Konzertkritik | Columbia-Theater
Mit ihrer Soulstimme hat die deutsch-nigerianische Sängerin Ayọ ein Publikum auf der ganzen Welt erobert. Ihr neues Album ist im Surf-Paradies Tahiti entstanden. Im Berliner Columbia-Theater erwischt sie die perfekte Welle. Von Corinne Orlowski
Ayọ tritt bei ihrem Konzert am Montag im Columbia-Theater aus dem Schatten ans Mikrofon, der Nebel wabert im orange-blauen Licht - nur sie, im hautengen Yoga-Sportoutfit, ihre samtige Stimme und eine Trommel. Und sofort - von Minute eins an - fühlt man sich umarmt. Dann kommen ein Kontrabassist und ein Pianist auf die Bühne. Doch das Publikum scheint noch nicht richtig dabei zu sein. Vielleicht liegt es daran, dass die deutsch-nigerianische Sängerin vor allem Lieder von ihrem neuen, ihrem siebten Album "Mami Wata" spielt, das erst vor einem Monat erschienen ist? Es wird nur schüchtern gewippt.
Und Ayọ sagt auch bei ihrem Auftritt in Berlin nicht viel, nur Dankeschön und schließt dann wieder die Augen für den nächsten Song. Ihre Lieder sind voller Botschaften. Und dann beginnt Ayọ doch zu erzählen, wie die Songs entstanden sind, wer sie inspiriert hat - ihr 19-jähriger Sohn zum Beispiel, ihr Vater oder auch ein Freund, der leider Suizid begangen hat.
Mami Wata ist die afrikanische Wasser-Göttin und die Göttin des Meeres in der Yoruba-Religion: halb Frau, halb Fisch. Da Ayọ in den letzten Jahren mehr Zeit auf dem Surf-Brett, im Meer verbracht hat als auf der Bühne oder im Studio, hat sie ihr Album danach benannt. Alles komme in Wellen, meint sie - im Leben gehe es darum, die Balance zu halten, zu vertrauen. Das hat sie beim Surfen auf Tahiti gelernt, als sie im Corona-Lockdown dort gestrandet ist. In der Zeit hörte sie immer häufiger von häuslicher Gewalt. Und deswegen hat sie ihr neues Album auch dem Meer und den Frauen gewidmet.
Ayọ, mit dem Punkt unter dem O geschrieben, heißt in der Sprache ihres Vaters, der westafrikanischen Sprache Yoruba, "Freude". Der Punkt ist wichtig, denn ohne bedeutet das Wort "Zwiebel". Auch ihr bürgerlicher Name Joy - ihr voller Name ist Joy Olasunmibo Ogunmakin - bedeutet Freude. Ihr Name ist auf der Bühne Programm. Ayọ hat schon Millionen Platten in 40 Ländern verkauft. Ihr Debütalbum mit dem Song "Down On My Knees" erreichte im Jahr 2006 auf Anhieb die amerikanischen Billboard Charts. Ihre Stimme wurde mit der von Nina Simone verglichen.
Wenn man sie da in diesem intimen Setting so singen sieht, ist man völlig überzeugt: Ayọ hat eine der gefühlvollsten Stimmen überhaupt. Sie ist sanft und kraftvoll zugleich. Und ihre Musik ist so voll, ein einzigartiger Genre-Mix aus Soul, Folk, Reggae, Afrobeat und Jazz, aber auch voll Sonne und Melancholie.
Ayọ strahlt so viel Weisheit aus, ihre Songs vermitteln Tiefe. Und doch scheint sie immer noch ein Geheimtipp zu sein. Das kleine Columbia-Theater in Berlin-Tempelhof ist nur etwas mehr als halbvoll. Aber nach einer halben, dreiviertel Stunde, groovt das Publikum auf der Ayọ-Welle, schnipst und singt und tanzt, der Platz ist ja da, und manche wischen sich vor Rührung die Freudentränen aus den Augen. Und man denkt, ja, diese Musik ist genau das, was die Welt jetzt braucht. Sie streichelt die Seele und füllt das Herz mit Ayọ, purer Freude.
Sendung: rbb24 Inforadio, 29.10.2024, 6:55 Uhr
Beitrag von Corinne Orlowski
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