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Audio: Radioeins | 20.03.2025 | Kerstin Lehmstedt | Quelle: dpa/Henrik Montgomery

Ausstellung "Fabelhaftes Produkt" im Gropiusbau

Der strahlende Kosmos der Miss Davis

Punk, Parodie, Pornografie: Vieles steckt in dem Werk der queeren Künstlerin Vaginal Davis. Im Gropiusbau werden Installationen aus vierzig Jahren Schaffen gezeigt, die das Publikum in die Vergangenheit der Underground-Ikone entführen. Von J.S. Fischer

Vaginal Davis ist eine jener faszinierenden Künstlerinnen, die einen enormen künstlerischen Output auf ganz verschiedenen Ebenen produzieren. Und daher ist "Miss Davis" (so wie sie von allen Beteiligten genannt wird) nicht nur Performerin, sondern auch Malerin, Lehrende, Autorin, Filmemacherin, Musikerin und Aktivistin.

Ihr Künstlerinnenname ist eine sexuelle Ableitung der schwarzen Aktivistin Angela Davis, ihre dargestellte Figur ein "Konstrukt". Auch wenn die studierte Anglistin und Philosophin mittlerweile in Museen weltweit ausstellt, fand ihre künstlerische Praxis zunächst in kleinen Szenen des Undergrounds statt.

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Fantastisch kindlich erwachsen

Die intersexuelle Künstlerin wächst zunächst prekär in einem kreolisch-schwarzen Frauenhaushalt in Los Angeles der 1960er Jahre auf. Doch schon im zarten Alter von acht Jahren stellt sie in der Pio Pico Bibliothek Werke zu ihrem geliebten Roman "Wizard von Oz" des Autors Frank Baum aus. Die Installation "Naked on my Ozgoad: Fausthaus Anal Deep Throat" (2024/25) wurde von dieser Show inspiriert und zusammen mit dem Künstler Jonathan Berger entwickelt. Das Märchen eröffnete der jungen Leserin eine mehrdeutige Dimension der fantastischen Möglichkeit, inklusive genderfluiden Charakteren.

Diese können in den Illustrationen des Originalbuchs in der Vitrine begutachtet werden. Neue von Davis entworfene Illustrationen der Figuren wurden ergänzend mit ihren bevorzugtem Malmittel Make-Up dazu auf die Wände aufgetragen. Dazwischen befinden sich Installationen kleiner Skulpturen, die von Hängelampen beleuchtet und auf Samtkissen mit Beschilderung gebettet werden. Unter ihnen ertönen musikalische Soundcollagen auf verschiedenen Sprachen aus Boxen heraus. Es ist wie ein erster Ausflug in Davis' Denkweise: Viel und gleichzeitig, kindlich und erwachsen zugleich.

20 Jahre nachdem die Künstlerin, Autorin und Performerin Vaginal Davis von Los Angeles nach Berlin zog, zeigt der Gropius Bau die erste umfassende Einzelausstellung ihres Werks in Deutschland. (Quelle: rbb/J.Fischer)
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BERLINER ENSEMBLE: "Heroes" Alexander Scheer singt David Bowie (Quelle: BE/Just Loomis)

Premiere am Berliner Ensemble

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20 Jahre nachdem die Künstlerin, Autorin und Performerin Vaginal Davis von Los Angeles nach Berlin zog, zeigt der Gropius Bau die erste umfassende Einzelausstellung ihres Werks in Deutschland. (Quelle: rbb/J.Fischer)
Quelle: rbb/J.Fischer

Zu schwul für Punk, zu Punk für die Schwulen

Doch dann schon der erste Szenenwechsel: Vorbei an verhüllten Bildern und Collagen, durch die Pappkulisse des nachgebildeten legendären Kinos Cinerama gelangen die Besucher:innen in einen dunklen Club. Dort flackern lautstark Videoarbeiten in denen Davis zur Akzeptanz des eigenen Körpers aufruft oder ihrer Bandkollegin Fertile LaToyah Jackson im Film "That Fertile Feeling" (1992) bei einer Mehrfachgeburt hilft. Dazu an Tischen und Wänden Poster und Flyer von Davis Punkbands namens "Afrosisters", "PME", "¡Cholita!" oder "black fag", die dem Homo- oder Queercore der 1980er Jahre zuzuordnen sind.

