Varietékritik | "A Tribute to Josephine" im Wintergarten
Die Geschichte einer Ikone wird aktuell im Wintergarten Varieté gezeigt: Tänzerin, Schauspielerin und Bürgerrechtlerin Josephine Baker steht im Mittelpunkt der neuen Show – kann ihr dieser Abend gerecht werden? Von Magdalena Bienert
Man wolle Josephine Baker "vom Image des Bananenröckchens befreien", sagt der Direktor des Wintergarten Varieté, Georg Strecker, zu Beginn. Und nimmt den Kritikern gleich den Wind aus den Segeln, schließlich sei so ein Abend immer auch eine "Herausforderung", bloß keine Volkshochschule, dennoch Entertainment. "Das ist auch eine Artistik-Show und der Eine wird sagen: ist aber ein bisschen wenig Josephine Baker, der andere sagt: bisschen viel". Eine Show soll das werden, die der Star heute vielleicht auch so machen würde.
Und so beginnt der sehr rasante Ritt, mit viel Mut zur Lücke, durch das Leben der Frau, die so viel mehr war als nur Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin. Verkörpert wird Josephine Baker zur Premiere von Nicolle Rochelle, selbst auch US-Amerikanerin und sie macht das fantastisch. Tanzt leichtfüßig Charleston oder trägt wie selbstverständlich ein üppiges Pfauenfedern-Kostüm singend die Showtreppe hinunter. Unterbrochen werden ihre Nummern von artistischen Einlagen, die aber so gar nichts mit der Baker-Story zu tun haben und etwas willkürlich dazwischen geworfen wirken.
Auch im Niveau clashen Welten aufeinander: Moderne Perfomances, wie zeitgenössischer Tanz oder Auftritte mit dem Diabolo, treffen im Wintergarten auf sehr klassisches, fast schon altbackenes Varieté, wie Hut-Jonglage oder Balance-Nummern auf Rollen und Brettern. Und wer sich für Zirkus interessiert hat einiges, wie den Kraftakt der Human Flag, genauso schon auf Bühnen gesehen: Mit den Armen und dem Körper wird an einer Stange eine gerade Linie parallel zum Boden gebildet. Starke Leistung, ja, aber nicht nur im Netz findet man davon inzwischen wirklich atemberaubende Variationen.
Ab Mitte der 1920er Jahre wird Josephine Baker in Paris zum Star des Revue-Theaters, später wird sie sogar die französische Staatsbürgerschaft annehmen und bei Auftritten in Europa Schlagzeilen machen. Im Wintergarten sieht und hört man dazu auf der Bühne passende Zeitungsartikel, die über den "Sittenverfall" schreiben. Bakers berühmter Tanz, oben ohne und mit Schurz aus Bananen, wird im Wintergarten stilisiert gezeigt, was eine gute Entscheidung ist: ein grell-pinkes Bananen-Röckchen, das im Schwarzlicht leuchtet und tanzt - mehr sieht man kaum.
Dann immer wieder Zeittafeln: 1963 ist Baker mit Martin Luther King beim Marsch auf Washington dabei und spricht als einzige weibliche Rednerin, sie kauft ein Schloss und adoptiert zwölf Waisenkinder unterschiedlicher Hautfarbe. Es ist ihre "Regenbogenfamilie". Original Fotos und den passenden Song dazu gibt es im Wintergarten auch.
Einblendungen mit Original-Plakaten oder kurzen Filmaufnahmen versuchen Einordnungen zu der Person Josephine Baker zu geben. Nur in Ausnahmefällen gibt es harmonische Übergänge von den Songs der Sängerin, hin zu den Auftritten der Artisten.
Und das ist sehr schade, denn so wirkt der ganze Abend wenig organisch und man bleibt zwar gut unterhalten, aber doch etwas ratlos am Ende zurück.
Sendung: rbb24 Inforadio, 30.08.2024, 00:00 Uhr
"A Tribute to Josephine – The Queen of Entertainment" läuft noch bis zum 23. Februar 2025 im Wintergarten Berlin.
Beitrag von Magdalena Bienert
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