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Video: rbb24 Abendschau | 24.09.2024 | Christian Tietze | Quelle: Felix Zimmermann

Interview | Sven Regener und Charly Hübner

"Sie meinte, lass das mal den Charly Hübner machen"

Am Donnerstag kommt die Musik-Doku über die Berliner Kult-Band Element of Crime in die Kinos. Ein Interview mit Frontmann Sven Regener und Regisseur Charly Hübner über Musik, Nostalgie und Gegenwart - und natürlich das Leben an sich.

rbb: Sven Regener, Sie sind Musiker bei Element of Crime, Sie sind aber auch Autor und Geschichtenerzähler. Was ist wichtiger für Sie oder was entspringt eher Ihrem Wesen?

Sven Regener: Musiker bin ich eigentlich immer. Romanautor bin ich dann, wenn ich an einem Roman arbeite, oder wenn ich auf Lesereise gehe. Deshalb würde ich sagen: Ich war immer zuerst Musiker, bevor ich das erste Mal einen Roman geschrieben habe.

zur person

Charly Hübner, Sie sind Schauspieler und Regisseur des Films über Element of Crime. Was würden Sie dazu sagen?

Das eine ist, dass du morgens aufstehst und der Mensch bist, der du bist, der du geworden bist in deinem Leben. Und das andere ist, was du tust – ob das jetzt Arbeit heißt oder Tun heißt. Bei den Aborigines gibt es diese Unterscheidung: Vier Stunden am Tag arbeite ich, den Rest tue ich was. Beim Zuhören habe ich gedacht, wenn Sven sagt, als Musiker bin ich immer Musiker, dann kann ich das als Schauspieler gar nicht so sagen. Da gibt es schon eine Differenz.

Der Film entstand aus einer Tournee durch fünf Berliner Konzertorte – er erzählt die Geschichte der Band und ist zugleich eine Zeitreise durch Berlin seit den 80er-Jahren. War die erste Film-Idee eher so eine Art Tourneebegleitung?

Charly Hübner:
Ausschließlich. Charlotte Goltermann, die Managerin, hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, mit der Band auf Berlin-Tour zu gehen. Das habe ich sofort spannend gefunden. Ich wollte diesen Blues, diese Freiheit, diese Mischung aus dem, was die drei auch an Musikwelten mitbringen in ihre Songs, die sehr unterschiedlich sind, diese Offenheit sollte der Film kriegen. Und dann habe ich gemerkt, das einzige Genom, das trägt als Kerndramaturgie, sind diese fünf Tage – und alles andere ergibt sich automatisch durch die Gespräche. Wenn Richard [Anm.d.Red.: Richard Pappik, Schlagzeuger von Element of Crime] auf einmal sagt, naja klar, man wollte nach West-Berlin, dann denkst du, wie sah denn das damals aus? Und dann findest du Archivbilder in der Band und Archivbilder beim SFB, RBB und dann formuliert sich so ein Film.

Sven Regener, sind Sie mit dieser Idee sofort einverstanden gewesen?

Sven Regener: Für uns als Band war das natürlich ein Problem als Objekte eines solchen Films dazustehen. Wir hatten eigentlich Angst davor, dass das in die Hose geht, dass es ein langweiliger Film wird, weil wir langweilig sind oder was auch immer. Man weiß es nicht. Und es gab zwei bis drei wichtige Punkte: Der eine war, dass Charlotte Goltermann, unsere Managerin, die das alles überhaupt angeschoben hat, das unbedingt wollte. Sie meinte, das sei jetzt wichtig und 'lass doch den Charly Hübner machen', dem vertraut ihr. Und das war auch so. Wir haben Charly kennengelernt über ein Interview, und wir fanden, dass er eine Sicht auf die Band hat, die so seltsam ist und auch so einzigartig, dass wir dachten, dem kann man vertrauen und der kann auch einen sehr interessanten Film machen.

