Konzert | Bilderbuch in Berlin
Sie sind eine der erfolgreichsten österreichischen Bands – und sie haben eine enge Beziehung zu Berlin. Bilderbuch haben hier am Samstag schon das zweite Konzert dieses Jahr gespielt. Ihre gewohnt starke Show drang aber nicht überall durch. Von Bruno Dietel
August 2013, eine Party der Indie-Reihe "Karrera Klub" im Kreuzberger Lido, der Eintritt damals schmale 6 Euro – auf der Bühne stehen Bilderbuch aus Wien. Jetzt, 11 Jahre später, sind Bilderbuch aus Österreich eine der bekanntesten Indie-Bands im deutschsprachigen Raum und wollten es dieses Jahr in Berlin wohl wissen. Noch im März haben sie ein ausverkauftes Konzert in der ihnen wohl vertrauten Columbiahalle gespielt, jetzt haben sie sich das UFO des Velodroms an der Landsberger Allee vorgenommen. 5.000 Menschen passen da rein, es ist das bisher größte Deutschland-Konzert von Bilderbuch, ausverkauft ist die Show nicht.
Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst macht schon nach dem ersten Song klar, was seine Mission ist: Er verspricht, für einen Abend den deutschen Pop vor der "diabolischen Musikindustrie" zu retten, vor "Scheißmusik und Arschlöchern". Ob Berlin da mit ihm sei? Lauter Applaus.
Bilderbuch sind umrahmt von einem Halbkreis aus meterhohen LED-Wänden, eine weitere schwebt über ihnen, das schafft einen fast schon theaterhaften Raum für die Band. Unter dem riesigen, spinnennetzartigen Stahldach des Velodroms wirkt dieser reduzierte, schlichte Bühnenaufbau allerdings etwas klein und verloren, ist er doch wahrscheinlich auch einfach nicht für solche großen Locations erdacht und gemacht.
Die Band ist wohl schon seit einer Woche in Berlin, hat hier noch keinen einzigen Sonnenstrahl gesehen, alles sei grau, alles sei kalt, noch dazu sei "Germany" ja jetzt ein Land ohne Regierung. Dann witzelt Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst ironisch über die deutsch-österreichische Beziehung – erfrischend, so eine Band, von der noch nie generische Bühnenansagen zu hören waren. So erfahren wir beispielsweise auch, dass sich der Bassist Peter Horazdovsky beim Gemüse schneiden in den linken (Bass spielenden) Zeigefinger geschnitten hat und sich und seinen Finger quasi für diesen Abend aufopfert.
Sänger Maurice Ernst spricht es im Velodrom zwischendurch aus, dass Bilderbuch im kommenden Jahr schon 20-jähriges Bandbestehen feiern würden. Die Band hat sich in dieser Zeit und insbesondere in den letzten 10 Jahren mit wachsendem Erfolg eine Mischung aus Perfektion und Leichtigkeit erarbeitet, an die im deutschsprachigen Live-Geschäft kaum jemand heranreicht: Da ist zum einen diese laszive Lockerheit, wenn der Sänger sein ärmelloses Shirt lupft oder die silbernen Handschuhe abstreift. Oder auch der Gitarrengott und Riff-Meister Michael Krammer, der mit seinem Spaghetti-Top aus Satin sogar dem doppelhalsigen Gitarrespielen etwas Androgynes verleiht, ganz ohne Glamrock-Kitsch.
Und sowieso: Es ist das Können der Band, zu keinem einzigen Zeitpunkt auch nur ansatzweise beliebig zu klingen mit ihrem so typischen wilden Spiel aus Synthieläufen, mal kreischenden, mal sanften Gitarren und diesem charmant-arroganten Schmäh.
Die Vibes auf der Bühne stimmen, schaffen es aber nicht immer runter – bei "Bungalow", einem der größten Bilderbuch-Hits, bleibt Maurice nach dem Mitsing-Part nichts anderes übrig als ein: "Das könnt ihr besser Berlin". Dann spielen sich Bilderbuch eine Viertelstunde lang inmitten wilder Videosequenzen von Verfolgungsjagden auf den LED-Wänden in einen psychedelischen Rausch, verlieren sich und auch Teile des Publikums in der Halle, vielleicht ist sie einfach zu groß.
Als Bilderbuch nach einer guten Stunde ihren Hit "Maschin" spielen, werden Band und Publikum langsam miteinander warm, "wir kommen uns langsam näher – Berlin, zünd mich an", kommentiert Sänger Maurice. Noch ein ausgedehntes Solo, ein weiteres Interlude, "schön, die Zeit zu strecken", ruft der Bilderbuch-Sänger.
Schön zu sehen, dass Bilderbuch so sehr in ihrem Sound versinken können, das ist auch große Kunst und handwerklich beeindruckend, aber so richtig brodelt es dann doch erst bei den Zugaben "Baba" und "Spliff". Jetzt ist das Velodrom endlich aufgetaut und durchgewärmt. In der Bilderbuch so wohl vertrauten Columbiahalle geht das aber viel schneller und intensiver.
Sendung: rbb24 Inforadio, 18.11.2024, Der Morgen, 6 Uhr
Beitrag von Bruno Dietel
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