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Konzert | Montell Fish in Berlin
Der junge US-amerikanische Musiker Montell Fish flog in Deutschland lange unter dem Radar. Das ändert sich gerade, am Mittwoch ist Montell Fish in der Uber Eats Music Hall aufgetreten, einer der größten Hallen Berlins. Für Jakob Bauer steht fest: Den sollte man sich merken.
Es ist eine spannende Geschichte: Montell Fish wird Ende der 2010er zunächst in der riesigen "Christian Music"-Blase in den USA bekannt. Seine frühen Veröffentlichungen sind Bekenntnis-R’n’B im Prediger- und Gebets-Style zu zeitgenössischen Beats und Gitarrenklängen, zu Hause im Schlafzimmer zusammengebaut und in den Sozialen Medien geteilt. Eine EP heißt "Bedroom Gospel", in den Songs gibt es Zeilen wie "Warum weinst du? Du findest mich irgendwo im Wald, wo ich die Bibel lese. Ich kenne da jemanden, der deinen Schmerz heilen kann".
2021 geht einer seiner Songs auf Tiktok viral und plötzlich gibt es auch nicht-christliche Fans, ein großes Label steht vor der Tür und der heute 27-jährige Montell Fish verlässt das Schlafzimmer in Richtung große Bühne.
Was erwartet einen also beim Konzert? Ein christliches Happening, eine Offenbarungs-Show? Nein. Denn der US-Amerikaner spielt zwar immer noch viel mit christlicher Bildsprache – alles ist in strahlendes, unbeflecktes Weiß gehüllt, als Montell Fish und seine Bandmitglieder (auch in Weiß gekleidet) auf die Bühne kommen. Aber Gott ist eher versteckt in dieser Show. Denn die Geschichte von Montell Fish hat noch eine Wendung genommen.
In aktuellen Interviews sagt er, er sei in der letzten Zeit "so etwas wie ein Atheist geworden". Er liest jetzt C.G. Jung und Freud und in einem seiner neuen Songs heißt es "Wen wählst du Gott oder den Teufel – bei beiden verlierst du". Seine Liebeslieder können immer noch als Liebeslieder an Gott gehört werden, aber eben auch als Liebeslieder an profane Menschen. Er predigt nicht mehr.
Und ehrlich gesagt: Das will und erwartet hier wahrscheinlich auch keiner. Das Publikum in der leider nur halbvollen Uber Eats Music Hall besteht größtenteils aus jungen bis sehr jungen Frauen, die mit ihren vielen, vielen Handys einen Social Media Star filmen, der aber – um mal zur Musik zu kommen – viel mehr als eine Tiktok-Eintagsfliege ist.
Montell Fish singt wie ein…junger Gott. Hoch und klar im Falsett über die verwaschenen, wabernden Gitarren, es sind ambitionierte Soul-R’n’B-Indie-Rock-Songs, die häufig skizzenhaft, ausgefranst, aber schlüssig daherkommen. Experimentell, aber nie beliebig wechseln sie zwischen harten, industriellen verzerrten Klängen und Passagen, in denen Montell Fish verträumt am Klavier sitzt und fast impressionistisch durch die Harmonien wandert.
Leider bewegt sich vor der Bühne aber wenig. Die Menschen sind zwar aufmerksam, textsicher und immer für ein paar Jubler zu haben, können aber wenig tanzen und auch nicht viel klatschen, weil sie ihre Handys festhalten müssen. Aber damit kann der Social-Media-Star natürlich gut umgehen. Montell Fish wird nicht motzig, bleibt souverän, obwohl das eine seiner ersten großen Shows in Deutschland überhaupt ist. Er plaudert immer wieder mit der Menge, geht sogar mal rein und dann wird endlich gehüpft – Halleluja!
Der Typ ist eine positive Überraschung. Diese Auseinandersetzung mit der Spiritualität, die durchdachte Mehrdeutigkeit in der Performance und in den Texten: Spannend. Die Musik: Mal verrätselt wie ein Gleichnis, mal feierlich wie eine Messe, mal einfach volles Pfund Party mit unwiderstehlichen Mitsing-Hooks. Ein Bein im der Kirche, ein Bein im Club, das ist mal eine aufregende Mischung - gerne mehr davon!
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.12.2024, 07:55 Uhr
Beitrag von Jakob Bauer
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