Abgeordnete wollen keine "Ballermann-Atmosphäre" mehr
Als "Schmuddelkind" wird er bezeichnet, als "kein einfacher Ort" mit "Ballermann-Atmosphäre". Der Alexanderplatz kommt bei den Berliner Abgeordneten nicht gut weg - soweit sind sich alle einig. Doch wie wird der Platz künftig gestaltet? Hier fordert die Opposition ein komplettes Umdenken.
Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus hat den Bezirk Mitte und den Senat aufgefordert, bei den Plänen für den Alexanderplatz komplett umzudenken. Hintergrund sind Probleme beim geplanten Hochhausbau.
Es müsse einen neuen städtebaulichen Wettbewerb geben, sagte die Linke-Abgeordnete Katrin Lompscher am Donnerstag. Auch Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek verlangte einen neuen Masterplan für ein "zukunftsweisendes Zentrum". Darüberhinaus stehe infrage, ob der Platz wegen der U-Bahn-Tunnel überhaupt für Hochhäuser geeignet sei.
Selbstverständlich werde die 20 Jahre alte Planung überarbeitet, betonte Bausenator Michael Müller (SPD). "Es kann aber nicht darum gehen, den Alexanderplatz als Hochhausstandort infrage zu stellen." Kapek hatte zuvor Zweifel daran geäußert, dass der Platz wegen der unterirdischen Bahntunnel überhaupt für Hochhäuser geeignet sei.
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass der Bau eines neuen Wohnhochhauses am Alex sich voraussichtlich weiter verzögert, weil am Rand des Grundstücks unterirdisch die U-Bahn-Linie 5 verläuft. Aufgrund der vorher offenbar zu wenig beachteten Bodenbedingungen muss der unmittelbar benachbarte Tunnel für die Bahn möglicherweise besonders gesichert werden.
Lompscher warf dem rot-schwarzen Senat vor, den Alexanderplatz im Vergleich zum Gebiet rund um dem Kudamm zu vernachlässigen. Dabei seien Alex und Fernsehturm herausragende öffentliche Orte. Auch Grüne und Piraten beschrieben den Platz als vernachlässigtes "Schmuddelkind" und wenig aufenthaltsfreundlich. Er sei "kein einfacher Ort", räumte Müller ein.
Linke, Grüne und Piraten wandten sich auch gegen die Buden, die neun Monate im Jahr auf dem Alexanderplatz stehen. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) stimmte der Opposition zu, dass der Platz "nicht länger verrummelt und verramscht" werden dürfe. Es sei eine Schande, wie mit dem Ort umgegangen wird. Von "Budenzauber" sprach auch der CDU-Abgeordnete Stefan Evers. Der Bezirk Mitte sei offenbar mit dem Management überfordert. Lompscher, stadtentwicklungspolitische Sprecherin ihrer Partei, stört sich an der "Ballermann-Atmosphäre mit Buden, die neun Monate im Jahr dort stehen".
Für die zahlreichen Buden machte Müller auch den Bezirk Mitte verantwortlich. Er forderte alle Fraktionen auf, dem Bezirksamt klar zu machen, dass es restriktiver mit Genehmigungen umgehen solle.
Linke und Grüne kritisierten auch, das am Einkaufszentrum Alexa geplante Hochhaus werde den Blick auf den Fernsehturm stören. Müller dagegen verteidigte die Hochhaus-Pläne: "Der Alexanderplatz ist kein Ort für Bungalows", sagte er. Auch die Koalition trat für Hochhäuser ein. Der Alexanderplatz werde durch die ungewöhnliche Formsprache des geplanten Gebäudes aufgewertet.
Auch die Wohnungen trügen zu einer Urbanisierung bei, sagte die SPD-Abgeordnete Ellen Haußdörfer. Der CDU-Abgeordnete Stefan Evers betonte, es könne nicht darum gehen, das städtebauliche Erbe der DDR zu konservieren und Investorenvertrauen zu zerstören. "Wir finden es gut, dass man nun endlich hoch hinaus will am Alex."