Eine Punk-Musikszene, die ohne konventionellen Macho-Attitüden auskam und die in ihrer queeren Ästhetik auch vom homosexuellen Mainstreampop abgrenzte. Der interne Austausch fand daher vor allem in und durch die selbstpublizierten Fanzines statt, deren Ästhetik Davis Arbeit bis heute prägt. Im Nebenraum läuft in einem kleinen Kino eine ihrer bekanntesten Videoarbeiten "The White to be angry" (1999), in der ein Neonazi erotische Gefühle gegenüber seinen propagierten Feindbildern verspürt. Eine von vielen bizarren Narrationen, die ihre pornografisch-experimentelle Gesellschaftskritik auf äußerst unterhaltsame Weise äußern.

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Quelle: rbb/J.Fischer

Literatur, Tratsch und Erotik

Die Installation "The Wicked Pavillon: The Fantasia Library" (2024) ist in fleischiges Rosa getaucht. Davis stellt in dieser Installation schreibende Frauen in den Fokus: durch Bücher geschätzter Autorinnen, in Form von kleinen gemalten Porträts und ihre eigenen Publikationen. Auf den unerreichbar hoch befestigten Regalen liegen ungeschriebene Bücher mit fiktiven Titeln wie "The Fiscal Clit" (deutsch: Die fiskalische Klitoris) oder "Congress of Poo" (deutsch: Kackkongress). Im dazugehörigen Hinterzimmer "Tween Bedroom" (2021) wird es dann intimer: In einem gemütlich plüschigen Schlafzimmer dreht sich ein im Bett schlummernder Riesenpenis aus Gips. Ausgeschnittene Porträts von Christiane F. oder Isabella Rosselini hängen neben schwuler Erotik an einer Wäscheleine, Nagellackfläschchen stehen auf dem Nachttisch. Hier wurde ein ausgedachter Rückzugsort zum Schwärmen von Davis entworfen, die sich privat als introvertiert bezeichnet.

Quelle: rbb/J.Fischer

Multiple Höhepunkte

Doch damit nicht genug: In "Hofpfisterei"(2024) kann in einem Büroraum in Zines und Blogeinträgen der Künstlerin gestöbert oder auch selbst vor Ort mit einem Drucker produziert werden. "Hag" (2012) ist eine kleine Nachbildung eines von Davis früher geführten Galerieraums, der in pinkes Licht getauchte Fruchtbarkeitsfiguren aus Brot und Wandzeichnungen zeigt. Oder auch die Ausstellung in der Ausstellung ihres Berliner Künstlerkollektivs CHEAP, in den Fotografien ihrer gemeinsamen Performances sowie Skulpturen und Videoarbeiten zu sehen sind.

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Kurzum, langweilig wird es angesichts dieser Fülle an Settings und Material sicherlich nicht. Der Gropiusbau unter der Leitung Jenny Schlenzkas hat es sich erfreulicherweise zum Ziel gesetzt, Gegenwartskunst nicht nur zu zeigen, sondern auch erfahrbar zu gestalten. Dafür sind jedoch Ausnahmekünstlerinnen wie Vaginal Davis unersetzlich. Sie schafft es, Kunst jenseits der normativen Vorstellungskraft und mit multiplen Querverweisen scheinbar mühelos aus sich heraus "zu gebären". In einem Gespräch 2024 mit dem Stockholmer Kurator Hendrik Folkert meinte sie dazu selbstbewusst: "Ich verwandle den Kosmos und beuge ihn nach meinem Willen. Nicht andersherum." Diese Selbstverständlichkeit mit der eigenen nonkonformen Identität auch noch mit spielerischem Wortwitz und fantasievoller Intelligenz umzugehen hat eine Strahlkraft, die nachhaltig erhellt.

Vaginal Davis: "Fabelhaftes Produkt", 21.3.-14.9.2025, Gropiusbau, Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin

Sendung: Radioeins, 20.03.2025, 17:30 Uhr

Beitrag von Julia Sie-Yong Fischer

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