Israelischer Berlinale-Preisträger Abraham kritisiert Berliner Politik
Der israelische Berlinale-Preisträger Yuval Abraham wirft der Berliner Politik vor, seine Familie in Gefahr gebracht zu haben. Grund sei der Vorwurf des Antisemitismus gegen ihn. Abraham hatte bei der Berlinale die israelische Politik kritisiert.
Der israelische Regisseur Yuval Abraham ("No Other Land") hat nach Debatten über Israelkritik bei der Berlinale Preisgala die Politik scharf kritisiert. Seine Familie sei von einem "rechtem Mob" in deren Haus bedroht worden, schrieb der Filmemacher und Journalist bei Instagram. "Ich bekomme noch immer Morddrohungen und musste meinen Heimflug absagen."
Scharfe Kritik an Berliner Politikern
Für die Bedrohung machte Abraham "israelische Meden und deutsche Politiker" verantwortlich. Diese hätten seine umstrittene Berlinale-Rede "absurderweise als antisemitisch bezeichnet, weil ich Gleichheit zwischen Israelis und Palästinensern, einen Waffenstillstand und das Ende der Apartheid gefordert habe".
Abraham bezeichnete die Verwendung des Begriffes "antisemitisch" in Deutschland als missbräuchlich und gefährlich für Jüdinnen und Juden, weil es palästinensische und israelische Kritik an der Regierung Israels "mundtot" mache. "Da meine Großmutter in einem lybischen Konzentrationslager geboren wurde und der Großteil der Familie meines Großvaters von Deutschen im Holocaust ermordet wurde, halte ich es für besonders erschreckend, dass deutsche Politiker im Jahr 2024 die Unverfrorenheit besitzen, dieses Wort auf eine Weise gegen mich zu verwenden, die meine Familie in Gefahr bringt", so Abraham.
Vorwurf des Antisemitismus gegen Berlinale-Preisträger
Der Filmemacher bezog sich dabei auf Reaktionen auch aus Kreisen des Berliner Senats auf seine Rede bei der Berlinale. Abraham hatte nach der Auszeichnung des Films "No Other Land" zusammen mit dem Palästinenser Basel Adra die israelische Siedlungspolitik scharf kritisiert. "In zwei Tagen werden wir in ein Land zurückkehren, wo wir nicht gleich sind", sagte Abraham. "Ich darf mich in dem Land frei bewegen, Basel ist wie Millionen Palästinenser eingeschlossen in der West-Bank. Diese Situation der Apartheid zwischen uns, diese Ungleichheit muss ein Ende haben." Sein Co-Regisseur Adra warf der israelischen Regierung vor, die Menschen im gazastreifen "abzuschlachten".
Berlins Regierender Kai Wegner kritisierte den Auftritt am Montag scharf. Hass und Hetze gehörten nicht auf eine solche Veranstaltung, mahnte der CDU-Politiker. Der Berlinale sei dadurch "schwerer Schaden" entstanden, auch international. "Ich erwarte Aufklärung, zumal es dabei auch um strafrechtlich relevante Vorgänge geht", erklärte der Regierende Bürgermeister. Er werde zeitnah das Gespräch dazu mit der neuen Festival-Leitung der Berlinale suchen. "Diese Bilder, diese Töne will ich nicht aus Berlin sehen und hören".
Bei der Preisverleihung am Samstag war auch der Krieg in Nahost Thema, Israel wurde "Genozid" und "Apartheid" vorgeworfen. Der Umgang mit den Vorwürfen bei der Berlinale-Preisgala stößt in der Politik auf deutliche Kritik.
Chialo fordert erneut Antisemitismusklausel für Kulturförderung
Neben Wegner hatten auch zahlreiche andere Politiker aus allen Parteien teils schwere Kritik an der Berlinale-Leitung geübt. Das Festival und damit das Land Berlin hätten sich "nicht mit Ruhm bekleckert", sagte Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Mittwoch beim Netzwerk Medianet. Es sei nicht gut, dass der Nahostkonflikt bei der Abschlussgala einseitig präsentiert worden sei. "Ein politisches Festival wie die Berlinale muss auch immer den Anspruch haben, in einer ausgewogenen Art und Weise Diskussionen zu führen", so Giffey. Sie kritisierte, dass die Festivalleitung die israel-kritischen Aussagen einiger Künstler nicht in den Kontext des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023 gestellt hatte. Es habe die Gegenposition gefehlt, so Giffey. Die nächste Berlinale-Leitung stehe in der Verantwortung, es besser zu machen.
Auch Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) forderte eine schnelle Aufklärung der Vorfälle. Er bezog sich dabe nicht nur auf die Reden von Abraham und Adra, sondern auch auf Berlinale-Jurymitglieder, die israelkritische Statements während des Festivals gemacht hatten, sowie auf einen israelfeindlichen Post auf dem offiziellen Instagram-Kanal der Berlinale. Chialo brachte erneut die Einführung einer Antisemitismusklausel für die Kulturförderung ins Gespräch. Finanzielle Mittel der Steuerzahler dürften nicht "denen zugutekommen, die Demokratie zersetzend unterwegs sind", so Chialo. Zuvor war bereits aus Teilen der Union, aber auch aus der AfD Forderungen nach einem Ende der staatlichen Förderung für die Berlinale laut geworden.
Der Publizist Michel Friedman forderte nach den israelkritischen Äußerungen bei der Berlinale mehr Widerspruch. Durch Deutschland rolle seit dem Terroranschlag der Hamas und den israelischen Reaktionen "eine weitere, dramatische, antisemitische Welle", schrieb der frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung". "Ein exzessiver Judenhass (um es deutlich zu sagen: Jüdische Menschen sind meist nicht israelische Staatsbürger, sondern Deutsche), Gewalt macht sich breit."