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Finanzielle Unterstützung
Berlins Spielstätten müssen sparen, weil es vom Senat weniger Geld gibt. Eine Alternative wäre Sponsoring durch Unternehmen und Stiftungen, was etwa die Staatsoper bereits betreibt. Kann das die Kürzungen in der Kultur abfedern? Von Cora Knoblauch und Luis Babst
"Staatsoper für alle" auf dem Bebelplatz - jedes Jahr tritt die Staatskapelle vor dem Operngebäude Unter den Linden auf. Das Open-Air-Konzert vor großem Publikum ist umsonst und wird auch per Livestream übertragen. Möglich macht das der deutsche Autobauer BMW, der das erfolgreiche Event finanziell unterstützt.
Für Kultursenator Joe Chialo (CDU) könnte das zukunftsweisend für die Berliner Kulturfinanzierung sein angesichts der Sparmaßnahmen des Senats. Denkbar sei, so überlegte er kürzlich in einem "FAZ"-Interview [www.faz.net], "dass man verstärkt auch vermögende Kunstliebhaber anspricht" oder Kooperationen mit der Wirtschaft ausbaue. Die langjährige Kooperation der Staatsoper Unter den Linden mit dem Autokonzern nannte er als Beispiel.
Von der Zusammenarbeit können beide Seiten profitieren: Das Opernhaus kann seine Produktion einem breiten Publikum präsentieren und der Autohersteller strahlt positiv nach außen. Dass es sich hierbei aber nicht um reines Mäzenatentum handelt, sieht auch Ronny Unganz, der Direktor der Staatsoper: "Ein Sponsor bringt Geld mit und erwartet dafür eine Gegenleistung. Wenn wir als Staatsoper nichts zu geben haben, kommt auch keine Sponsoring-Partnerschaft zustande."
Ein Theater, das sich längst ganz nach dem Gusto von Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Chialo aufgestellt hat, ist das weitgehend privat finanzierte Chamäleon, mit 300 Plätzen. Die kleine Spielstätte in den Hackeschen Höfen bedient eine in Berlin wenig präsentierte Kunstnische: zeitgenössischer Zirkus, eine Mischung aus Akrobatik und Performance. Das Chamäleon bezieht nur einen kleinen Bruchteil seines Etats aus staatlicher Förderung.
Den Großteil des Budgets stemmt das Haus mit Ticketverkauf, Einnahmen aus der hauseigenen Gastronomie, Sponsoring, Fundraising und: einem finanzstarken Mäzen. Ohne diese langjährige und verlässliche Stütze einer Privatperson könnte das Chamäleon überhaupt nicht existieren, sagt Hendrik Frobel, Geschäftsführer des Theaters. Für die Bindungspflege privater Geldgeber hat das Chamäleon eine eigene Fachkraft eingestellt.
Doch trotz aller Anstrengungen klafft im aktuellen Haushalt des Chamäleon eine Lücke von etwa einer halben Million Euro: Die Kompensation der Pandemie, Investitionen und die allgemein steigenden Kosten lassen das Finanzloch immer größer werden, sagt Frobel. Kulturschaffenden zu sagen, dass sie sich mehr anstrengen und von öffentlicher Förderung unabhängiger machen müssten, empfindet Frobel als zynisch.
Dass Berliner Ausstellungshäuser und Bühnen drohende Haushaltslöcher kurz- und mittelfristig durch Geld privater Sponsoren stopfen könnten, wie Berlins Kultursenator Joe Chialo jüngst vorschlug, hält auch Sven Schabram, Referent der Intendanz und Geschäftsführung am Hebbel am Ufer (HAU), nicht für machbar. Das HAU gehört zu den Kultureinrichtungen, die anders als das Chamäleon bislang kaum von privaten Geldgebern oder Stiftungen finanziert werden, sondern vor allem aus Bundesmitteln und dem Berliner Kulturetat.
Wie gravierend die Einsparungen ab Januar genau werden, weiß das HAU bislang immer noch nicht sicher. Fast alle Projekte würden durch, hauptsächlich öffentliche, Drittmittel finanziert, das Haus sei längst Experte im Akquirieren von Projektgeldern, sagt Schabram. Doch diese Gelder sind in der Regel an ein einzelnes Projekt gebunden und zeitlich begrenzt. Die Anträge müssen jedes Jahr aufs Neue gestellt und bewilligt werden, was Zeit und Ressourcen bindet.
Eine Förderung durch Sponsoring und Stiftungen gelingt dem HAU bislang punktuell. So konnte das renommierte Festival "Tanz im August" im vergangenen Jahr eine Bezuschussung durch die EON Stiftung ergattern. Stiftungen verplanen ihre Etats Monate und Jahre im Voraus, Antragsteller müssen ihre Programmplanung den langen Vorlauszeiten anpassen.
