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Audio: Radioeins | 08.11.2024 | Interview mit Andreas Ulrich | Quelle: imago images/BRIGANI-ART

"Konzert für Berlin" am 12. November 1989

"Das war für Musikfans ein einziger Traum"

Drei Tage nach dem Mauerfall findet am 12. November 1989 in der Deutschlandhalle das "Konzert für Berlin" statt. Mit dabei sind Nina Hagen, BAP, Silly und Joe Cocker, der extra seine Tournee unterbricht. Im Publikum ist rbb-Moderator Andreas Ulrich.

rbb: Andreas Ulrich, Sie waren vor 35 Jahren beim "Konzert für Berlin" in der Deutschlandhalle im Westteil der Stadt. Welche Bedeutung hatte das?

Andreas Ulrich: Drei Tage nach dem Mauerfall bin ich über den damals frisch eröffneten Grenzübergang Potsdamer Platz mit dem Trabi und zwei Kollegen getuckert. Wir drei wollten zum "Konzert für Berlin". Das war ein Mammutkonzert. Die Deutschlandhalle war damals West-Berlins wichtigste Konzerthalle. Es startete um 13 Uhr ging bis Mitternacht.

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Wer ist alles aufgetreten?

Es waren alle da, die damals in Deutschland, Ost und West, etwas zu sagen hatten in der Musik: BAP mit Wolfgang Niedecken, Die Toten Hosen, Udo Lindenberg, Ulla Meinecke, Nina Hagen, Joe Cocker ist extra eingeflogen von seiner Europatournee aus Dänemark.

Aus dem Osten waren Tamara Danz und Silly dabei und Pankow. Das war für Musikfans wie mich ein einziger Traum.

Wie konnte das Konzert so schnell organisiert werden?

Das haben unsere Vorgänger gemacht von "S-F-Beat", der Jugendsendung vom Sender Freies Berlin, SFB 2. Innerhalb von zwei Tagen wurden all diese Musikerinnen und Musiker zusammengeholt, die Halle wurde klar gemacht. Das Konzert wurde live im Radio übertragen. Dummerweise hat das Fernsehen vom SFB damals seine Kameras schon verplant gehabt. Die standen nämlich am Potsdamer Platz in der Philharmonie, weil dort ein Konzert gefilmt wurde. Deswegen gibt es leider keinen Fernsehmitschnitt von damals.

Drei Tage nach dem Fall der Mauer sitzen Tamara Danz, Sängerin der Ost-Band Silly, Udo Lindenberg und Joe Cocker an einem Tisch. | Quelle: imago images/BRIGANI-ART

Was ist Ihnen von diesem "Konzert für Berlin" in Erinnerung geblieben als junger Reporter von DT64, dem Jugendprogramm des DDR-Rundfunks?

Das war die große Freude, das war das große Glück. Da haben 10.000 Leute, insgesamt waren den Tag über wohl 50.000 Leute da, mitgesungen. Ich habe hinter der Bühne zum Beispiel Nina Hagen getroffen. Ich habe sie gefragt, was sie dazu sagt, dass ihre Landsleute im Osten in den letzten Wochen eine friedliche Revolution auf die Beine gestellt haben.

"Die Ostdeutschen haben gezeigt, dass wir zusammen stark sind. Wenn wir vereint sind, sind wir stark", antwortete sie mir auf englisch, weil auch eine englische Reporterin dazu kam.

Udo Lindenberg erzählte mir, bevor er auf die Bühne ging, dass er sein Lied "Sonderzug nach Pankow" an dem Tag schnell noch umgetextet hatte:

Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug aus Pankow?
Wir müssen mal eben nach West-Berlin.
Man glaubt es ja kaum, es ist ja alles wie ein schöner Traum.
Wir haben eine Flasche Cognac mit und das schmeckt sehr lecker.
Das trinken wir jetzt alleine und zwar ohne Honecker
Wir gehen demonstrieren und prosten uns zu.
Wer ist denn hier der Ochs? Wer ist denn hier der Esel? Wer die blinde Kuh?

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Wurde auch schon von der deutschen Einheit gesprochen oder war alles nur pure Euphorie?

Es war ein Thema. Es gab am Vortag am Schöneberger Rathaus diese Kundgebung, wo der damalige CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl extra aus Bonn eingeflogen war, um auch noch ein bisschen was vom Mantel der Geschichte abzukriegen. Es hat irgendjemand plötzlich das Deutschlandlied angestimmt, also die westdeutsche Nationalhymne, wo krumm und schief gesungen wurde. Das hat sich furchtbar angehört. Im Hintergrund haben, glaube ich, noch ein paar hundert Autonome aus Kreuzberg gepfiffen.

Aber mit Kohls Auftritt war das plötzlich Thema: 'Hey, wir machen aus der friedlichen Revolution jetzt die deutsche Einheit'. Darüber waren viele Musiker stinksauer, wie zum Beispiel Udo Lindenberg oder Wolfgang Niedecken. Richtig sauer war auch Ulla Meinecke bei dem Thema:

"Ich finde es ziemlich widerlich, dass diese Ereignisse, die von der DDR-Bevölkerung erkämpft worden sind, dass das sofort benutzt wird für irgendwelche großdeutschen Töne. Das finde ich widerwärtig. Die DDR-Leute brauchen nicht irgendwelche arroganten Westler, die ihnen jetzt vorschlagen, was sie nun machen sollen."

So lief das damals beim "Konzert für Berlin" in der Deutschlandhalle.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Andreas Ulrich führte Julia Menger für Radioeins.

Der Text ist eine redaktionell bearbeitete Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Radioeins, 08.11.2024, 08:40 Uhr

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