rbb24
  1. rbb|24
  2. Kultur
Audio: rbb24 Inforadio | 05.11.2024 | Jakob Bauer | Quelle: Picture Alliance/Photoshot

Konzertkritik | "Sum 41" in der Uber Eats Music Hall

Ein letzter Moshpit

Anfang der 2000er Jahre haben Sum 41 das Pop-Punk-Genre maßgeblich mitgeprägt. Nach knapp 30 Jahren Bandgeschichte sind sie jetzt auf Abschieds-Tour. Jakob Bauer hat am Montag ein letztes Berlin-Konzert voller Nostalgie und Energie erlebt.

Irgendwer hat die selbstgebrannte CD "Klassenparty 2004" herausgekramt und in den Player geworfen. All die Hits von damals schallen in der Pause nach der Vorband durch die Berliner Uber Eats Music Hall. Die Hits der coolen Pop-Punk-Bands: von Blink182, von Good Charlotte und Green Day. Das Publikum singt lautstark mit, als wären keine 20 Jahre vergangen. Und es wird nur noch lauter, als mit Riesen-Geknalle, mit Feuer und Konfetti der schwarze Vorhang fällt und die großen Helden des Jugend-Soundtracks der jetzt 30- bis 50-Jährigen ein letztes Mal live zu sehen sind. Sum 41 kommen, nein, sie sprinten auf die Bühne. Und alles ist gut.

So wollte man sein

"Let’s get fucking crazy tonight", schreit Frontmann Deryck Whibley nicht zum letzten Mal an diesem Abend. Er dirigiert das Publikum mit ein paar lässigen Handbewegungen hin zum ersten Moshpit und dann geht es, atemlos, Schlag auf Schlag durch die Nacht. Die holen hier wirklich nochmal alles raus. Alles, was Sum 41 damals bedeutend machte. Anfang der 2000er Jahre, als Bands wie Blink182, Good Charlotte und eben Sum 41 das große Alternative-Punk-Rock-Ding waren: fette Gitarren, kurze, einprägsame Melodielinien, punkig schnell, aber die Hymne immer um die Ecke, präsentiert von hübschen Jungs mit coolem Skater-Style. Skate-Punk eben. So wollte man als Teenie sein und sang mit "I don't wanna waste my time, become another casualty of society" – nein man selbst wird kein Opfer dieser Gesellschaft.

Konzertkritik | Joan As Police Woman

Virtuose Musik von den coolsten Gurken

In den 1990er Jahren spielte die US-Amerikanerin Joan Wasser in krachigen Rock-Bands, seit 2004 ist sie als Joan As Police Woman solo bekannt geworden. Am Montag hat sie ihr neues Album im Berliner Heimathafen Neukölln vorgestellt. Von Jakob Bauer

Wucht vergeht nicht

Nun – die Teens sind erwachsen geworden, aber die Mucke ballert halt immer noch: knackig, kurz, zum freudigen Mitgröhlen und Rumschubsen. Was Sum 41 immer von den damaligen Mitstreiter-Bands abhob, war eine gewisse Metal-Härte. Und die hilft dabei, dass die Musik gut gealtert ist. Wucht vergeht nicht, vor allem wenn man wie Sum 41 diese Wucht immer noch überzeugend präsentiert. Allen voran Frontmann Whibley, der irgendwie nie außer Atem kommt, obwohl er hier einiges an Kilometern abreißt. Bei den kurzen Punk-Bangern performt Whibley genauso überzeugend wie bei den wenigen Balladen und den wilderen Metal-Nummern. Der hat definitiv ein Rezept gefunden, die Stimme fit zu halten. Respekt.

Danke, danke, danke, danke…

Überhaupt ist Whibley das Herz des Abends. Er leitet das Publikum, die "Familie", wie er die Fans nennt, durch das Konzert, sagt mal einen "Jump Song" an, fordert dann einen "Circlepit", aber er kommuniziert auch mal bewusst Pausen, damit alle genug Energie bis zum Ende der zweistündigen Show haben. Und er bedankt sich immer und immer wieder, ungelogen locker 80 bis 100 Mal, nach fast jedem Song, in alle Richtungen. Whibley zeigt deutlich und glaubwürdig: Leute, ohne euch wären wir nichts, und wir wollen euch einen Abschied schenken, den ihr nicht vergesst.

Gleichzeitig führt der starke Fokus auf Whibley, der immer im Licht steht und als einziger mit dem Publikum spricht, auch dazu, dass die anderen Musiker auf der Bühne im wahrsten Sinne des Wortes ein bisschen im Schatten bleiben. Der Frontmann Deryck Whibley überstrahlt die Band Sum 41. Es sind nur Abzüge in der B-Note, das Konzert wird dadurch nicht runtergezogen und alle auf der Bühne sind gleichermaßen energiegeladen am Werk. Aber vielleicht hätte der Abend sogar noch stärker gewirkt, wenn die anderen Bandmitglieder – oder zumindest Dave Baksh, der als Gründungsmitglied Sum 41 stark mitgeprägt hat – noch etwas mehr Sichtbarkeit und Raum in der Dramaturgie dieses Abschieds-Konzerts bekommen hätten.

Konzertkritik | Einstürzende Neubauten

Band unter dem Brennglas

Früher nutzten sie Einkaufswagen und Schrottteile als Instrumente, weil sie kein Geld hatten. 44 Jahre später, beim Konzert im Potsdamer Waschhaus, sind die Einstürzenden Neubauten immer noch unberechenbar avantgardistisch. Von Hendrik Schröder

Jetzt bleibt wirklich nur noch die Erinnerung

Knapp 30 Songs aus knapp 30 Jahren Bandgeschichte packen Sum 41 an diesem Abend in zwei Stunden. Über diese Menge und Länge hinweg wird dann schon hörbar, dass das Rezept der Band zwar effektiv, allerdings nicht übermäßig variabel ist. Aber geschenkt, wenn man einfach eine gute Zeit haben will, ob im Moshpit oder auf den Rängen. Wer Lust darauf hat, zu tanzen, zu hüpfen, zu feiern, sich zurückzusehnen, Jugend-Gefühle ins Heute zu holen, der kann das an diesem Abend mit großer Leidenschaft tun.

Die Band hört nach dieser Tour auf, weil Frontmann Deryck Whibley meinte, es sei jetzt auch mal gut. Er hätte Lust, mal etwas anderes zu machen. Und das ist nachvollziehbar, denn auch wenn Pop-Punk gerade popkulturell ein kleines Comeback feiert, sind Sum 41 heute auf gewisse Art musikalisch auserzählt. Sie haben geliefert, jetzt sind andere dran, das Genre neu zu erzählen. Aber es ist auch schade, denn Sum 41 sind eine Band, die live so vielen Menschen noch so viel Freude bereiten kann. Nach diesem Konzert bleibt jetzt also wirklich nur noch die Erinnerung. Aber was für eine.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.11.2024, 6:55 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

Artikel im mobilen Angebot lesen