"In der Berliner Kulturverwaltung gibt es bislang gar keine Strukturen für Sponsoring oder die Beratung bei privater Förderung", sagt Schabram, viele Einrichtungen hätten gar nicht das Personal, um sich kontinuierlich um Sponsoren zu kümmern und langfristige Partnerschaften mit Firmen und Unternehmen aufzubauen. Und da sind die Kündigungen im Zuge der aktuellen Streichungen noch nicht miteingerechnet.
Auch etablierte Angebote des Senats, die Künstler:innen und Freischafende beraten und bei Projektentwicklungen und Finanzierungen unterstützen, sind von den aktuellen Kürzungen betroffen. So auch "Kreativ Berlin", Anlaufstelle für Kultur- und Kreativschaffende in der Hauptstadt, finanziert hauptsächlich von der Senatsverwaltung Kultur und der EU. Corinna Scheller von Kreativ Berlin ist unter anderem für den eintrittsfreien Museumssonntag verantwortlich. War, muss man sagen, denn dieses Angebot ist ab sofort gestrichen. Dass niedrigschwellige und erfolgreiche Angebote wie der Museumssonntag abgeschafft werden, ist für Scheller nicht nachvollziehbar.
Bei Künstler:innen, die die Beratungsangebote von "Kreativ Berlin" wahrnehmen, beobachtet sie eine zunehmende Verunsicherung bis hin zu blanken Existenzängsten. Dass sich Kreative mehr anstrengen müssten, um Finanzierungen für ihre Projekte aufzutun, macht sie fassungslos. Künstler:innen seien es gewohnt, sich permanent um Förderungen und Drittmittel zu bemühen, sagt sie. "Zu dieser Aufforderung auch an große und prestigeträchtige Häuser ‚fangt mal an zu rechnen‘ kann ich nur sagen: die rechnen alle die ganze Zeit", so Scheller.
Berlins Regierender Bürgermeister hatte an die Theater der Hauptstadt appelliert, wirtschaftlicher zu denken und zu handeln. Er erwarte angesichts der geplanten Kürzungen im Kulturbereich von den Kultureinrichtungen mehr Eigeninitiative. Wegner forderte einen "Mentalitätswechsel" weg von der Erwartungshaltung, der Staat müsse die Finanzierung vollständig übernehmen.
Hinter der Debatte um mehr Einsatz und Eigeninitiative für Geldeinwerbung und Sponsoring verberge sich eine andere Frage, sagt Scheller von "Kreativ Berlin". Nämlich die, welche Relevanz Kultur in einer Gesellschaft habe und wer daran teilhaben dürfe. Aber auch die Frage, wie weit Kunst und Kultur kommerzialisiert und privatisiert werden dürften.
Dass Unternehmen sich für Kultur einsetzen und finanziell fördern, sei weder ein Selbstläufer und noch eine Selbstverständlichkeit sagt Dorine Wolf, vom Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft im BDI. Der Kulturkreis ist in West-Deutschland nach dem Krieg entstanden, unterstützt und berät Unternehmen, die Kultur grundsätzlich fördern oder fördern wollen. Gerade in Berlin sei das Kultursponsoring und das Mäzenatentum keine Selbstverständlichkeit wie beispielweise in Hamburg oder Frankfurt, sagt Wolf. Berlin sei schließlich kein klassischer Wirtschaftsstandort.
Attraktiver als Sponsoring, was aufwändig und meist nur projektbezogen stattfindet, könne die Unterstützung von Stiftungen sein, sagt Wolf. Aber die Stiftungslandschaft in Deutschland ist divers und unübersichtlich.
Hendrik Frobel, Geschäftsführer des Chamäleon, empfindet den aktuellen Umgang mit der Berliner Kulturszene als respektlos, unprofessionell und unverantwortlich. Die falschen Etat- und Haushaltsberechnungen hätten schließlich nicht die Kultureinrichtungen zu verantworten. Dafür müsse die Politik geradestehen und das Problem der Haushaltskonsolidierung verantwortlich lösen.
Sponsoring kann die Berliner Kulturförderung nicht ersetzen, da sind sich alle einig. Vor allem keine 130 Millionen Euro – die Gesamtsumme, die gerade in der Kultur gespart werden soll.
Grundsätzlich aber kann Sponsoring sehr sinnvoll sein, um mehr kulturelle Teilhabe möglich zu machen wie die "Staatsoper für alle". Um mehr Kulturförderung für Unternehmen attraktiv zu machen, müsse aber auch etwas aus der Politik kommen. Ronny Unganz von der Staatsoper wirbt daher beispielsweise für steuerliche Anreize für Unternehmen, ähnlich wie in den USA. Darüber hinaus bräuchte es ein gesellschaftliches Umdenken, sagt er. Ohne diese Voraussetzungen ist das Kultursponsoring für wenige keine Lösung für alle.
Sendung: radio3, 13.12.2024, 16:40 Uhr
Korrektur: In einer früheren Version des Textes wurde Sven Schabram als Intendant des HAU betitelt, richtig ist, dass er Referent der Intendanz und Geschäftsführung ist. Wir haben das korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Beitrag von Cora Knoblauch und Luis Babst
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