Pop-Kultur-Festival Berlin
Seit zehn Jahren steht das Berliner Pop-Kultur-Festival für besondere Musik, wichtige Diskussion und gute Party. Zum Jubiläum in der Kulturbrauerei ist es besonders spannend besetzt. Hendrik Schröder hat den Auftakt am Mittwoch erlebt.
Vorweg vielleicht die Erkenntnis, was das Pop-Kultur-Festival so attraktiv und spannend macht - es ist diese Gleichzeitigkeit: Auf engstem Raum und Tür an Tür wird es laut, leise, albern, ernst, laufen Pop, Soul, Diskussion, Ausstellungen, Comedy und Karaoke.
Und das alles live und von Künstlerinnen und Künstlern, die dem Mainstream in der Regel noch total unbekannt sind. Da sind zum Beispiel "EsRap", ein Geschwisterpaar aus Wien mit türkischen Wurzeln, die mal zärtlich, mal derbe Zeile rappen wie: "Du hast Privileg, doch ich hab Freunde dabei, ich hab Freunde dabei". Sie spielen in der sogannten Caÿstube, einer Bühne quasi fast auf dem Boden, auf dem Pflaster des Innenhofs, vor der vielleicht 80 junge Leute stehen und jubeln.
Wer "EsRap" sehen will, muss nicht mal Geld bezahlen. Der Zutritt zum Innenhof ist frei, nur wer in die Clubs will, braucht ein Bändchen, das pro Festivaltag rund 35 Euro kostet, das Sozialticket jeweils gut 18 Euro. Ein paar Meter von der Caÿstube entfernt, vor dem Soda Cub, ist eine Art Beachbar mit Sand und Sonnenschirmen aufgebaut und auf den Treppen spielt eine Band Eric Clapton mit "Cocaine".
Paare drehen sich zu den Sounds tanzend in der Abendsonne und man weiß gar nicht: Gehört das jetzt auch zu diesem vom Booking und Anspruch her super ambitionierten und ja doch sehr durchdachten, hippen, irgendwie intellektuellen Festival oder ist das eh da? Aber ist ja auch egal, das mischt sich eh alles hier.
Auch die Leute. Da sind die Zaungäste, die zufällig vorbei kommen, die Touristen, die oft sehr urban hippen Fans der Acts, die Musikfreaks, die kennerhaft mit verschränkten Armen vor den Bühnen stehen - und natürlich die aus der Musikbranche, die mit schwarzen Brillen auf der Nase und wichtigen Pässen um den Hals wichtige Leute grüßen.
Alle gemeinsam freuen sich dann an diesem Abend über den den ravenden Sound von Kabeaushè aus Ghana, der in samtroten Anzug, Pelzjacke und blonder Perücke auf der Bühne vom Kesselhaus steht und aussieht wie nicht von dieser Welt und auch so klingt. Oder über Twin Flame im Palais, eigentlich ein Duo, an diesem Abend mit ganzer Band angereist, Sängerin K.Zia, die sich Love Warrior nennt, im schneeweißen Kleid und irgendwo zwischen Afrobeat und Soul und wäre der Sound nicht so mittelmäßig bei ihrem Auftritt, man könnte fast weinen, so berührend und durchdringend singt sie einen an.
Fast zeitgleich diskutieren einen Laden weiter Journalist Daniel Drepper und Journalistin Andrea Kempf über Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie und lesen aus ihrem Buch "Row Zero". Außerdem gibt es eine Ausstellung zu Heavy Metal in der DDR, eine Pop Oper, Live Podcastaufzeichnungen.
Also kurzum: Das Pop-Kultur-Festival ist fresh, klug, super divers, lustig und ein Sammelsurium von guten Ideen und besonderen Acts. Unbedingt hingehen.
Aber ganz ehrlich: dass die Besucher bei 30 Grad nicht mal ein bisschen Wasser mit in die Läden nehmen dürfen, darüber sollte noch mal nachgedacht werden. Da wird Tanzen ja gesundheitsgefährdend.
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.08.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Hendrik Schröder
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