Reportage
Zehn Konzerte in einem Monat: Adele ist zurück in Deutschland. Aber nicht in Berlin, sondern in München. Dort hat die Britin ihr eigenes Stadion bauen lassen. Salomé Hénon-Cohin hat sich auf den Weg in die bayerische Landeshauptstadt gemacht.
Wie so oft fängt die Reise mit einem überfüllten ICE an – und sie endet auch damit. Sowohl auf dem Hin- als auch dem Rückweg von Berlin nach München sitze ich auf dem Boden. Das hält mich nicht davon ab, mich mental auf das Ausmaß von Adeles Show in der Münchener Messe vorzubereiten und es zu verstehen. Auf mich wartet eine 4.000 Quadratmeter große Bühne, die von 700 Arbeiter:innen in nur 30 Tagen gebaut wurde, eine 220 Meter lange LED-Leinwand (laut Veranstaltern die größte, die je gebaut wurde) und eine selten gute Tonqualität. All das für rund 80.000 Menschen pro Konzert - also rund 800.000 insgesamt. In München, im ganzen August.
Ich bin ein Fan von Adele – allerdings bei weitem nicht auf dem Level einiger Menschen, die ich beim Konzert in München treffe. So wie Maike. Eine junge Frau in den Zwanzigern, die ein T-Shirt trägt, das mich fasziniert. Darauf ist ein Selfie von ihr und Adele in Las Vegas zu sehen. "Ja, ich war im letzten Oktober dort", erzählt Maike. "Das war unglaublich, bis heute kann ich das nicht glauben, dass es passiert ist. Sie läuft immer durch die Menschen und ich hatte einen Gangplatz, dann wurde sie auf mich aufmerksam, daraus entstand das Foto. (...) Als ich dann hörte, dass sie nach Deutschland kommt, habe ich die Gelegenheit genutzt und Tickets für mich und meine Familie gekauft."
Auch heute, bei diesem ersten von zehn Konzerten in München nimmt Adele das ganze Publikum mit, mit ihren offenen Emotionen, ihren nicht so subtilen und deshalb sehr britischen Witzen und ihren Tränen bei "Someone Like You". Ich muss zugeben: Mir kommen auch Tränen.
Große Emotionen, große Dimensionen: Allein für die riesige Bühne sollen 140 Millionen Euro ausgegeben worden sein. Der gesamte Ort wurde nach Adeles Wünschen und Vorstellungen gebaut. Es handelt sich um ein großes, bogenförmiges Open-Air mit einer Kapazität von 80.000 Personen. Und nebenan - natürlich - ein Mini-Volksfest.
Adele hat sich Deutschland für ihr Comeback in Europa ausgesucht. Naja, eigentlich München. Und das merkt man - alleine am Namen der Show: "Adele in Munich". Die Idee für die einmonatige Residenz in München, nach dem Vorbild ihrer Residenz 2022 in Las Vegas, hatten zwei Personen: Producer Florian Wieder und Konzertveranstalter Klaus Leutgeb. Die beiden Männer hatten bereits im letzten Jahr ähnliche Konzerte für Sängerin Helene Fischer in der Olympiahalle organisiert.
Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München, sagt mir im Interview, es sei nicht so schwierig gewesen, Adele zu überzeugen: "Ich habe die Idee logischerweise sehr gut gefunden. Dann haben wir diese Idee der Künstlerin präsentiert, die sehr schnell davon überzeugt war und dann ging natürlich die Arbeit los". Kein Wunder, dass die Stadt, die laut Baumgärtner keinen Cent an öffentlichen Geldern in das Projekt gesteckt hat, sich freut, da sie mit einem Gewinn von über 500 Millionen Euro rechnet.
Beim Gang durch die "Adele-World", dieser Art Mini-Volksfest zu Ehren des Stars, suche ich erfolglos nach Personen aus Berlin oder Brandenburg. Viele Fans kommen aus Norddeutschland, NRW - aber vor allem treffe ich Ausländer:innen. Manche Fans sind von sehr weit her gekommen, wie ein Paar aus Taiwan oder eine Familie aus Brasilien - aus Frankreich, Irland, Norwegen.
Viele der Brit:innen, die ich treffe, sind enttäuscht, dass Adele für ihre Europatournee nicht in ihr Heimatland zurückkehrt. So auch Emilia und Adam aus London. "Es war ein bisschen kompliziert, hierher zu kommen, die Flugtickets waren sehr teuer", erklärt Adam, "also sind wir in Nürnberg gelandet und haben dann einen Zug nach München genommen. Wir bleiben ein paar Tage hier und fliegen dann nach Dubai". Seine Freundin fügt hinzu: "Heute ist der erste richtige Abend unseres Urlaubs."
Es ist generell ein teurer Abend: Die Eintrittskarten kosten zwischen 75 und 450 Euro. Trotzdem sind laut den Organisatoren 95 Prozent der Plätze verkauft worden.
Während des zweieinhalbstündigen Konzerts vertraut der Star uns, dem Publikum, viel an. Adele wiederholt unzählige Male, wie sehr sie sich freue, in Deutschland zu spielen, einem Land mit Menschen, "die gute Musik lieben, die wissen, wie man sie wertschätzt". Sie wundere sich über die Sauberkeit der Stadt München - was sie mit mir als Berlinerin gemeinsam hat. Sie erzählt eine ganze Reihe von Anekdoten, um die Stimmung aufzulockern - vielleicht auch, um sich selbst zu entspannen. Manchmal scheint sie etwas nervös zu sein, vor 80.000 Menschen zu spielen, in Las Vegas waren es beispielsweise "nur" 4.000.
Eine Anekdote lässt mich aufhorchen, nämlich die Aussage, dass sie Berlin liebe. Hier habe sie ihr erstes Konzert im Ausland gegeben, sagt sie. Das sei Ende der 2000er gewesen. Sie spielte an einem Ort, "wo man Leute hätte einsperren können", es habe sehr wenig Publikum gegeben, ein paar Freund:innen und ihr Manager. Trotzdem habe Berlin eine ganz besondere Bedeutung für sie. Dann fragt sie in die große Runde, ob viele Leute aus Berlin heute da seien - ich bin die einzige in meinem Block, die zurückruft.
2016 war Adele das letzte Mal in Berlin und das war auch ein Erfolg: 15.000 Personen pro Abend hatten mitgesungen und mitgeweint. Diese Residenz in München ist ein ganz anderes Niveau. Typisch München: Exakt durchgetaktet, wie aus dem Ei gepellt. Und perfekt endet auch die Show: Mit "Rolling in the deep" und einem Feuerwerk.
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.08.2024, 09:55 Uhr
Beitrag von Salomé Hénon-Cohin
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