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Interview | Karikaturist Klaus Stuttmann
Klaus Stuttmann drückt seine Sicht auf Politik und Gesellschaft seit fast fünf Jahrzehnten in Karikaturen aus. Im Interview spricht er über Herausforderungen des Jobs und verrät, warum Friedrich Merz für ihn so leicht zu zeichnen ist.
rbb: Herr Stuttmann, Sie müssen ja recht schnell reagieren: Täglich eine Karikatur zu einem aktuellen Thema, das stelle ich mir nicht immer einfach vor. Gibt es auch Momente, wo Sie gar nicht wissen, was Sie aufgreifen sollen? Welche Tricks kennt ein Karikaturist da?
Klaus Stuttmann: Ich bin schon von einem älteren Jahrgang. Da ist man sowieso nicht mehr so schnell im Kopf. Deshalb fange ich meistens schon abends oder in der Nacht vor dem Tag an. Ich schaue wie die Nachrichtenlage ist und überlege mir, ob ich vielleicht ein Thema hätte, was ich dann aus der Schublade ziehen könnte, wenn mir am nächsten Tag aktuell wirklich nichts einfällt. Das ist gut für die Nerven.
Auf dem Cover Ihres Jahrbuchs sehen wir die Vertreter der Ampel auf einem Ast sitzen, an dem Christian Lindner sägt. Wie lange vor dem Bruch der Ampel-Koalition stand dieses Cover fest?
Drei Wochen mindestens. Man muss ja in diesen Zeiten immer früh in die Produktion gehen, wo sich sowieso jeden Tag alles ändert. Und man muss natürlich auch Glück haben, und wir hatten dann tatsächlich Glück. Er war ja schon ständig am Sägen und im Nachhinein weiß man, dass er da schon einen genaueren Plan hatte. Insofern war das Motiv schon vorher passend und wäre auch hinterher passend gewesen, wenn es nicht zum Bruch gekommen wäre.
Was reizt Sie nach wie vor an dieser Art des Arbeitens? Sie könnten ja auch einfach sagen, jetzt ist mal gut und ich mache das nur noch ein bisschen in meiner Freizeit.
Das ist Leidenschaft, ich mache das einfach gern. Ich habe auch andere Hobbys, die ich gerne mache, aber das ist immer noch mein liebstes Hobby und wenn man sein liebstes Hobby zum Beruf machen kann, muss man es so lange ausüben, wie es geht.
In Ihrem neuen Buch nimmt auch das Thema AfD viel Raum ein. Auf einem Bild sehen wir ein großes Sofa, auf dem Alice Weidel und Björn Höcke sitzen, Nachrichten schauen, wir sehen die Blase, in der steht "Zehntausende gegen rechts". Replik von Höcke: "Werden wir alle abschieben." Wie kann man dieser Partei mit Humor begegnen?
Da fällt es mit Humor schwer und man verfällt mehr in Satire. Wenn es ein bisschen bitter wird, ein bisschen Galgenhumor und sowas. So richtig fröhlich ist es meistens nicht. Am besten ist es natürlich, wenn man selbst demgegenüber eine gewisse Fröhlichkeit einnehmen kann, aber das fällt schon schwer.
Sind das Dinge, die Sie redaktionell besprechen und diskutieren? Oder können Sie da mit Ihren Ideen Alleingänge machen?
Ich bin absoluter Einzelkämpfer. Ich habe überhaupt keine Verbindung zur Redaktion, außer dass ich es ihnen schicke. Das Thema aussuchen, Ideen überlegen, das mache ich alles allein für mich.
Es ist also für die Redaktion eine Art Überraschungsei, was da von Ihnen kommt?
Ja, auf jeden Fall.
2006 wurde eine innenpolitisch gemeinte Karikatur von Ihnen aus dem "Tagesspiegel" plötzlich zum Affront gegen den Iran umgedeutet. Daraufhin schickten Ihnen wildfremde Menschen Morddrohungen und in Teheran randalierte ein Mob vor der deutschen Botschaft. Haben Sie heute noch mit solcherlei Bedrohung zu tun?
Im Augenblick nicht. Ich halte mich da auch ein bisschen raus. Aber ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass das in den nächsten Jahren noch zum Problem werden könnte.
Wie sehr beeinflusst Sie das in Ihrer Arbeit?
Es schränkt schon ein bisschen ein. Seit mir das damals passiert ist, überlegt man sich bei etwas prekären Themen immer schon: Kann das missverstanden werden? Geht das über den Rand von irgendjemandem rüber? Ganz ausschließen kann man das nie.
Ist das auch so ein Einzelkämpfer-Dasein oder haben Sie Rückhalt aus den Redaktionen, mit denen Sie arbeiten?
Ich glaube, so ein Rückhalt entsteht erst, wenn es tatsächlich einen akuten Fall gibt. Damals hat mir der "Tagesspiegel" unheimlich den Rücken gestärkt, und das war ein sehr angenehmes Gefühl. Das wäre sicher heutzutage auch wieder so. Aber an den Fall denkt man eigentlich gar nicht.
Anfang des Jahres haben wir eine Bundestagswahl. Welchen neuen Bundeskanzler, neue Bundeskanzlerin würden Sie am liebsten zeichnen? Nicht wählen, sondern zeichnen.
Eigentlich tatsächlich den Herrn Merz, den kann ich schon so lange wie Frau Merkel. Er lässt sich relativ einfach zeichnen. Alle anderen sind ein bisschen schwieriger.
Was macht es so einfach, Friedrich Merz zu zeichnen?
Das kann ich nicht sagen, wenn ich den zeichne, dann klappt es. Wenn ich einen Herrn Habeck zeichne, muss ich immer dreimal überlegen. Der hat sich auch ein bisschen verändert, er ist jetzt so ein smarter Typ. Merz hat halt so einen wunderbaren Haarzipfel vorne auf der Stirn, den muss man eigentlich nur zeichnen und dann erkennt man ihn.
Ihr Jahresrückblick heißt "Schnauze voll". Wie ist das zu verstehen?
Man sucht natürlich immer einen kurzen, eingängigen Titel. Und "Schnauze voll" sagen ja viele Leute, das ist ein geflügeltes Wort im Hinblick auf die Stimmung hier in der Gesellschaft. Und da dachte ich: Das passt ganz gut zu Herrn Lindner.
Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr?
Dass endlich mal eintrifft, was seit Jahren immer der Spruch ist: Schlimmer kann es nicht werden. Es kann nur besser werden, das würde ich mir diesmal tatsächlich mal wünschen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Shelly Kupferberg, radio3.
Die verschriftlichte Form ist eine gekürzte und redigierte Fassung des Gesprächs. Die komplette Version können Sie oben im Audio-Player nachhören.
Sendung: radio3, 16.12.2024, 17:10 Uhr
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