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"Schutz jüdischen Lebens"
Der Bundestag hat am Donnerstag eine Resolution gegen Judenhass und für jüdisches Leben in Deutschland verabschiedet. Vorausgegangen waren lange Verhandlungen. Kritik an dem Papier gab es auch.
Der Bundestag hat mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen, FDP und der AfD eine Resolution gegen Antisemitismus beschlossen. Die am Donnerstag in Berlin verabschiedete Erklärung mit dem Titel "Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken" war von den Regierungsfraktionen und der Union gemeinsam eingebracht worden. Darin bezeichnet der Bundestag den Anstieg antisemitischer Einstellungen und Taten als "zutiefst beunruhigend".
Die Gruppe BSW stimmte gegen die Resolution, die Gruppe Linke enthielt sich.
Die Entwicklung seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei sowohl auf einen zunehmend offenen und gewalttätigen Antisemitismus in rechtsextremistischen und islamistischen Milieus als auch auf einen vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus zurückzuführen, heißt es in der Erklärung.
Bund, Länder und Kommunen werden aufgefordert sicherzustellen, "dass keine Projekte und Vorhaben mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden". Ebenso lehnen SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP eine finanzielle Förderung für Organisationen und Projekte ab, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels in Frage stellen oder die Boykottbewegung BDS gegen Israel unterstützen.
Schulen und Hochschulen sollten nach antisemitischen Vorfällen das Hausrecht anwenden in Form von Ausschluss von Unterricht und Studium bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren Fällen. Mit Blick auf Antisemitismus-Skandale bei der Weltkunstausstellung documenta 2022 in Kassel oder der Berlinale in diesem Jahr verlangen SPD, Union, Grüne und FDP von Kunst, Kultur und Medien wirksame Regeln und Strategien gegen Judenhass.
Anlass für die Resolution ist der bevorstehende Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938. In der Nacht vom 9. auf den 10. November begann für alle sichtbar die Verfolgung und Ermordung der Juden in Deutschland und Europa. Eine Antisemitismus-Resolution war bereits im vorigen Jahr nach dem Hamas-Überfall geplant, kam aber nicht zustande.
Der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese lobte am Donnerstag im Bundestag das "gemeinsame Zeichen" der Fraktionen "in nicht einfachen, herausfordernden Zeiten". Dieses sei "gerade in dieser Woche im Vorfeld des Gedenkens an die Reichspogromnacht", deren Jahrestag am Samstag begangen wird, wichtig. "Bei allen Meinungsverschiedenheiten gibt es Themen, über die wir nicht streiten", sagte Wiese.
Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle betonte, die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in Deutschland könne nicht getrennt werden vom Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Er betonte, dass dies für Hochschulen ebenso gelte wie in der Migrationsdebatte. "Wer für sich selbst zu Recht den Schutz vor Diskriminierung und Rassismus verlangt, darf bei antisemitischen Erzählungen und Klischees, bei Ausgrenzung und Gewalt, die auch von Muslimen ausgeht, nicht schweigen."
Zustimmung zu der Resolution kam auch von der Union. Die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz mahnte: "Wir dürfen nicht zusehen, wie sich hier ein neuer Antisemitismus breitmacht und nach und nach die Verantwortung Deutschlands für Jüdinnen und Juden in Deutschland und das Existenzrecht Israels relativiert."
Mit Blick auf Antisemitismus unter Zugewanderten sagte Lindholz: "Wer in unser Land kommt und hier leben will, muss Verantwortung für die Juden und das Existenzrecht Israels ohne wenn und aber akzeptieren oder muss unser Land verlassen."
Der AfD-Politiker Jürgen Braun nannte die "Masseneinwanderung" nach Deutschland das "Kernproblem, das jüdisches Leben in Deutschland gefährdet." Gregor Gysi von den Linken nannte die Resolution "nicht gut", unter anderem weil "viele eine Einschränkung der Kunst-, Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit fürchten".
Kritik von den Grünen
Kritik an der Resolution äußerte auch die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor. "Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns bei der Antisemitismusbekämpfung stärker unserer Einwanderungsgesellschaft bewusst gewesen wären", sagte sie. "Der nachhaltige Schutz jüdischen Lebens gelingt nur, wenn wir alle Gruppen mitdenken." Das betreffe "gerade auch muslimisch-migrantische Milieus, die miteinbezogen und mitgenommen werden müssen in dem Bewusstsein, dass auch sie marginalisiert werden."
Die Resolution war im Vorfeld bei Teilen der Grünen auf Widerstand gestoßen. Die Kritik richtete sich vor allem gegen die Formulierung in der Resolution, in den vergangenen Monaten sei "nicht zuletzt das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert."
Kritisch äußerte sich auch Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Amnesty International begrüße das Ziel, Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus und zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland auf den Weg zu bringen. "Die heute verabschiedete Resolution verfehlt dieses Ziel jedoch nicht nur, sie lässt schwerwiegende Verletzungen von Grund- und Menschenrechten sowie Rechtsunsicherheit befürchten", so Duchrow.
So schaffe dies Resolution Raum für Missbrauch, kriminalisiere legitime Kritik an der israelischen Regierungspolitik und bediene das rassistische Narrativ vom "importierten Antisemitismus".
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.11.2024, 12 Uhr
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