Das andere war, dass sie sagte, wir machen den Film bei diesen fünf Konzerten und wir dachten, okay, wenn er uns dabei filmt, dann müssen wir keine Angst haben, dass wir wie Idioten dastehen oder dass wir irgendwas vortäuschen müssen. Das hat uns den Mut gegeben, überhaupt mitzumachen. Und dann brauchten wir uns auch weiter keine Gedanken mehr zu machen, weil wir einfach getan haben, was wir immer getan haben. Wir haben diese fünf Konzerte gespielt mit allem Drum und Dran, mit Backstage, Soundcheck, diesen ganzen Geschichten und ansonsten geguckt, was Charly daraus macht.

Es ist natürlich auch ein Berlin-Film, Charly Hübner. War Ihnen das dann auch schon bewusst und wie sind Sie dem nachgegangen?

Charly Hübner: Man kann das wie eine Parallelerzählung führen, aber dann bist du sofort in einem journalistischen Bericht. Weil du Infos geliefert kriegst, kommst du mehr in den Kopf als ins Herz. Und da habe ich gedacht, das beißt sich im Verhältnis zur Musik und zu den Texten von Element of Crime. Der große Zauber von Element of Crime ist, dass das ein englischer Name einer Band ist, die seit über 30 Jahren vor allem deutsche Texte singt. Die Lücke dazwischen, das ist Element of Crime, diese Fläche, die entsteht. Sven geht in einen Probenraum mit einer Idee von zwei Akkorden und Jakob mit der Gitarre und Richard setzen sich dazu ins Verhältnis und der Raum, der dazwischen entsteht, das ist die Band. Das ist kein informatives Material für den Kopf, sondern es ist vegetativ, geht sofort ins Herz. Und dann habe ich gemerkt, wenn ich West-Berlin und auch das sich neu formierende Berlin erzählen will, kann ich das immer nur anhand der Band machen.

Sven Regener, für mich ist die Band oder auch Ihr Roman "Herr Lehmann" letztlich auch immer auch so eine nostalgische Sicht auf Berlin.

Sven Regener:
Ja, das ist so eine Sache mit der Nostalgie. Wenn man ein Lied schreibt, das Delmhorst heißt, wird Delmhorst danach nicht dasselbe mehr sein als Stadt. Das ist dann eine Stadt, über die ein Lied gemacht wurde. Und so kommt es zu so einem nostalgischen Ansatz - der aber eigentlich, in meinen Büchern, keine Entsprechung findet. Es wird nichts beschönt, die Leute haben es nicht leicht in diesen Büchern und es ist nicht so, dass affirmativ geschwärmt wird. Aber man kann gar nicht vermeiden, dass natürlich die Kunst das Leben auch glänzender, bunter oder attraktiver macht, einfach nur indem man es darstellt, einfach indem man es aus einer Distanz heraus plötzlich sieht. Auch Nostalgie lebt aus einer Distanz heraus, es ist immer eine Sehnsucht nach einer Welt, die es nie gab.

Das Entscheidende ist - und das sieht man bei diesem Film -, wir spielen heute ein Lied wie "Nightmare" im Lido und die Leute können damit genauso viel anfangen, wie sie 1993 oder auch 1988, als wir es geschrieben haben, damit anfangen konnten. Das heißt, das Leben ist kurz, aber die Kunst überdauert. Das mag ich an dem Film, dass er eben diese gegenwärtige Ebene hat.

Charly Hübner: Das, was Element of Crime hauptsächlich ausmacht, ist eben die Musik.

Sven Regener fühlen Sie und ihre Bandkollegen sich getroffen im Film?

Sven Regener: Ja, aber nicht so, dass ich sagen würde, ich wollte immer, dass man mich so darstellt. Also wenn ich mir das anschaue, dann kann man zum ersten Mal mit anderen Augen sehen, was man da eigentlich tut, und ich kriege zum ersten Mal ein Gespür dafür, wie das so auf andere Leute wirkt. Und das ist ein ganz toller Moment.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mit Sven Regener und Charly Hübner sprach Alexander Soyez für rbb24 Inforadio. Dieser Text ist eine gekürzte und bearbeitete Version. Das Originalinterview können Sie mit Klick auf das Audiosymbol oben im Header des Beitrags nachhören.

Sendung: rbb24 Abendschau, 28.09.2024, 19:30 Uhr

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