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Audio: Radioeins | 08.08.2024 | Interview mit Alexander Dettke | Quelle: imago images

Festival "Wilde Möhre" in Drebkau

"Es geht uns weniger um ein Konzert, wo viele Tausende vor einer Bühne stehen"

Hohe Kosten, fehlende Planbarkeit und viele Auflagen machen vor kleinen Festivals zu schaffen. Das ist bei der "Wilden Möhre" in Drebkau ab Freitag aber anders. Was das Festival von anderen unterscheidet, erklärt "Möhre"-Gründer Alexander Dettke.  

rbb: Herr Dettke, das Festival "Wilde Möhre" in Drebkau (Spree-Neiße) findet in diesem Jahr zum 11. Mal statt. Wie sicher ist es, dass es auch zum 12. und 13. Mal stattfinden wird?

Alexander Dettke: Tatsächlich ist es sehr sicher. Wir haben einen festen Kundenstamm und mittlerweile auch eine sehr breite Unterstützung in der Bevölkerung. Und wir haben Flächen, die legal bespielbar sind. Denn das ist häufig ein Problem von Festivals - dass die eigentlich gar nicht so richtig erlaubt sind.

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Was machen Sie anders als die anderen Festivals, die eben nicht mehr stattfinden können?

Ich glaube, ein schönes Beispiel ist das Melt-Festival: Das ist ein Schwergewicht, hat aber auch Implikationen. Wenn man so ein großes Festival hat, muss man natürlich auch immer wieder mit seinem Kundenstamm mitwachsen oder sich verändern. Manchmal geht das, manchmal geht das nicht. Wenn man ein kleineres Festival hat, ist es einfacher, weil man auch einfach mal die Konzepte ändern kann.

Das andere ist aber auch, dass wir eine neue Generation von Festivals sind. Es geht bei uns um das Erlebnis und weniger, wie man das zum Beispiel vom Melt kennt, um ein Konzert, wo viele Tausende vor einer Bühne stehen. Bei uns lässt man sich eher fallen, entdeckt die Natur, entdeckt diese ganzen Zwischenräume, macht Workshops und feiert natürlich auch zur Musik.

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Haben die Workshops mit Musik oder auch mit etwas ganz anderen zu tun?

Nicht unbedingt. Wir begreifen uns auch ein stückweit als Teil der Gesellschaft und eines gesellschaftlichen Wandels. Wir sehen, dass es Themen gibt, die besprochen werden wollen. Und die bringen wir auf die Tagesordnung. Das andere, was es besonders macht, ist, dass alles von Hand gestaltet wird. Jedes einzelne Holzbrett ist von Hand bemalt und es gibt ganz viele kleine Bereiche. Man fühlt sich wie auf einem Spielplatz. Manche sagen auch, es ist ein Spielplatz für Erwachsene. Ich würde sogar behaupten, die meisten Besucher*innen entdecken gar nicht alles, weil es so viele kleine Räume gibt. Man biegt irgendwo in einen Waldpfad ab und dort ist vielleicht ein kleines Theater oder bei der nächsten Abbiegung ist ein Workshop oder ein Kino.

Die Leute geben sehr viel Geld aus, um Musik zu hören, wie zum Beispiel für Adele oder für Taylor Swift. Kann es sein, dass die Zeit der klassischen Festivals vorbei ist?

Ich glaube, beides hat seine Berechtigung. Es ist natürlich ein wahnsinnig schönes Erlebnis, wenn man die Musik hört, die man gerne hört, live sieht und das mit vielen, vielen Menschen teilen kann. Das ist, glaube ich, viel, viel wert. Das ist eine tolle, schöne Sache. Aber diese Zeit von Erlebnisfestivals oder dass wir als Gruppe von Freunden irgendwo hinfahren, hat auch ihre Berechtigung. Und ich glaube, wir sehen, dass diese Räume stärker wachsen.

Sie haben kürzlich eine Initiative gegründet, die "mit-Freude.eg", ein genossenschaftliches Projekt, um Festivals zu erhalten. Wie genau funktioniert das?

Wir entspringen ein bisschen diesem Berliner oder Leipziger Kulturkreis. Wir haben unsere Hauptstätte in Brandenburg und da passiert in beiden Teilen sehr, sehr viel. Aber wir sehen, dass eben Berlin und Brandenburg eine Kultur verliert. Das hat sich durch die Pandemie beschleunigt, war aber vorher schon absehbar.

Infos im Netz

"Wilde Möhre" in Drebkau (Spree-Neiße)

Es liegt daran, weil Kulturakteuren in den seltensten Fällen ihre Kulturstätte gehört. Die meisten haben gar nicht das Geld, um das zu kaufen. Und in der Logik schaffen sich die Kulturinstitutionen einfach selber ab. Das muss man greifbar machen.

Je besser eine Kulturinstitution oder ein Club, je mehr Leute sagen: 'Da würde ich gerne in der Nähe wohnen, weil ich das so oft nutze', desto schneller steigen natürlich auch die Mieten. Und die sind häufig für diese Kulturinstitutionen nicht mehr zu zahlen. Und wir versuchen, denen dabei zu helfen, Eigentum daran zu erwerben. Denn wenn die Eigentum haben, dann kann es ihnen auch keiner mehr wegnehmen. Und das ist, denke ich, eine gesellschaftliche Anstrengung. Also nur gemeinsam, wenn jedem ein Stückchen gehört, werden wir das auch wirklich schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Alexander Dettke führten Kathrin Wosch und Tom Böttcher, Radioeins.

Der Text ist redaktionell bearbeitet; das Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Radioeins, 08.08.2024, 06:40 Uhr

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