Debütroman von Caroline Peters
Caroline Peters gehört zu den vielseitigsten Theaterschauspielerinnen des Landes. Jetzt hat sie ihren ersten Roman geschrieben: "Ein anderes Leben". Jetzt hat sie ihn in der Schaubühne vorgestellt. Von Corinne Orlowski
Auf der Bühne zu sein, ist für Caroline Peters eigentlich nichts Ungewöhnliches. Dieser Dienstagabend an der ihr eigentlich so vertrauten Berliner Schaubühne bringt die Schauspielerin dann aber doch ins Schwitzen. Denn hier tritt sie das erste Mal als Autorin auf. Da ist kein Text von Shakespeare oder Jelinek, an dem sie sich festhalten kann. "Es ist etwas völlig anderes, jetzt hier zu reden und vorzulesen, was ich selber geschrieben habe", sagt sie zu Beginn.
Als Schauspielerin hat schon alles erreicht, was man in ihrem Metier erreichen kann – Grimme-Preis, zweimal die Auszeichnung als Schauspielerin des Jahres. Einem breiten Publikum wurde Peters in der Rolle der Kommissarin Sophie Haas in der Fernsehserie "Mord mit Aussicht" bekannt. Sie kann urkomisch sein und tieftraurig.
Und als Autorin? Genau so. Ihr Debütroman ist sprachlich kraftvoll, inhaltlich mitreißend und lebensklug.
Am Anfang des Buches steht das Ende. Die Beerdigung des Vaters – für die Tochter und Ich-Erzählerin ist es aber auch die Auferstehung ihrer Mutter. In Rückblenden schaut sie zurück auf das Leben dieser außergewöhnlichen Frau, Hanna, die nacheinander ihre drei Studienfreunde geheiratet, jeweils eine Tochter bekommen und mit Charme und Charisma alle um den Finger gewickelt hat.
"Kleine Alltäglichkeiten, wie man sie teilt, um sich im gemeinsamen Alltag gebunden und damit geerdet zu fühlen, waren Hanna eher peinlich oder vielleicht einfach nur fad. Ermahnungen, strenger Ton waren ihr unangenehm. Sie wollte strahlen. Bei uns hieß es: ‚Der Elternsprechtag war großartig, ich komme sehr gut an bei deinen Lehrern.‘ In ihre Töchter setze Hanna eine einzige, fest umrissene Erwartung: Bewunderung."
Und diese Hanna kann man nur bewundern. Bevor Peters aus ihrem Roman liest, rutscht sie ein wenig auf ihrem Stuhl hin und her. "Ich merke immer, ich habe für eine ganz bestimmte Stimme im Kopf geschrieben und ich dachte, es wäre meine, ist es aber nicht – und jetzt muss ich immer den Ton finden." Den hat sie aber schnell gefunden und liest, das Buch auf dem Schoß, untermalt mit vielen Gesten und zieht das Publikum sofort rein in die Geschichte. Es ist die einer ungewöhnlichen Frau, zugleich ist das Buch ein stimmiges Generationenporträt der Nachkriegskinder in der alten BRD.
Mehr Verständnis für die Elterngeneration
Hanna ist zwar angelehnt an Peters' reale Mutter, die Literaturwissenschaftlerin Johanne. Aber so wie im Buch sei sie nicht gewesen, sagt die Schauspielerin, viel eher wäre sie gerne so gewesen. Warum sie nicht so sein konnte, wollte Peters schreibend herausfinden, wie sie sagt. Daher heißt ihr Roman auch "Ein anderes Leben". Und weil man ein anderes Leben beginnt, wenn die Eltern gestorben sind.
Peters ist aufgefallen, dass die Mütter die Familie zusammenhalten und erzählen. "Und dann gibt es in eloquenteren Familien – und aus so einer komme ich – so eine Mutter wie meine, die in die Hanna eingeflossen ist, die sehr gut erzählen kann, aber auch sehr falsch, aber eben sehr überzeugend. Man glaubt dann jahrelang irgendwas und denkt dann: Nee, im Leben nicht, das kann so nicht stimmen."
Und wenn Caroline Peters so aus ihrem Leben und dem ihrer Figuren plaudert, für Nachsicht für die Fehler von Müttern wirbt, denkt man plötzlich auch an die eigene Herkunft. Was macht Familie aus? Es sind die Erinnerungen, die zu identitätsstiftenden Erzählungen werden. Ob es tatsächlich so stattgefunden hat oder nicht: egal.
Peters führt das fort, was sie als Schauspielerin schon seit Jahren so grandios tut: vielschichtig erzählen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.10.2024, 7:30 Uhr
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