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Quelle: Deutsche Oper/Eike Walkenhorst

Konzertkritik | Oper im Wasser

Uterus-Vibes und Techno-Beats in Bademode erleben

Mit "Immersion" bringt die Deutsche Oper Berlin eine Inszenierung auf die Bühne – oder besser gesagt ins Wasser – die klassische Opernstoffe mit Akrobatik und Techno verbindet. Als Kulisse und Bühne dient dabei das historische Stadtbad Charlottenburg. Von Christopher Ferner  

Es kommt nicht alle Tage vor, dass die Zuschauer:innen Badehose, Bikini oder Badeanzug einpacken müssen, um eine Opernaufführung zu besuchen. Doch wer das Stück "Immersion" erleben möchte, muss genau das tun. Badebekleidung ist an diesem Abend Pflicht. Das hat einen guten Grund: Wegen Renovierungsarbeiten in der kleinen Spielstätte der Deutschen Oper weicht das Team der Tischlerei an einen ungewöhnlichen Ort aus – ins Stadtbad Charlottenburg.

Dort wird das Schwimmbecken zur Bühne, das Wasser zum zentralen Element und das Publikum taucht buchstäblich in die Handlung ein. Rund 70 Zuschauende versammeln sich an diesem Premieren-Abend in dem 1898 errichteten Jugendstilgebäude. Bevor sie die Schwimmhalle betreten, müssen sie ihre Schuhe ausziehen. In den Umkleidekabinen tauschen sie dann ihre Alltagskleidung gegen ein wassertaugliches Outfit. Nicht nur dadurch wird der Besuch schon vor Beginn der Vorstellung zu einem Erlebnis. Auch die Architektur des Bades lässt staunen: Eine gläserne Decke, große Lampen am Beckenrand und kunstvoll gestaltete Wände prägen den von violetten Leuchtstoffröhren erhellten Raum.

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Techno und Akrobatik treffen auf Klassik

Ein Großteil der Zuschauer:innen findet seinen Platz im Becken. Viele von ihnen nutzen die Gelegenheit, um vor der Show noch eine kleine Runde zu schwimmen, während aus den Lautsprechern Vogelgezwitscher ertönt. Der Teil des Publikums, der nicht im Wasser ist, nimmt auf weißen Plastikstühlen am Beckenrand Platz.

Dann beginnt die Show: Eine Performerin in einem roten Kostüm wird auf den Schultern eines Mannes durch das Wasserbecken zu einem Podest getragen. Von nun an entführt die Inszenierung das Publikum in die Welt der Hexen und Geister aus den Opern "Macbeth", "Die Frau ohne Schatten" und "La Fiamma". Die Regisseurin Ariane Kareev inszeniert sie als moderne, unangepasste Frauenfiguren, die sich traditionellen Zuschreibungen widersetzen.

Während wummernde Techno-Beats durch den Raum hallen, bekommt das Publikum immer wieder akrobatische Einlagen zu sehen. Doch die Performance bleibt nicht ausschließlich elektronisch und zeitgenössisch: Immer wieder singt beispielsweise die Sopranistin Flurina Stucki Arien aus den genannten Opern - mal auf der Empore des Stadtbads stehend, mal auf dem Rücken im Becken treibend.

Keine Trennung von Zuschauerraum und Bühne

Auf dieser transdisziplinären Reise wird das schwimmende Publikum immer wieder aktiv eingebunden. Mal tanzt es gemeinsam mit den Darsteller:innen im Becken, hebt die Hände zur Decke und lässt sie im nächsten Moment wieder ins Wasser sinken. In einer anderen Szene fassen sich Künstler:innen und Zuschauer:innen an den Händen und drehen sich hexentanzartig im Kreis. So entsteht ein fast rituelles Gemeinschaftsgefühl, das durch die traditionelle Trennung von Bühne und Zuschauerraum nicht möglich wäre.

Die visuelle Gestaltung des Stücks trägt wesentlich zur mystischen Atmosphäre des Stücks bei. Creative Coder Phil Jungschlaeger projiziert Visuals auf die gekachelten Wände des Schwimmbads, die an das Innere einer Gebärmutter erinnern sollen. Die Reflexionen auf der Wasseroberfläche verstärken den Effekt und schaffen eine traumartige Szenerie.

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Das Problem mit der Akustik

Die Kombination aus Musik, Videokunst und Choreografie, gepaart mit dem außergewöhnlichen Spielort, schafft ein Gesamterlebnis, das über eine traditionelle Operninszenierung hinausgeht. Doch natürlich ist ein Schwimmbad kein akustisch optimierter Raum, was gelegentlich zu Klangproblemen führt. Ohne die an die Wand projizierten Untertitel wäre der Inhalt der gesprochenen und gesungenen Texte an manchen Stellen nur zu erahnen. Zudem trägt der Genre-Mix dazu bei, dass der Handlung teilweise nur schwer zu folgen ist.

Doch statt um Handlung oder einem perfekten Tonerlebnis geht es bei dieser Performance vor allem um die Erfahrung. Wer also bereit ist, sich auf ein experimentelles Theater und eine fast zeremonielle Erfahrung einzulassen, wird mit einem Opernerlebnis belohnt, das in dieser Form nur selten zu sehen und zu hören ist. Und wer dazu in der Lage ist, sollte die Show unbedingt vom Wasser aus bestaunen.

 

Beitrag von Christopher Ferner

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