Interview mit dem Direktor
Das Volkshaus Michendorf war Gewerkschaftshaus und Zwangsarbeiterlager. Heute beherbergt es ein Theater. Der Erfolg hat zu tun mit Enthusiasmus, Einfallsreichtum und erfüllten Träumen, wie Volksbühnen-Direktor Steffen Löser im Interview sagt.
rbb|24: Herr Löser, seit wann hat Michendorf ein Theater?
Steffen Löser: Michendorf hat seit 2011ein Theater im Volkshaus. Es gab einen sehr enthusiastischen Michendorfer, Siegfried Patzer. Es war immer sein Wunsch, ein Theater in Michendorf zu haben. Und er hat das mit viel Elan, mit viel Eigenleistung und auch viel eigenem Geld gegründet und aufgebaut. Ich war happy, dass mir der damalige Leiter 2017 dieses Haus anvertraut hat.
War Ihnen gleich klar, dass hier vorwiegend Komödien gespielt werden?
Ja, das war uns schon klar, weil es einfach ein Publikum dafür gibt, das das von uns erwartet. Wir haben natürlich auch manchmal Stücke raufgesetzt, die zwar Komödien sind, aber auch ein bisschen mehr künstlerisches Fundament haben, so wie "Kunst" von Yasmina Reza.
Kann man noch sagen: je schlechter die Zeiten, desto notwendiger ist Komödie?
Das kann man durchaus sagen. Ich merke das, wenn ich mich mit Leuten unterhalten, die sind dann froh und sagen, wir können einfach mal wieder lachen, wir haben mal zwei Stunden lang Spaß und müssen dann an nichts anderes denken und lassen uns einfach nur unterhalten. Das ist schon wichtig.
Die Volksbühne in Michendorf war ja früher kein Theater. Wie kam es dazu?
Also wenn man im Urschleim anfängt, war es ein Gewerkschaftshaus der Steinarbeiter in Michendorf. Die haben das 1929 eröffnet. 1933 hat es die NSDAP beschlagnahmt und umbenannt ins "Haus der Deutschen Arbeit". Kurz vor Kriegsende war es dann auch Flüchtlingslager für die Leute, die aus dem Osten vor der Roten Armee geflohen sind.
Es gab unten im Keller sogar ein Bad mit Badewannen, auch für die Michendorfer Bevölkerung. Nach 1945 ist es dann irgendwann in die Hände der HO gefallen, der Handelsorganisation der alten DDR. Man hat es genutzt für Jugendweihen, Kino, Tanzveranstaltungen. Dann ist es im Dornröschenschlaf versunken, bis ein Berliner Investor dieses Haus saniert hat, Wohnungen und ein Restaurant eingebaut und den Saal wieder hergerichtet hat. Und dann hat der sehr theaterenthusiastische Michendorfer Siegfried Patzer sich da einen wirklich großen Traum erfüllt und ein kleines Theater eingebaut.
Und dann war da noch Corona. Hat die Volksbühne Michendorf überlebt, weil sie ausreichend Fördermittel bekommen haben?
Nicht deswegen. Wir haben zwar Fördermittel bekommen, aber die Bühne gibt es auch, weil die Michendorfer hinterher wieder gekommen sind.
Das erste Stück nach der Corona-Pause war ein Klassiker: "Die drei von der Tankstelle". Der Film mit Heinz Rühmann stammt von 1930. Haben Sie das eins zu eins übernommen?
Nein, wir haben eine eigene Fassung geschrieben. Das war nicht so ganz einfach.
Ist das generell so, dass Sie die etwas älteren Stücke für die heutige Zeit adaptieren? Wie die Olsenbande?
Bei der Olsenbande haben wir uns natürlich kostümmäßig daran orientieren müssen. Wir haben gar nicht die technischen Möglichkeiten, große Umbauten zu machen. Wir haben das einfach gelöst mit ein paar Wänden, die sich bewegt haben. Das funktioniert durchaus, die haben uns die Bude eingerannt danach. Wir machen offensichtlich was richtig.
Wir wollen aber auch mal schauen, wer Sie eigentlich sind. Der eine oder andere kennt Sie vermutlich eher als Sänger?
Es werden mich noch viele als Sänger kennen, ja. Nicht unbedingt aus dem Berliner Bereich, aber aus Coburg, Halberstadt, wo ich vorher gesungen habe.
Was haben Sie da vorwiegend gespielt?
Ich war ja ausgebildeter Sänger, deswegen musste ich singen. Ich habe wirklich von der klassischen Operette übers Musical bis hin zur Oper alles gesungen.
Sie haben auch immer wieder Operette gespielt in Michendorf. Überlassen Sie das inzwischen anderen?
