Kein Duo mehr
Die bisherige Berlinale-Führung Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek hört 2024 auf. Kulturstaatsministerin Claudia Roth will das Filmfestival künftig nur noch von einer Person leiten lassen. Nun ist bekannt geworden, wer es wird.
Die US-Amerikanerin und frühere Chefin des London Film Festivals, Tricia Tuttle, steht künftig an der Spitze der Berlinale. Sie soll im April 2024 die Filmfestspiele übernehmen und das bisherige Intendanten-Duo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian ablösen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat die neue Berlinale-Leitung am Dienstag präsentiert, nachdem der Aufsichtsrat der Kulturveranstaltungen des Bundes dem Vorschlag zugestimmt hatte.
Die 53 Jahre alte Tuttle ist laut Roth seit 25 Jahren im Filmfestival-Geschäft. Ihre Aufgabe wird sein, die Internationalen Filmfestspiele Berlin zu modernisieren, die Zukunft der Berlinale zu sichern und ihre Rolle in der Liga der A-Filmfestivals zu stärken, wie Roth erklärte.
Tuttle sagte, es sei ein großes Privileg, das wichtige Festival leiten zu dürfen. Sie habe die Berlinale viele Jahre beruflich kennen und dabei sehr schätzen gelernt: "Die Berlinale ist ein Vorreiter unter den A-Filmfestivals - einladend und inklusiv und randvoll mit einer atemberaubenden Vielfalt an Filmen."
Vorgeschlagen wurde Tuttle von einer sechsköpfigen Findungskommission, der Oscar-Gewinner Edward Berger ("Im Westen nichts Neues"), die Geschäftsführerin der Deutschen Filmakademie, Anne Leppin, Schauspielerin Sara Fazilat, Produzent Roman Paul, der Berliner Senatskanzlei-Chef Florian Graf (CDU) und eben Claudia Roth angehörten.
Unter Tuttles Leitung habe das BFI London Film Festival nicht nur einen Publikumszuwachs verzeichnet, sondern auch international an Profil und Bedeutung gewonnen, sagte Roth: "Sie hat den Herausforderungen der Digitalisierung kreative Strategien entgegengesetzt und das Festival bunter, vielfältiger und zugänglicher gemacht." Überzeugt habe Tuttle die Kommission vor allem mit ihren klaren Vorstellungen zu den künstlerischen Perspektiven der Berlinale. "Alle waren sofort einstimmig hinter ihr, da gab es überhaupt keine Diskussion. Das war, glaube ich, eine Entscheidung von drei Minuten", sagte Regisseur Berger dem rbb.
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erklärte am Dienstag, er freue sich auf Tricia Tuttle. Das Filmfestival habe in Berlin eine mehr als 70-jährige Tradition und sei künstlerisch, gesellschaftspolitisch und wirtschaftlich von größter Bedeutung für die Stadt. "Es muss unser Ansporn und Ziel sein, dass die Berlinale auch künftig zu den hochkarätigsten Filmfestivals der Welt zählt", sagte Wegner.
Tricia Tuttle stammt aus North Carolina, wo sie den Angaben zufolge ihre Karriere als Gitarristin der Band "June" begann. Sie hat einen Master in Film Studies des British Film Institute und der Birkbeck University und einen Bachelor of Arts in Literatur-, Radio-, Fernseh- und Kinowissenschaft. Ihre erste Berlinale-Ausgabe wird sie 2025 leiten.
Roth hatte bereits vor Wochen angekündigt, das Filmfestival solle künftig nur noch von einer Person geleitet werden. Chatrian hatte daraufhin Konsequenzen gezogen und angekündigt, das Festival nach der Ausgabe 2024 zu verlassen. Ursprünglich hatte er Rissenbeek hatte bereits zuvor ihr Ausscheiden angekündigt.
Zahlreiche internationale Filmschaffende haben Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) im Zusammenhang mit dem geplanten Führungswechsel bei der Berlinale heftig kritisiert. Ihr Umgang mit dem bisherigen künstlerischen Leiter Carlo Chatrian sei "schädlich und unprofessionell", hieß es in einem beim US-Fachblatt "Variety" veröffentlichten offenen Brief im September. Zu den Unterzeichnenden gehörten unter anderem die Regisseure Martin Scorsese und Margarethe von Trotta.
Chatrian und Rissenbeek leiteten die Internationalen Filmfestspiele Berlin in einer von der Corona-Pandemie geprägten Zeit. Ihre erste Ausgabe 2020 ging gerade noch über die Bühne, bevor wegen der Pandemie viele Großveranstaltungen nicht stattfinden konnten.
2021 wurde das Festival auf zwei Termine geteilt. Und noch im Jahr 2022 konnten die Kinos nur halb besetzt werden. Kurz nach der Ausgabe 2023 wurde dann bekannt, dass Rissenbeek ihren Vertrag als Geschäftsführerin des Festivals nicht verlängert.
Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Filmfestivals. Die nächste Ausgabe ist vom 15. bis zum 25. Februar 2024 geplant.
Sendung: rbb24, 12.12.2023, 13 Uhr
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