In dem 1993 vorgelegten Masterplan für den Alexanderplatz war der Bau von zehn 150 Meter hohen Türmen vorgesehen, die teilweise auf Grundstücken entstehen sollten, auf denen sich bereits Gebäude befanden - darunter auch das ehemalige Interhotel Stadt Berlin, heute Park Inn. Die Gebäude können aufgrund der fortgesetzten Nutzung und meist umfassenden Sanierung nicht so einfach abgerissen werden. Hinzu kommen planungsrechtliche Hürden und Ansprüche von Alt-Eigentümern.
Opposition und Regierung streiten nun über ihre jeweiligen Pläne für das Areal. So haben die Linken einen Plan für die Alexbebauung und -nutzung eingebracht, ebenso wie Union und SPD. Dabei stößt insbesondere die Höchstbauhöhe von 125 Metern - dies ist die Höhe des heutigen Park Inn - im Linken-Plan auf Ablehnung bei Union und SPD. Die Regierungskoalition argumentiert unter anderem damit, dass beispielsweise am Breitscheidplatz auch Häuser entständen, die die Gedächtniskirche überragten, ohne dass dies abträglich für den städtbaulichen Eindruck des Areals sei.
Die Präsidentin der Architektenkammer Berlin, Christine Edmaier, fordert derweil, Politiker, Planer und Bürger zusammen zu bringen. "Das beste Mittel ist ein Wettbewerb, da kommen alle drei zusammen“, sagte sie dem rbb. Dabei solle ein langfristiger Plan entstehen. "Städtebau darf nicht parteipolitisch betrieben werden."
Der Sockel steht schon, nun muss die Krone drauf: Für das erste von Hans Kollhoff erdachte Alex-Hochhaus könnte schon bald der Spatenstich erfolgen. Die amerikanische Immobilienfirma Hines will hier einen 150 Meter hohen Wohn- und Büroturm errichten. Allerdings gibt es nun Unklarheit über die Tragfähigkeit des Bodens und die Sicherheit der nahen U-Bahn-Tunnel.
Ähnliche Pläne gab es bereits 2011, doch das Projekt wurde verschoben - auch aus wirtschaftlichen Gründen, sagte ein Vertreter von Hines im rbb-Inforadio. Fertiggestellt wurde bisher nur der Sockelbau "Die Mitte", in dem sich heute ein Elektronikmarkt befindet.
Der nun geplante Turm soll nicht, wie von Kollhoff geplant, direkt aus dem Sockel emporsteigen, sondern etwas versetzt dahinter und damit näher an der Alexanderstraße. Auch das Design - bei Kollhoff eine Hommage an das Amerika der Wolkenkratzer der 1930er Jahre - wird sich wohl verändern.
Bis zum Sommer oder Herbst sollen laut Hines sieben Architekten Vorschläge für das Haus vorlegen. Der Bebauungsplan lag bereits öffentlich aus.
Hines gehört zu den bekanntesten Immobilieninvestoren und -entwicklern der Welt. Die Amerikaner zeichnen unter anderem für den Main Tower in Frankfurt (Main) und das Bank of America Center in Houston (Texas) verantwortlich.
Einer von zehn 150-Meter-Türmen steht schon mal - nur wurde er bereits 1970 fertiggestellt, und laut dem Kollhoff-Plan von 1993 sollte er eigentlich weichen.
Doch die unmittelbare Nachbarschaft des neuen "Hines-Hochhauses" wird sich auf absehbare Zeit wohl nicht verändern. Drei Grundstücke besitzt hier die amerikanische Investmentgesellschaft Blackstone, auf einem steht das Hotel "Park Inn" (früher Interhotel). Nach Kollhoffs Masterplan sollen hier eigentlich drei Hochhäuser entstehen - doch das dürfte noch dauern.
Aus dem Umfeld von Blackstone war zuletzt von "wirtschaftlichen Schwierigkeiten" zu hören. Auch der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung liegen derzeit keinen konkreten Pläne vor. Blackstone hatte das "Park Inn" 2006 gekauft - und schweigt seitdem zu weiteren Entwicklungsplänen. Das 37 Stockwerke hohe Park Inn mit 1012 Zimmern wurde zuletzt teilweise renoviert.
