Konzert | Protest gegen Sparpläne
Am Dienstag machte der Senat genaue Zahlen öffentlich: Insgesamt rund 130 Millionen Euro sollen der Berliner Kultur gestrichen werden. Ein Schock - der sich am Dienstagabend in einer Protestveranstaltung Luft gemacht hat. Von Antje Bonhage
Wut über die geplanten Kürzungen und Unverständnis war spürbar – nicht zuletzt auch bei Juli Zeh. Die Schriftstellerin erinnerte an die Bedeutung von Kunst und Kultur als wichtigen Raum für Diskurs, den die Gesellschaft gerade jetzt besonders nötig habe in einer Zeit, in der die Demokratie ins Wanken geraten sei.
Es sei "nicht nur absurd, sondern menschlich und auch politisch dumm, zum Gewinn von haushalterischen Peanuts, die Kürzungsschere ausgerechnet an diesem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt relevanten Bereich anzusetzen", sagte Zeh am Dienstagabend beim Protest der Berliner Kulturszene gegen die Sparpläne des Senats im Haus der Berliner Festspiele.
Gefühlt die gesamte Kulturszene war bei der fast dreistündigen Veranstaltung vertreten. Die großen Schauspielhäuser wie das Deutsche Theater, die Schaubühne oder das Berliner Ensemble genauso wie kleinere Einrichtungen wie das Grips Kinder- und Jugendtheater oder das HAU Hebbel am Ufer. Tanzcompanies wie Sasha Waltz & Guests sowie Toula Limnaios zeigten ihr Können auf der Bühne, das Ballhaus Naunynstraße war mit einem Cellosolo vertreten, die Opernhäuser und der Rundfunkchor unterhielten mit sehr unterschiedlichen Gesangseinlagen.
Aus der Carnegie Hall in New York schickten die Berliner Philharmoniker eine Videobotschaft -darin ein deutlicher Appell von Chefdirigent Kirill Petrenko an die Verantwortlichen im Senat, die Berliner Kultur nicht kaputtzusparen. In einer weiteren Videobotschaft erklärte sich Daniel Barenboim bereit, alles zu tun, was ihm jetzt, im Alter und mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen, noch möglich sei, um zu vermeiden, dass die Kultur in Berlin in ihrem Potenzial beschnitten wird.
In insgesamt 25 kurzen Beiträgen aller Art – darunter Reden, Statements und Appelle, Instrumentalmusik, Gesang und Tanz – gab sich die Szene kämpferisch und machte deutlich, dass die Berliner Kultur derart massive Kürzungen langfristig nicht überleben werde und sie deshalb nicht hinnehmen könne. Der Schock über die drohenden Einsparungen war spürbar, nicht zuletzt auch die Empörung über fehlende Dialogbereitschaft und über die relative Kurzfristigkeit, mit der der Senat mit konkreten Zahlen rausrückte.
Dennoch verstand sich der Abend als ein Fest, eine Feier der Berliner Kultur, die ihre Vielfalt darbot, sich in all ihren unterschiedlichen Facetten präsentierte - und dennoch zeigte, dass sie solidarisch zusammensteht.
Es sei die Kultur, die Menschen aus aller Welt nach Berlin locke. Die Kultur sei Berlins Kapital. Sie könne nicht einfach herbeigezaubert werden, sondern sie sei "Maloche", wie es in einem am Abend vorgetragenen Text von Carolin Emcke heißt.
Auch Annemie Vanackere, die Intendantin des HAU Hebbel am Ufer unterstrich: "Kunstwerke werden nicht geboren, sie werden erarbeitet." Es sei fahrlässig, das in vielen Jahren Erreichte einfach zu stoppen. Kultur sei fragil: "Alles, was Wert hat, ist wehrlos."
Sendung: radio3, 20.11.2024, 7:40 Uhr
Beitrag von Antje Bonhage
Artikel im mobilen Angebot lesen