Konzert | Jan Josef Liefers mit Band in Berlin
Mehr als 20 Jahre lang war Jan Josef Liefers neben der Schauspielerei mit seiner Band Radio Doria als Sänger unterwegs. Nun soll Schluss sein. Zum Abschied gab es ein XXL-Konzert im Admiralspalast. Von Hendrik Schröder
Der Admiralspalast ist ausverkauft. Es scheint, als hätten sich alle Jan Josef Liefers-Fans der Stadt an diesem Abend versammelt, um den Schauspieler noch ein Mal von näher als aus dem Fernsehen angucken zu können. Oder liegt es wirklich an der Musik?
Für den neutralen Hörer ist das nur mit viel Fantasie vorstellbar. Zu altbacken und austauschbar sind Lieder und Texte. Zu langatmig und von der Stange die Arrangements, als dass man sich an diesen Songs wirklich festhören könnte. Aber live spielt das zum Glück nicht so eine riesige Rolle, denn schließlich ist a) die Band unglaublich gut, das sind Wahnsinns-Musiker, bei denen einfach alles zusammenläuft genau wie es soll - und b) ist da: Jan Josef Liefers. Der Mann, der in der Öffentlichkeit wohl immer mal wieder mit Professor Börne angesprochen wird - so sehr ist er Tatort-Volkseigentum - der kurz vorm Mauerfall auf dem Alexanderplatz die Rede seines Lebens gehalten hat, und der in schwarzer Jeans, schwarzem Hemd, schwarzem Hut auf dem Kopf genau weiß, wie man auch so eine große Bühne wie die vom Admiralspalast bespielt.
Mehr als 20 Songs spielen Liefers und Radio Doria an diesem Abend. Es geht ein Mal durch die Geschichte dieser Combo, die kurz nach der Jahrtausendwende gegründet wurde und oft eher Projekt war als Band. In guten Momenten erinnern sie dabei an Gerhard Schöne oder City, oft aber eher an Musiker wie Johannes Oerding und Co. Sogar bis zurück zu den englischen Songs von ganz vom Anfang spielen sie sich.
Und Liefers erzählt zu fast jedem Lied eine mehr oder weniger lange Geschichte, weswegen die Show am Ende deutlich über zwei Stunden dauert. Wie er seinen Gitarristen Jens Nickel kennengelernt hat, als dieser als schüchterner Tonmeister bei einer Aufnahme spontan mit einem Solo aushalf. Wie er für sechs Wochen in Israel war und mit einem Mietwagen herumfuhr und sich von Leuten, denen er begegnete, zu Songs inspirieren ließ. Zu denen er dann jetzt wechselnde Instrumente spielt. Banjo, Hang-Trommeln, Theremin (ein Synthesizer, den man nur durch Handbewegungen steuert) oder Flöte. Seine Band hält sich dabei bis auf den ein paar lustige Faxen machenden Basser Christian Adameit komplett zurück, der Abend könnte rein showmäßig auch "Liefers und die anderen" heißen.
Doch es ist wirklich ein Genuss, Liefers auf der Bühne bei dieser Arbeit zu sehen. Beim Geschichtenerzählen. Wie er den ganzen Saal im Griff hat, nur durch Timing. Wie die Ansagen klingen, als würde er sie sich gerade ausdenken, inklusive Stottern, Stochern, Zögern, kurzem Innehalten, dann Tempo, dann Pointe. Das ist perfekt inszenierte Authentizität. Welcher Musiker kann das sonst schon auf dem Niveau?
Auch auf seine heftig umstrittenen Aussagen während der Pandemie nimmt er noch ein Mal Bezug, als er in einer Ansage postuliert, man solle sich keine Angst … (Pause) … einimpfen lassen. Großer Jubel dafür im Saal. Singen kann Liefers zwar auch sehr ordentlich, aber auch nicht umwerfend für ein Konzert von dieser Größe. Das merkt man besonders, als zu dem Stück "Nie Egal" seine Frau Anna Loos zum Duett auf die Bühne kommt und den Laden mit ihrem Organ und ihrer Aura ein Mal durchfegt, Liefers küsst und wieder verschwindet und man sich kurz die Augen reibt, ob das da gerade wirklich stattgefunden hat.
Und je länger der Abend dauert, desto besser wird auch die Stimmung im anfangs doch etwas trägen Publikum. Zum Ende stehen alle. Die Ohohoho-Mitsingparts funktionieren, im Takt geklatscht wird eh, als würde es Geld dafür geben und als Liefers kurz vor den Zugaben zum Song "Verlorene Kinder" sagt: 'Wir spielen jetzt Kindergeburtstag' und drei riesige Ballons ins Publikum werfen lässt, da recken sich die Hände und die Augen der Fans leuchten und sie wollen gar nicht mehr nach Hause. Liefers und Band hauen dazu im Takt auf Plastikkästen und der Drummer zeigt nochmal, was er draufhaut und spielt die Leute mit einem rasanten Solo wahnsinnig.
Das ist doch gut so alles. Die Stimmung, die Herzlichkeit, das Lachen der Leute. Dann ist die Musik selbst doch auch gar nicht so wichtig.
Sendung: rbb24 Inforoadio, 21.11.2024, 07:55 Uhr
Beitrag von Hendrik Schröder
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