Und noch ein Shoppingcenter: Mit dem "Alea 101" setzt sich die Serie der neu gebauten Einkaufsmöglichkeiten am Alex fort. Wobei dieses historische Wurzeln hat. 1911 eröffnete an dieser Stelle (damals noch Königstraße) das erste C&A-Kaufhaus Deutschlands. Das Unternehmen ist heute wieder am Alex vertreten, allerdings ein paar Meter weiter nördlich im Berolinahaus auf der anderen Seite der Bahntrasse.
Auf 10.500 Quadratmetern sollen im Alea 101 nun wieder Geschäfte entstehen. Im oberen Teil des Hauses sind allerdings auch moderne Wohnungen zwischen 67 und 190 Quadratmetern geplant.
"Mehr Mitte geht nicht", lautet der Werbespruch dieser exklusiven Immobilie. Mehr Miete allerdings auch (fast) nicht: Die kleinste Wohnung kostet laut Alea-Management kalt 1.045 Euro im Monat, die größte 2.850 Euro im Monat.
Der Rohbau soll in diesem Jahr fertig werden, die Eröffnung wird 2014 angepeilt. Im Sommer war die Baufirma "Alpine" Konkurs gegangen, weswegen die Arbeiten auf der Baustelle kurzzeitig stillstanden. Inzwischen wird aber wieder gebaut.
Für das "Haus des Reisens" liegen derzeit keine Pläne vor. Klar ist: Nach Kollhoffs Planung soll der 17-Geschosser aus den 70er Jahren abgerissen werden. Wann und durch wen? Weiter offen.
Hier saßen zu DDR-Zeiten die Hauptdirektion des "Reisebüro der Deutschen Demokratischen Republik" und die staatliche Airline "Interflug".
Der Hinterhof des Alexanderplatzes: Hinter dem "Haus der Elektroindustrie" mit dem großen TLG-Schriftzug bleibt er vielen Blicken verborgen. Auch hier sind eine Reihe von Projekten geplant. Aber es gibt auch Widerstand.
Besonders das bisher als Parkplatz genutzte Eckgrundstück an der Kreuzung Mollstraße/Otto-Braun-Straße ist umstritten. Der Immobilieninvestor IVG will an der Mollstraße ein Wohnhaus mit 45 Einheiten errichten (so auch in der Keibelstraße, siehe Punkt 6), sowie Gewerbeflächen (eventuell für ein Hotel) an der Otto-Braun-Straße. 45 Millionen Euro soll das Gantze kosten und 2015 fertig sein. Die Anwohner des daneben liegenden Wohnhauses sind davon allerdings wenig begeistert. Sie fürchten, dass ihr Block im Schatten des Neubaus verschwinden wird. Zumal wenige Meter weiter südlich bereits das neue Hotel "Alexander Parkside" eröffnet hat.
Inzwischen ist auch klar, was mit dem ehemaligen Gebäude der DDR-Nachrichtenagentur ADN an der Kreuzung Mollstraße/Karl-Liebknecht-Straße passiert: Der Onlinehändler Zalando wird hier einziehen.
Wo heute ein recht hässliches Parkhaus steht, könnten bald schicke Wohnungen gebaut werden. Seit April steht fest: In der Keibelstraße will Unternehmer Wilfried Euler mit seiner IVG Immobilien Verwaltungsgesellschaft einen Wohnblock mit etwa 280 Einheiten und rund 5.800 Quadratmeter Gewerbeflächen bauen. Neben den geplanten 11 Obergeschossen sowie 2 Staffelgeschossen stehen den zukünftigen Nutzern etwa 128 Tiefgaragenplätze im Untergeschoss zur Verfügung. Die Entwurfsplanung wird von Eller + Eller Architekten ausgeführt, der Bau selbst von der Firma Strauss und Partner aus Österreich.
Die Wohnungen werden überwiegend als 2 bis 3 Zimmer-Wohnungen mit einer Größe von 40 - 70 Quadratmeter geplant. Die Gesamtkosten liegen nach bisherigen Aussagen bei rund 100 Millionen Euro. Die Nettokaltmiete beginnt bei 9 Euro/Quadratmeter.
Für Sicherheit wäre ebenfalls gesorgt: Das Haus steht direkt neben der Polizeidirektion 3.
