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Audio: rbb24 Inforadio | 15.10.2024 | Alexander Soyez im Gespräch mit Andreas Dresen | Quelle: picture alliance /AAPimages/Lueders

Regisseur Dresen über "In Liebe, Eure Hilde"

"Da flossen viele Tränen - und zwar nicht nur vor der Kamera"

Andreas Dresen bringt ab Donnerstag mit "In Liebe, Eure Hilde" die Geschichte der Widerstandskämpferin Hilde Coppi im Berlin der Nazi-Zeit in die Kinos. Im Interview erzählt der preisgekrönte Regisseur, was ihn an der Arbeit am meisten berührt hat.

rbb: Herr Dresen, das Interessante an Ihrem neuen Film: Man kann die Zeit, in der er spielt, zumindest visuell fast gar nicht erfassen. Man hat fast das Gefühl, das ist gar nicht die Zeit, in der "In Liebe, Eure Hilde" spielt.

Andreas Dresen: Das war auch eine ganz bewusste Entscheidung. Ich wollte auf jeden Fall vermeiden, eine Art Nazi-Museum zu errichten. Es gibt ein paar Klischees, die man in fast allen Filmen über diese Zeit findet: wehende schwarz-rot-weiße Flaggen, gewienerte Stiefel. Meistens werden noch Schaufensterscheiben eingeworfen, dazu alles in Sepiafarben und mit einer möglichst dramatischen Musik. Das haben wir versucht zu vermeiden.

Rezension

"In Liebe, Eure Hilde"

Ich hatte die Fotos gesehen von dieser Gruppe, der sogenannten Roten Kapelle. Das sind teilweise echt rührende Aufnahmen. Die sitzen an einem See, auf einem Segelboot, auf einem Motorrad. Und man hat plötzlich das Gefühl, die sind wie junge Leute von heute. Man vergisst ja immer, wie jung diese Menschen waren, dass die auch ganz normale Träume hatten. Und deswegen wollten wir die Geschichte so erzählen, dass sie möglichst nah an uns herankommt und nicht so weit entfernt scheint.

Das Menschliche ist der Zugang, der Sie immer reizt.

Mich hat die Hauptfigur Hilde sehr berührt, weil sie so gar nicht dem Widerstandskämpfer-Klischee entspricht. Wo man denkt, ja, da laufen Leute mit ihrer Weltanschauung und einer erhobenen Faust durch die Gegend. Sondern Hilde ist ja eher ein sehr zurückhaltender, schüchterner, stiller Mensch, die eine innere Haltung zum Widerstand findet. Eigentlich vom Herzen, nicht so propagandistisch untersetzt. Ein natürlicher Anstand.

Ich sage mal ein Beispiel: Bei Radio Moskau gab es eine Sendung, die nennt sich Heimatpost. Da haben deutsche Kriegsgefangene, die in sowjetischer Gefangenschaft waren, ihre daheim gebliebenen Angehörigen gegrüßt und ihnen ein Lebenszeichen gegeben, dass sie keine Angst haben müssen, dass sie gestorben oder gefallen sind. Hilde hat das gehört und beschlossen, diesen Angehörigen Briefe zu schreiben und diese Informationen weiterzugeben. Es war natürlich strengstens verboten, Radio Moskau zu hören. Auch dafür, unter anderem, ist sie hingerichtet worden. Das ist aber eine menschliche Reaktion von Zuwendung, anderen Menschen Hoffnung zu geben. Und das beschreibt, finde ich, ganz gut die Form von Widerstand, die man bei Hilde findet.

Wie ist das Projekt entstanden?

Meine Drehbuchautorin und langjährige Freundin Laila Stieler kam auf mich zu. Wir haben schon zusammen an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg studiert, kennen uns fast 40 Jahre - um Gottes Willen-, aber haben auch viele Produktionen miteinander gemacht. Laila hatte sich mit Frauen im Widerstand beschäftigt und angefangen, über Hilde Coppi zu schreiben.

Meistens sind ja die Männer im Widerstand bekannt. Bei der sogenannten Roten Kapelle gab es sehr viele tapfere, tolle Frauen, die da nicht nur Kaffee gekocht haben. Als ich das Drehbuch über Hilde in den Händen gehalten habe, hat mich das wirklich tief im Herzen gerührt, diese Figur und ihr Schicksal. Auf der einen Seite diese Normalität und auf der anderen Seite ihr Heldentum und ihr Anstand in einem Alltag.

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Wenn Laila und Sie zusammenarbeiten, ist es dann sofort eine abgemachte Sache, dass der Film dann auch steht?

Es hat häufig bei uns gedauert, ehrlich gesagt. Bei "Gundermann" waren es zwölf Jahre und acht Drehbuchfassungen, ehe wir Leute davon überhaupt überzeugen konnten. Ehe wir uns auch selber überzeugen konnten, dass wir das wirklich wollen und dass das funktionieren könnte. Es sind immer lange Wege mit Filmen. Man weiß es nie so ganz genau. Laila und ich haben zum Glück irgendwie eine gute gemeinsame Art, auf Geschichten und auf Figuren zu schauen. Wir haben einen ziemlich ähnlichen Humor. Das ist manchmal hilfreich, gerade wenn es so lange mit Filmen dauert. Zum Glück war es noch nie so, dass wir beide zur gleichen Zeit massive Zweifel hatten. Das wäre bei Gundermann fatal gewesen, weil jeder von uns hat mal irgendwann gedacht, das wird bestimmt nichts.

