Die Vagantenbühne zeigt, dass sich die beliebte rbb-Fernsehserie "Warten auf’n Bus" sogar noch besser als Kammerspiel auf der Bühne eignet, denn als realistisches Fernsehspiel. Herzerwärmend. Von Barbara Behrendt
"Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Ausreise…" Das Ende dieses Satzes vom damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher ging bekanntlich im Jubel unter. 1989 war das – und der Anfang vom Ende der Mauer. Ungefähr genauso lange sitzen Hannes und Ralle an der Busendhaltestelle irgendwo in Brandenburg. Ein Langzeitarbeitsloser und ein Frühinvalide. Wendeverlierer am Wendehammer.
Karsten Zinser, der am Bühnenrand die Live-Musik beisteuert, zitiert diesen berühmten Genscher-Satz zu Beginn des Abends, bevor er Hannes und Ralle dem Publikum vorstellt: "Außerhalb der soziologischen Ebene nennt man dit Jammer-Ossi. Keene Angst, die Mitwirkenden sind alle Ossis oder geben sich als solche aus, weil wir die starke Vermutung haben, dass das in Zukunft auch mal nützlich sein kann."
Warten auf die Busfahrerin
Bis es soweit ist, warten sie. Auf Godot? Jedenfalls auf das gute Leben, das für diese Endvierziger nicht mehr kommen mag. Und: auf‘n Bus natürlich. Präziser: auf Kathrin, die Busfahrerin. Eine toughe Blondine, die die beiden locker in die Tasche steckt. Anrührend komisch ist das, wie sich Hannes und Ralle am Bushäuschen auf der Bühne um sie streiten.
Dass sich die für den Grimme-Preis nominierte rbb-Comedyserie "Warten auf’n Bus" leicht auf die Bühne übertragen lässt, haben schon einige Theater in Ost und West gezeigt. Die Berliner Vagantenbühne beweist jetzt, dass dieser ostdeutsche Wartehäuschen-Godot sogar noch besser zum Kammerspiel taugt, denn zum realistischen Fernsehspiel. Schließlich ist der Cottbuser Drehbuchautor Oliver Bukowski von Haus aus versierter Theaterautor – seine Dialoge sind so pointiert und mit so viel Alltagsphilosophie versehen, dass sie im Fernsehen fast gestelzt wirken.
"Ich brauch jetzt so’n Moment für mich"
Auf der Bühne gelten andere Regeln. Und die Regisseurin Christine Hofer weiß sie aufs Einfachste und Schönste anzuwenden. Vor allem mit Karsten Zinser als Sidekick, durch die Handlung führt, als Hipster-Nazi und Fascho-Polizist krachledert und von Ralle und Hannes direkt angesprochen wird, wenn es ein bisschen musikalische Stimmung braucht: "Sag mal, kannste mal was spielen? Ich brauch jetzt mal so’n Moment für mich."
Die Kolumnistin und Feministin Sophie Passmann hat ihr Buch "Pick Me Girls" für die Bühne adaptiert – und performt es höchst unterhaltsam in einer bewegenden, erhellenden und rasanten One-Woman-Show. Von Barbara Behrendt
Bei aller Komödie hat Christine Hofer doch die politischen Szenen aus beiden Staffeln ausgewählt und auf schlanke 100 Minuten verdichtet: Rechtsradikalismus, Strukturwandel, die Stasi und die AfD – der Abend schrammt in der thematischen Zuspitzung scharf an den Ost-Klischees entlang.
Hoffnungsschimmer für die gespaltene Gesellschaft
Doch mit den Kommentaren von der Seitenlinie kriegt die Inszenierung dann doch jedes Mal noch die Kurve und stellt sich augenzwinkernd selbst infrage.
Und wer meint, nur Ronald Zehrfeld und Felix Kramer aus der Fernsehserie könnten diese beiden traurigen Clowns spielen, der sollte sich mal Andreas Klopp und Paul Walther anschauen. Ehrlich, rasant, mit warmem Blick und niemals zynisch berlinern sie sich herzerwärmend durch den tragikomischen Abend, an dessen Ende sogar die Versöhnung mit dem Wessi steht. Gemeinsam auf den Bus warten hilft eben. Reden auch. Ein schöner Hoffnungsschimmer für unsere gespaltenen Gesellschaften.