Eröffnung nach Umbau
Über den Umbau der Sankt Hedwigs-Kathedrale in Berlin ist viel gestritten worden. Am Sonntag wird die katholische Kirche nach sechs Jahren Bauzeit neu eröffnet – mit einem völlig veränderten Innenraum, in dem bis zur letzten Minute gewerkelt wird. Von Sylvia Wassermann
Am Ende wird es noch einmal richtig eng. Wer derzeit in der komplett umgestalteten Sankt Hedwigs-Kathedrale steht, sieht, wie es am Ende aussehen wird: ein strahlend weißer, luftig leichter kreisrunder Kuppelbau. Aber er sieht auch jede Menge Baustelle.
An allen Ecken und Ende wird parallel gearbeitet. Anfang der Woche blockierte noch der sogenannte Opaionring den Innenraum – das ist der Rahmen für die sechs Meter große Öffnung der Kuppel. Die Stahlkonstruktion erinnert an den Kühlturm eines Atomkraftwerkes und sollte eigentlich schon seit Anfang des Monats 31 Meter hoch oben in der Kuppel an ihrem Platz sein. Wenige Tage vor der Eröffnung wandert er jetzt abwechselnd nach oben und wieder nach unten, weil irgendetwas nicht passt.
Leo Zogmayer ist für die künstlerische Gestaltung der Kathedrale zuständig. Seit ein paar Tagen haben er und sein Team darauf gewartet, dass sie die neuen Stühle aufstellen können. Ständig war der Stahlriese im Weg. Jetzt muss es schnell gehen, die Zeit rennt ihnen davon.
Für die Anordnung der Stuhlreihen gibt es einen genauen Plan. Sie werden zentimetergenau um das Zentrum des Raumes ausgerichtet. In diesem steht der Altar, eine Halbkugel, gestaltet aus Steinspenden der Gemeindemitglieder, genau unter der Kuppelöffnung. Die schlichten, hellen Holzstühle mit einer dunklen Sitzfläche werden rund um den Altar auf einer Ebene aufgestellt. Das ist eine radikale Neugestaltung für eine Kathedrale, sagt Zogmayer: "Klassischerweise wird der Altar auf eine Insel gestellt, quasi eine Bühne, abgegrenzt von der Gemeinde."
Das sei in der Hedwigs-Kathedrale jetzt ganz anders, Klerus und Laien werden sich gemeinsam, barrierefrei auf einer Ebene versammeln. "Dieser Abbau von Grenzen stellt eine große Chance für die Kirche dar", meint Zogmayer.
Diese große Chance machte 2013 Kardinal Woelki als damaliger Erzbischof von Berlin möglich. Die Kathedrale war stark sanierungsbedürftig, aber statt nur zu sanieren, entschied sich das Erzbistum für eine Umgestaltung. Den Wettbewerb gewann das Architekturbüro Sichau & Walter gemeinsam mit dem Künstler Leo Zogmayer. Der Siegerentwurf sah eine komplette Umgestaltung des Innenraumes vor. Die bis dahin raumbestimmende acht Meter große Bodenöffnung mit einer Treppe zur Unterkirche mitten in der Kathedrale sollte geschlossen werden: Das Erzbistum wollte Priester und Gemeinde nicht mehr durch die Öffnung und die Gitter getrennt sehen.
Der Plan stieß vielen katholischen Menschen aus dem Ostteil der Stadt bitter auf, wie zum Beispiel Bernd Streich, dem ehemaligen Diözesanratsvorsitzenden. Die vom Architekt Hans Schwippert in den 1960ern entworfenen charakteristische Öffnung zur Unterkirche gehörte für ihn einfach zur Hedwigs-Kathedrale dazu genau wie für viele andere Menschen, "die an diesem Ort geistliche Erfahrungen gemacht haben, die dort auch in einer sehr schwierigen Zeit Lebenserfahrungen gemacht haben." Und sie war auch rein rechtlich denkmalgeschützt, deshalb zog die Initiative "Freunde der Hedwigs-Kathedrale“ auch vor Gericht.
Die Heftigkeit der Auseinandersetzung hatte der oberste Bauherr des Erzbistums, Dompropst Tobias Przytarski, nicht kommen sehen - aber er bleibt hartnäckig. Bei allem Verständnis, aber man habe sich für etwas Neues entschieden: "Eine Kathedrale ist kein Museum und muss auch in die Zeit passen, in der sie genutzt wird."
2018 landete der Streit auf dem Schreibtisch von Kultursenator Klaus Lederer, damals bei der Linken, der sich noch heute gut daran erinnert: "Ich habe mich in meiner Zeit als Senator mit keiner einzigen Verwaltungsentscheidung so intensiv beschäftigt wie mit dieser." Die Entscheidung sei ihm sehr schwergefallen: "Ich persönlich war ein großer Fan des Denkmals."
Am Ende gab Lederer dem Erzbistum recht: Es habe gut begründet, dass der Umbau aus liturgischen Gründen notwendig sei, argumentierte der Kultursenator, der auch Verfassungsjurist ist. Das Denkmal durfte abgerissen werden.
Und so ist die Bodenöffnung nun Geschichte. Unterkirche und Hauptraum trennt jetzt eine Decke, beide Räume wurden komplett umgestaltet. Nur äußerlich ist St. Hedwig nahezu unverändert geblieben.
Im Hauptraum ist alles weiß, Boden, Wände, Säulen und die Kuppel. Die Einrichtung ist sehr reduziert. Der halbkugelförmige Altar steht in der Mitte, rund 500 Stühle sind im Kreis um ihn herum gruppiert. Die alte Klais-Orgel hängt generalüberholt an ihrem alten Platz. Auch sie ist jetzt komplett weiß, nur die knapp 5000 Orgelpfeifen leuchten silbern. Die Fenster sind transluzent, also nicht durchsichtig, aber sie lassen die Welt außen als bunte Schemen durchscheinen, die sich je nach Sonnenstand verändern. Kreisrunde Einschlüsse im Glas bilden den Sternenhimmel zum Zeitpunkt der Geburt Christi am Standort der Kathedrale nach.
Die Unterkirche ist im Gegensatz zu oben in dunklem Braun gehalten. Das künstliche Licht ist zurückhaltend. In der Mitte, direkt unter dem Altar, steht das neue kreuzförmige Taufbecken, mit stattlichen Ausmaßen in dem man auf Wunsch auch als erwachsener Täufling ganz untertauchen kann.
In der Oberkirche setzen die Orgelbauer noch die letzten Pfeifen ein, werden Lichter montiert und die Eingangsportale eingesetzt. Der Eröffnungsgottesdienst am Sonntag ist eine echte Premiere: Der komplett neu gestaltete Raum erfordert eine ganz neue Art, den Gottesdienst zu feiern, geprobt werden konnte bisher allerdings noch nicht.
Zur Zeit hoffen vor allem alle, dass die Baustelle dann weg ist. "Wir schauen nur nach vorne und das schaffen wir auch", sagt Elena Cenci, Projektleiterin für den Umbau im Erzbistum.
Wenn alles klappt, wird Erzbischof Koch am Sonntag die Pforten der neuen Sankt Hedwigs-Kathedrale öffnen. Ab Montag ist die Kirche dann auch für Besuchergruppen geöffnet.
Sendung: rbb24 Abendschau, 24.11.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Sylvia Wassermann
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