommt vom Band, Scheinwerfer pumpen rotes Licht auf die schattenschwarze Bühne. Hinter dem Schlagzeug hängt ein riesiges, bestimmt zehn Meter hohes Banner mit Engelsstatuen darauf, angelehnt an das Albumcover der letzten Garbage Platte "No Gods No Masters". Dann kommen sie raus und wortlos geht es erst mal los mit "#1Crush", "Godhead" und dem bejubelten "I think I am paranoid".
Quelle: imago images
Sympathisch abgerissene Punk Barbie
Sängerin Shirley Manson ist von Note Eins an absoluter und alleiniger Mittelpunkt der Show. In pink-weiß-rosé-tüdellü-Outfit sieht sie aus wie eine sympathisch abgerissene Punkbarbie, wie ein Ballett-Star, der keiner mehr sein will. Naja. So ungefähr. Wenn sie Zeilen singt wie "would you deceive me, if I had a dick, would you believe, ever fuckin' leave me (if I had a dick)", dann klingt das bei ihr weder pornös noch lustig, das klingt nach einer Kampfansage. Während Manson Runde um Runde auf der Bühne dreht, die Lippen knallrot geschminkt, der Blick fest, steht ihre Band allerdings eher im Halbdunkel und schaut angestrengt auf die Instrumente.
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Immer irgendwo Elektro
In Originalbesetzung sind sie unterwegs, nur die Tourbassistin Ginger Pooley ist neu und so zierlich, dass der Bass in ihren Händen aussieht wie ein riesiges Ungetüm, aber hypnotisch groovt, Song für Song. Die Stücke von Garbage sind dabei live gar nicht so einfach zu reproduzieren. Durch die Elektronik, die fast immer irgendwie irgendwo mitläuft und die ja auch schon immer den Sound der Band geprägt hat, muss man sehr, sehr genau spielen, damit das nicht auseinanderläuft. Entsprechend sehen sie auch ein bisschen aus wie bei der Arbeit. Gelacht oder gegrinst wird die ersten Songs über nicht. Dann aber doch. Nach "Cherry Lips Go Baby Go" kommt die erste Ansage und alles Eis bricht und schmilzt und zwischen Band und Publikum passt kein Blatt Papier mehr.
Fluchen, weinen, dreckig lachen
Shirley Manson ist einfach großartig. 57 Jahre ist sie alt, fluchend wie eine Bierkutscherin mit ihrem schottischen Akzent, aber warmherzig und witzig. Als der Jubel gar nicht enden will und ihr bald die Tränen vor Rührung kommen, sagt sie nur: "Fuckoff. You make me cry, thank you." Das könnte auch das Motto des ganzen Abends sein. Und dann lacht ihre dreckige Lache ins Intro des nächsten Songs hinein. Sie redet viel, aber nicht zu viel. Haut die Statements trocken raus. Sagt: "So, passt auf, ich sage euch jetzt zwei Sachen." Und dann kippt das Konzert für eine Minute in Richtung Polit-Agitation für Frauenrechte. Auch zwei Typen in Rammstein-Shirts klatschen dazu. Skurril.
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So viele Hits
Und dann gehts aber auch schon weiter. Man hat ja fast vergessen, wie viele Hits Garbage neben den obligaten "Stupid Girl" und "Only happy when it rains" geschrieben haben. Bei allen einigermaßen bekannten Songs gibt es entsprechend Jubel in der mit 3.000 bis 4.000 Leuten gut gefüllten Halle.
Die restlichen Lieder werden eher so geduldet. So ist das immer bei den Bands aus den 1990ern, niemand kommt für ihr neueres Material. Tragisch. Garbage tragen es mit Fassung. Sie hätten sich vor vielen Jahren beinahe aufgelöst und danken wahrscheinlich jeden Tag dem Herrgott oder wem auch immer, dass sie es nicht gemacht haben. Sie machen auch nur alle paar Jahre eine Platte und eine Tour. Sie altern in großer Würde. Noch bissig genug, um zu emotionalisieren, dabei professionell und fanorientiert genug, um nicht mit zu vielen neueren Sachen zu langweilen. Fast zwei Stunden lang spielen sie alles, was alle hören wollen und entlassen niemanden enttäuscht in die Nacht.