Wer hier zuständig ist, sieht man auf den ersten Blick: Der Schriftzug der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) prangt groß über dem ehemaligen "Haus der Elektroindustrie". Die TLG besitzt mit Abstand die meisten Grundstücke rund um den Alexanderplatz und hat bereits einige Bauprojekte umgesetzt - die ambitioniertesten davon allerdings nicht.
Das Haus der Elektroindustrie (heute "Alex 6") wollte Hans Kollhoff laut seinem Masterplan eigentlich abreißen. Stattdessen sollten hier zwei Hochhäuser entstehen. Investoren fanden sich dafür bisher allerdings nicht. Die TLG sanierte das Gebäude Ende der 90er Jahre für 60 Millionen Euro. Später erneuerte der Architekt Sergei Tchoban die Fassade und verzierte sie mit Textauszügen aus Alfred Döblins Meiterwerk "Berlin Alexanderplatz".
Umgesetzt hat die TLG zwei kleinere Projekte: das Kino "Cubix" neben dem Fernsehturm und den Neubau eines Hotels auf dem Gelände eines alten Bürogebäudes in der Karl-Liebknecht-Straße, schräg gegenüber vom Verlagshaus der "Berliner Zeitung". Ebenfalls abgeschlossen ist die Sanierung des Bürogebäudes an der Karl-Liebknecht-Straße.
Das Verlagsgebäude der "Berliner Zeitung" wird wohl so bald nicht verändert, dabei ist auch hier ein 150-Meter-Hochhaus geplant. Der Besitzer "Gruner & Jahr" hat jedoch laut Senatsverwaltung bisher kein Interesse an Umbauarbeiten gezeigt.
Direkt daneben steht ein Plattenbau der von der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) verwaltet wird. Das graue Gebäude gilt seit ein paar Jahren als innerstädtischer Problemfall. Die Probleme mit Drogenjunkies waren zuletzt so schlimm, dass ein privater Wachschutz eingestellt werden musste. Die WBM denkt schon seit einer Weile über eine Sanierung des Hauses nach - denn zumindest von der Lage her gehört diese Adresse zu den besten in der Hauptstadt.
Die Entwicklung dieses Projekts lässt sich recht kurz zusammenfassen: Es kommt nicht.
Jedenfalls nicht so, wie ursprünglich geplant. 2008 erhielt der damalige Investor Batalla die Baugenehmigung, das Architektenbüro schneider + schumacher legte einen Entwurf vor: "Hotel Barcelona" sollte der Bau heißen, ein modernes Schmuckstück mit 19 Stockwerken und 478 Zimmern.
Bei der Umsetzung erwies sich jedoch die direkt darunter verlaufende U-Bahn als großes Hindernis. Der Investor sprang ab, laut Senatsverwaltung liegen die Pläne nun auf Eis. Aus dem Architekturbüro schneider + schumacher erfuhr rbb-online, dass das Projekt "tot" sei.
Ursprünglich stand hier das Gesundheitsministerium der DDR. Es wurde 2008 abgerissen.
An der recht eigentümlichen Architektur des "Alexa"-Einkaufszentrums scheiden sich die Geister. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit beschwerte sich offen über die Fassade und Hans Kollhoff bezeichnete das langgestreckte Gebäude neben den S-Bahn-Gleisen gar als "Monstrum".
Wenigstens zwei Personen, mit denen sich die Berliner nicht um den Wohnraum streiten müssen, der unmittelbar hinter dem Alexa entstehen soll.
Direkt hinter dem Einkaufszentrum hat die degewo gleich drei Grundstücke zwischen Voltairestraße und Jannowitzbrücke erschlossen und für die Bebauung vorbereitet. Hier sind mehrere Wohnungs-, Hotel- und Einzelhandelsprojekte vorgesehen - in bis zu drei 65 Meter hohen Gebäuden direkt neben der S-Bahn-Trasse. Nachdem ein erster Investor abgesprungen war, engagiert sich nun eine Hamburger Familie.
Auch am Alexa selbst sind die Bauarbeiten vielleicht noch nicht abgeschlossen. Direkt neben dem Haupteingang ist ein weiteres Hochhaus geplant. Wann und ob es realisiert wird, ist jedoch noch unklar.
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