Hindu-Tempel in Neukölln
Leuchtend bunte Gewänder, Tücher und Turbane, indische Tänze und Musik und viele blumenverzierte Ganesha-Figuren: All das gibt es beim Sri-Ganesha-Fest in Neukölln zu sehen, wo gerade der größte Hindu-Tempel Deutschlands entsteht. Von Carmen Gräf
Noch wirkt der Tempel still und verlassen, das goldglänzende Dach am Rand der Neuköllner Hasenheide kann man schon von weitem leuchten sehen. Bald wird es hier trubelig zugehen. Beim Sri-Ganesha-Fest feiern Hindus den Geburtstag des gleichnamigen Gottes. Es beginnt am Samstag, dem 7. September, dauert zehn Tage und gehört zu den wichtigsten Festen Indiens. "Das ist das einzige Fest, das in ganz Indien gefeiert wird", erklärt Vilwanathan Krishnamurthy. Er leitet den Verein, der den Ganesha-Tempel in Neukölln baut. Er wird 1.200 Quadratmeter groß, der größte Hindu-Tempel Deutschlands.
Ganesha ist der Gott mit dem Elefantenkopf, im Hinduismus zuständig für Gleichberechtigung, Bildung, Weisheit und Erfolg. "Bei allem, was wir neu beginnen, rufen wir Ganesha an“, sagt Jayarama Naidu vom Tempelverein, "ganz gleich, ob es um die Ausbildung der Kinder, das Studium oder um eine neue Arbeit geht."
In der indischen Mythologie erschuf die Göttin Parvati Ganesha aus Lehm, übergoss ihn mit Wasser aus dem Ganges und erweckte ihn so zum Leben. Dann befahl sie ihm, das Haus zu bewachen. Als Parvatis Ehemann Shiva nach Hause kam, versperrte Ganesha ihm den Zutritt. Shiva wurde wütend und schlug ihm den Kopf ab. Parvati brach vor Kummer zusammen. Um sie zu trösten, setzte ihm Shiva den Kopf eines jungen Elefanten auf und gab ihm so das Leben zurück.
Für gläubige Hindus gehört Ganesha zu den wichtigsten Göttern. Schätzungsweise weit mehr als 6.000 Hindus leben derzeit in Berlin, die meisten stammen aus Indien und Sri Lanka. Es werden mehr, vor allem junge IT-Fachleute ziehen in die Stadt. "Sie spenden große Summen für den Tempel", sagt Vilwanathan Krishnamurthy, "denn sie wollen hier die Rituale leben, die sie aus ihrer Heimat kennen." Der Tempelbau wird nur aus Spendengeldern finanziert. Wie alle gläubigen Hindus wird auch Krishnamurti eine Ganesha-Figur aus Ton zum Fest mitbringen und ins Wasser tauchen, wie er sagt. "Das bedeutet, dass man symbolisch Hindu ist" erklärt er.
Ganeshas Geburtstag wird mit einem Umzug am Samstag ab 9 Uhr gefeiert, er beginnt am Hermannplatz und endet wenig später auf demTempelgelände. Mehr als 1.000 Besucher und Besucherinnen werden erwartet. Jeder und jede sei willkommen, ob Hindu oder nicht, sagt Vilwanathan Krishnamurthy.
Die Feiern enden in der Turnhalle, die zum provisorischen Tempelraum wurde. Am Sri-Ganesha-Tempel wird schon seit elf Jahren gebaut. Noch in diesem Jahr soll er fertig werden. Derzeit arbeite man an der Elektrizität und an der Fußbodenheizung.
Die bis zu sieben Meter hohen Türen wurden in Indien aus Teakholz handgeschnitzt. "Mehr als 20 Künstler arbeiten schon seit über einem halben Jahr daran", erzählt Vilwanathan Krishnamurti. "Die werden eine Augenweide sein, wenn sie fertig sind."
Im Innenraum des Tempels stehen schon die Altäre, alle strahlend weiß. "Die werden noch sehr bunt angemalt", sagt Krishnamurti als er durch das Gebäude führt. In der Mitte der Altäre sind leere Nischen: Platz für insgesamt 27 Götterfiguren aus schwarzem Stein. Auch sie wurden in Indien gefertigt. Der Stein sei besonders hitze- und kältebeständig. "Wenn die Götter und Türen da sind, kann einen Monat später die Einweihung stattfinden."
Die Ganesha-Figur werde anderthalb Meter groß sein. Als der Tempel geplant wurde, war Berlin Bildungs-Schlusslicht bei der Pisa-Studie. Deshalb wolle man Ganesha, den Gott der Bildung, hier willkommen heißen. "Daran glauben wir Hindus", sagt Vilwanathan Krishnamurti und lacht. "Dass Berlin wieder besser dasteht, wenn Gott Ganesha kommt."
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.09.2024, 08:20 Uhr
Beitrag von Carmen Gräf
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