rbb24
  1. rbb|24
  2. Kultur

Leider gibt es ein Problem beim Abspielen des Videos.

Audio: Radio3 | 06.01.2025 | Antje Bonhage | Quelle: picture alliance/SZ Photo/Mike Schmidt

"Jahr der Stimme"

Das älteste Instrument der Welt

Seit 2008 küren die Bundesländer ein "Instrument des Jahres". Zwölf Monate lang steht das besonders im Rampenlicht. In diesem Jahr gilt die Aufmerksamkeit dem ältesten Instrument, das fast jeder auf der Welt in sich trägt - und das nichts kostet. Von Antje Bonhage

Schon zu Zeiten vor dem, was wir heute als Zivilisation bezeichnen, sangen Menschen zu allen wichtigen Anlässen: Zur Geburt eines Kindes, wenn jemand krank im Bett lag oder um einen Sterbenden zu begleiten. Das erzählt die Jazz- und Opernsängerin Jocelyn B Smith. Sie ist die Berliner Schirmherrin für das bevorstehende "Jahr der Stimme". Die Stimme sei mehr als ein herkömmliches Instrument. "Sie ist ein Kommunikationsmittel, das eine Person mit all ihren Emotionen, ihrer Energie und in ihrer ganzen Menschlichkeit durchscheinen lässt", sagt Smith, die ihre Stimme zum Beruf gemacht hat.

So ist die Stimme ein sehr persönliches Instrument. Ein höchst individuelles und individuell höchst unterschiedlich. Zugleich ist sie auch ein Instrument, das Rollen markiert. Gesellschaftliche Rollen, Geschlechterrollen. Hier sei die Stimme ein "total wichtiges Ausdrucksmittel", sagt Philipp Mathmann. Er ist Facharzt für Phoniatrie, der medizinischen Disziplin, die sich mit der Stimme und dem Sprechen befasst.

Emotionen und Energie: Für die Sängerin Jocelyn B. Smith ist die Stimme das persönlichste Ausdrucksmittel. | Quelle: MSK Events

Facharzt und nebenbei Sänger für klassische Frauenrollen

Mathmanns eigene Stimme ist extrem wandelbar. Er beherrscht nicht nur typisch männliche Stimmlagen, sondern kann auch mit hoher Sopranstimme singen. Er könne, so der Arzt, nach Belieben "switchen" und unterschiedliche Stimmfarben nutzen. "Früher dachte ich, das könne jeder", sagt er. Für Mathmann war es nichts Besonderes, einerseits die hohen Stimmen von Opernsängerinnen zu imitieren und dann wiederum auf tiefe, "typisch männliche Stimmlage" zuzugreifen. Bis man ihn darauf hinwies, dass diese Bandbreite sehr ungewöhnlich ist, insbesondere nach dem Stimmbruch. Heute steht Philipp Mathmann, neben seinem Arztberuf, regelmäßig als gefragter Countertenor auf der Bühne - häufig in klassischen Frauenrollen.

Konzert | Future Palace

Eine Stimme wie aus dem Erdinnern

Future Palace hatten mit diesem Erfolg nie gerechnet: Konzerte in halb Europa, drei hoch gelobte Alben. Wie gut sie sind, zeigten sie auch beim Heimspiel im Berliner Huxleys. Von Hendrik Schröder

Geeignet für verrückte Späße und zum Vertreiben von Angst

Ob professionell oder im Privaten: die eigene Stimme zu nutzen, mache Spaß, findet Sabine Eyer. Sie hat Gesang studiert und singt seit 2011 als Altistin im Rundfunkchor Berlin. Mithilfe der Stimme könne man Fantasielaute bilden, hohe und tiefe Tierlaute nachahmen – "lauter verrückte Dinge", sagt die Sängerin.

Ihr Rundfunkchor-Kollege, der Tenor Holger Marks zeigt sich überzeugt, dass der Einsatz der eigenen Stimme beim Singen glücklich macht. Und: man könne die eigene Stimme sogar als eine Art Freund und Helfer nutzen. Irgendwo habe er nämlich gelesen, dass Singen Angst vertreiben könne. "Das mag stimmen oder nicht. Auf jeden Fall ist es so, dass die Stimmung gehoben wird und man sich besser fühlt, sobald man singt“, sagt der Tenor. Und lachend erzählt er von einem ganz bestimmten Ton, den er gerne unter der Dusche singe und der durch sein klirrendes Geräusch "die ganze Dusche zum Wackeln bringt."

Instrument des Jahres

Das vielfältigste aller Instrumente

Klar ist: kein anderes Instrument ist so vielfältig wie die menschliche Stimme. Sie ist in jedem musikalischen Genre einsetzbar. Sie begleitet jede und jeden einzelnen durchs gesamte Leben. Man braucht sie nicht in einem Instrumentenkoffer zu transportieren, denn wir tragen sie immer bei uns. Trotzdem möchte sie gepflegt und "geölt" werden. Daher singen sich sowohl Profi- als auch Laien-Sänger grundsätzlich erst ein, bevor sie richtig loslegen.

Wichtig für einen guten Klang sei außerdem, dass man der Stimme Raum und Strahlkraft gebe, erklärt Holger Marks. Das Instrument Stimme bestehe aus den Stimmlippen im Kehlkopf, der Rest des Körpers sei das Fundament. Idealerweise halte man das beim Singen oder Sprechen aufrecht - entweder beim Stehen oder vorn auf der Stuhlkante sitzend. "Da hat man das Instrument dann gut bereitgestellt, um auch mal stundenlang ganz locker durchzusingen", verrät der Berufs-Tenor.

"Song der Menschlichkeit"

Für Jocelyn B. Smith ist die Stimme die Verbindung des Menschen zum Göttlichen, zum Universum, wie sie sagt. Die gebürtige New Yorkerin freue sich, dass die Stimme 2025 als "Instrument des Jahres" gewürdigt wird. Sie setzt auf die verbindende Kraft, die in den Stimmen der Menschen steckt, wenn sie sich zusammentun, erzählt sie. "Ich hoffe, dass wir bundesweit all unsere verschiedenen Stimmen zusammenbringen werden und einen gemeinsamen Song der Menschlichkeit anstimmen", sagt die Berliner Botschafterin der Stimme.

 

Sendung: radio3, 06.01.2025, 18:40 Uhr

Beitrag von Antje Bonhage

Artikel im mobilen Angebot lesen