In der "Frau Luna" habe ich noch einmal gesungen. Da habe ich den Theofil gespielt und zuletzt dann im "Weißen Rössl" den Kaiser. Danach habe ich es gelassen.
Wer spielt heute die Stücke?
Die Hauptcrew sind Schauspieler aus dem Umland von Berlin. Das sind auch Profis, die wir engagieren, oder gerade Absolventen, die probieren sich bei uns immer mal wieder aus. Ich habe einen festen Stamm an Schauspielern und dazu hole ich einfach, um mal eine neue Farbe reinzubringen, ein neues Gesicht, auch immer mal wieder Neue.
Wie ist die Altersstruktur Ihrer Besucher in der Volksbühne?
Von sehr jung bis sehr alt, wir sind relativ durchwachsen. Wenn ich es in Jahren sagen sollte, liegt der Altersdurchschnitt so bei 40, 50.
Nur Michendorfer sind das aber nicht.
Nee, es kommen ganz viele aus dem Umkreis, also südliches Berlin, sehr treues Stammpublikum aus Potsdam, Beelitz, Bad Belzig. Die Masse sind natürlich Michendorfer, was mich freut.
Und es gibt Michendorfer, die selbst Theater bei Ihnen spielen.
Wir haben eine kleine Gruppe im Haus, "Die Michendorfer", die haben jetzt zwei Jahre pausiert. Wir machen aber im nächsten Jahr wieder ein Stück mit ihnen: "Candlelight und Liebestöter" über ein älteres Ehepaar, das sein Leben resümiert, eine sehr witzige Komödie.
Sie sind auch ein fester Partner von ganz vielen Schulen.
Ja, auf jeden Fall. Kindergärten aus Michendorf, die Grundschule in Michendorf, Schulen aus Potsdam und Beelitz. Ich kann manchmal den Bedarf gar nicht erfüllen, den ich da habe.
Welchen aktuellen Kracher können Sie mir ans Herz legen?
"Die Grönholm-Methode". Es geht um vier Top-Manager, die zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werden und dort sehr viele Aufgaben erfüllen müssen, die immer kruder und verrückter werden. Daraus entwickelt sich eine sehr unterhaltsame Komödie, die bis 21. Dezember in der Volksbühne läuft.
Und im Januar wird ordentlich getrunken: "Die Feuerzangenbowle", also noch ein alter Film mit Heinz Rühmann als Theateradaption. Ist die nah am Original?
Das Schöne an dieser Fassung, die ich gefunden habe, ist eigentlich eine, die nur für vier Schauspieler ist. Ich habe es ein bisschen umgeschrieben mit einem Schauspieler mehr, einfach damit es nicht ganz so hektisch zugeht auf der Bühne. Aber was einem aus dem Film bekannt ist, wird man auch auf der Bühne sehen.
Wann ist der Premiere?
Premiere ist am 3. Januar und die Vorstellungen laufen dann bis zum 2. Februar.
Wie viele Leute passen in den Theatersaal?
Bei uns passen 86 Leute rein. Wir können auch noch ein paar Stühle reinquetschen.
Was kostet im Normalfall ein Ticket?
22 Euro, ermäßigt 19 Euro. Wenn Sie mit 15 Leuten mindestens kommen, dann reduziert sich das auch nochmal auf 17 Euro.
Das allein kann für den Betrieb eines Theaterhauses nicht ausreichen. Woher kommt das Geld, das so etwas nun mal kostet?
Wir bekommen eine Förderung vom Landkreis Potsdam-Mittelmark und ein bisschen was von der Gemeinde, von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse und seit letztem Jahr auch EMB. Ich bin offen für jeden, der sich beteiligen möchte.
Gibt es eigentlich für Operetten ein Orchester?
Na ja, wir haben kein richtiges Orchester. Das geht aus Platzgründen gar nicht. Wir haben es immer quasi reduziert auf Klavier, Schlagzeug - und unser Bühnenbildner spielt auch Cello.
Lassen Sie uns zum Schluss einen Blick voraus werfen. Sieben Jahre sind Sie jetzt Theaterdirektor in Michendorf. Wie sehen Sie sich und Ihre Volksbühne in sieben Jahren?
Oh Gott, ob ich in sieben Jahren noch Theater mache, weiß ich gar nicht. Ich schaue mal. Mein Wunsch ist, dass diese Volksbühne einfach so, wie sie jetzt ist, lange bestehen bleibt. Auch, dass ich noch einen Nachfolger finde, der dieses kleine Stadttheater für Michendorf später übernimmt und weiterführt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Frank Schroeder für Antenne Brandenburg
Sendung: Antenne Brandenburg, 12.11.2024, 20:00 Uhr
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