Was war die größte Herausforderung bei "In Liebe, Eure Hilde"?

Die größte Herausforderung war für mich eine emotionale, weil wir mit einer sehr dramatischen Lebensgeschichte, mit sehr krassen Situationen zu tun haben, in die die Hauptfigur gerät. Sich dem zu stellen, auch beim Drehen, war häufig nicht ganz einfach, muss ich sagen. Da flossen durchaus viele Tränen - und zwar nicht nur vor der Kamera.

Zur Person

Andreas Dresen

Zum einen ist man mit der Emotionalität eines Drehbuchs konfrontiert. Auf der anderen Seite hat man aber ständig das Bewusstsein dafür, dass das nicht nur ein Drehbuch ist, sondern dieses Drehbuch auf einer realen Geschichte basiert. Das hat wirklich ein Mensch erlebt. Das hat ein Mensch erfahren müssen. Und das ist sehr, sehr schmerzhaft, sich dem immer wieder zu stellen. Ich habe den Film nur ein einziges Mal mit Zuschauern gesehen - bis heute. Das war bei der Berlinale-Uraufführung. Irgendwie fällt es mir immer noch schwer, da so drauf zu gucken und zu versuchen, einen Abstand einzunehmen.

Liegt es vielleicht auch daran, dass Sie sich immer sehr als Mensch in die Geschichte einbringen und auch mit Charakteren oder Schicksalen identifizieren, die Sie zeigen?

Ich glaube, das ist ein wesentlicher Teil der Arbeit eines Regisseurs. Das sollte man irgendwie tun, denke ich, dass man empathisch ist, dass man die Figuren, von denen man erzählt, auch wenn sie fehlerbehaftet sind, in gewisser Weise mit den Augen der Liebe betrachtet und versucht, ein Verständnis zu entwickeln. Nur so kann man, glaube ich, auf eine ambivalente Art erzählen. In "Hilde" kommen ja nicht nur die Widerstandskämpfer vor, sondern es spielt auch die andere Seite eine Rolle: Die Leute, die im Gefängnis arbeiten, beim Gericht arbeiten, die Vernehmer und so weiter. Auch da haben wir uns bemüht, sie so widersprüchlich wie möglich zu zeigen.

Es ist natürlich einfach, sich von einem prügelnden SA-Mann zu distanzieren, wo man sagt, na gut, das ist halt ein Verbrecher. Aber hier verhalten sich die Figuren durchaus widersprüchlicher. Der Richter, der Hilde verurteilt, agiert fast wie ein Sozialrichter und versucht ihr so ein bisschen eine Brücke zu bauen. Das macht sein Todesurteil, das er dann gesprochen hat, nicht weniger schlimm. Ich bin der Meinung, dass eine Diktatur, wie die Nazi-Diktatur, nicht nur auf den Rücken der Schreihälse steht, sondern vor allen Dingen auf dem Rücken der vielen Menschen, die vielleicht einfach nur den Mund halten. Systeme wie diese werden von der breiten Zahl der Opportunisten getragen. Davon wollten wir auch erzählen.

Hintergrund

Hilde Coppi

Wir landen mit dem Film in einer aktuellen politischen Situation, wo wir nicht nur in Deutschland, sondern weltweit einen ziemlichen Rechtsruck haben. Nach einer Zeit des Neoliberalismus, der Globalisierung schotten sich Gesellschaften wieder ab. Gibt es eine neue Form von Nationalismus, der teilweise reaktionär ist?

Nun macht man einen Film ja nicht im Hinblick auf Zeitgeist. Es wäre auch schade, die Geschichte von Hilde darauf runterzubrechen. Ich finde, dass ein Film auch in zehn oder 20 Jahren eine Nachricht für seine Zuschauer haben muss und auch in anderen Teilen der Welt. Trotzdem: Da der Film jetzt rauskommt, würde ich mir natürlich wünschen, dass die Menschen, die ihn sehen, sich die Geschichte von Hilde zu Herzen gehen lassen und vielleicht ein bisschen mit davon in ihren Alltag nehmen. Dass sie vielleicht ein bisschen genauer hingucken, was gerade in unseren Ländern hier passiert.

Als nächstes was Erholsameres, was Leichteres?

Ja, ich wollte eigentlich sehr gerne einen Film für Kinder machen, "Die Weihnachtsgans Auguste". Leider haben wir große Probleme, das zu finanzieren. Insofern weiß ich noch nicht, was jetzt als Nächstes kommt. Aber tatsächlich hätte ich wirklich Lust, mal wieder einen kleineren, leichteren Gegenwartsfilm zu machen - auch weil die letzten drei Stoffe ein ganz schönes Gewicht hatten. Ich habe auch ein inneres Bedürfnis, mal wieder mit etwas heitererem Blick auf die Welt zu gucken. Sie ist ja komplex und schwierig genug, würde ich sagen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Andreas Dresen führte Alexander Soyez für rbb24 Inforadio. Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.10.2024, 11 Uhr

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