Die österreichischen Horror-Spezialist:innen Veronika Franz und Severin Fiala erzählen mit "Des Teufels Bad" eine Schauergeschichte vor historischem Hintergrund. Atmosphärisch dicht, aber leider gänzlich geheimnislos. Von Fabian Wallmeier
Eine Frau nimmt ein schreiendes Baby aus einem Korb, läuft in den Wald, beruhigt es, hängt ihm einen Rosenkranz um - und wirft es einen Wasserfall herunter. Dann läuft sie zu einer Burg und stellt sich mit ihrem Verbrechen. So beginnt "Des Teufels Bad", der Wettbewerbsbeitrag der Österreicher:innen Veronika Franz und Severin Fiala. Sie erzählen eine Geschichte nach tatsächlichen Ereignissen im 18. Jahrhundert, wie zu Beginn eingeblendet wird.
Mutterschaft ist eines der zentralen Themen in den Filmen des Regie-Duos. In ihrem Spielfilmdebüt "Ich seh ich seh" (2014) taucht eine Mutter nach einer Gesichtsoperation bandagiert und verwandelt zurück und ihre Zwillinge glauben, dass sie eine andere Frau ist. In "The Lodge" (2019), dem US-Debüt der beiden, geht es um das Verhältnis zwischen einer Frau und ihren Stiefkindern.
Hier geht es nun, nach dem Prolog am Wasserfall, aber zunächst einmal darum, überhaupt erst Mutter zu werden: Agnes (Anja Plaschg) heiratet Wolf (David Scheid) aus dem Nachbardorf. Doch der schläft nicht mit ihr und beschert ihr kein Kind, so sehr sie auch dafür betet. Und das tut sie ausgiebig: Im Keller des düsteren Hauses, das Wolf gekauft hat, hat sie sich eigens einen Altar dafür eingerichtet.
"Des Teufels Bad" erzählt auf der Grundlage von Gerichtsprotokollen von der Unterdrückung von Frauen durch die katholische Glaubensgemeinschaft: Es sind von damals mehrere Fälle von Frauen dokumentiert, die nicht mehr leben wollten, sich aber nicht umbrachten, weil sie dann nicht in den Himmel kommen würden. Stattdessen begangen sie Verbrechen, um dann zu beichten - und als Hingerichtete endlich die ewige Ruhe zu finden.
Das Problem des Films ist, dass er diese Geschichte so geradlinig nacherzählt und letztlich keinerlei Geheimnisse zulässt. Das kennt man von Franz und Fiala anders: "Ich seh ich seh" ist einer der beunruhigendsten, gruseligsten, besten Horrorfilme, den es im deutschsprachigen Kino des 21. Jahrhunderts zu bewundern gibt. Mit "The Lodge" gaben sie ihr nicht ganz so gutes US-Debüt mit einer ganz ähnlichen Art von Grusel.
Der Schauer des Faktischen
Im neuen Film tritt nun an die Stelle des Horrors durch das Verlorensein in der Erzählung etwas Einfacheres: der Schauer des Faktischen. Das wäre nicht nötig gewesen, denn Agnes ist eine verlorene Figur, deren Verlorensein man auch hätte auskosten können, ohne von Anfang an auszubuchstabieren, was hier Sache ist. So fragt man sich kaum einmal, was mit ihr passiert und warum, weil ihr Weg ins Verderben bereits vorgezeichnet ist.
Anja Plaschg haucht ihrer Figur durchaus Leben ein. Den Leidensweg nimmt man ihr ab, wenn sie mit glasigem Blick durch den Wald läuft. Wenn sie sich den Zumutungen der Schwiegermutter zu widersetzen versucht, die etwa von ihr verlangt, beim Kochen für den Ehemann immer zehn Vaterunser zu sprechen. Wenn sie in der Berührung mit einer Ziege etwas Wärme und Nähe sucht. Wenn sie im Fiebertraum ihr vemeintliches Baby schreien hört. Wenn sie mit dem Ohr auf dem Moos Zuflucht sucht in den Geräuschen der Natur. Und wenn sie Marienlieder vor sich hin summt und singt.
Plaschg ist im Hauptberuf Musikerin unter dem Namen Soap&Skin - und von ihr stammt auch der Soundtrack. Der ist zunächst noch dezent und schwillt im Laufe des Films immer stärker an, dem Höhepunkt und dem traurigen Ende entgegen.
Schau- und Schauerwert hat der Film auch: Es gibt von abgetrennten Gliedmaßen und eiternden Piercings bis hin zu Schächtungen und Selbstverletzungen allerlei Grässliches zu sehen. Teile des Films sind ein wahres blutig-schleimiges Gore- und Schlachtfest. Und das ist atmosphärisch in Szene gesetzt. Aber echter Schrecken kommt dabei nicht auf. Schade.
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sollten Sie selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend Hilfe. Bei der Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner, auch anonym. Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222 www.telefonseelsorge.de