Winfried Weist war 25 Jahre alt im September 1964 Obwohl er bereits gemustert war, ging er nach dem Besuch von Martin Luther King zum Wehrkreiskommando, um den Dienst an der Waffe zu verweigern. Und da war noch etwas, was er nie vergessen wird.
Mein Vater war in der Baptistengemeinde und hatte einen direkten Draht zur Marienkirche. Und er wusste daher Bescheid.
Ich selbst war im Heinrich-Grüber-Haus bei der Evangelischen Verlagsanstalt und bekam dort mit, was da im Busche ist. Was das für ein Wochentag war? Hm, ich weiß nur, ich nahm mir frei beziehungsweise ich hatte frei.
Es war ja bis zuletzt unklar, ob das überhaupt zustande kommt. Und dann war ich hier. Wo ich gesessen habe? Hier in diesem Bereich, an der Seite, das Auto von Martin Luther King stand auf dem Marienkirchhof.
Ich und meine Frau wollten unbedingt einen Kontakt herstellen. Zu ihm. Aber Englisch, nein, Englisch konnten wir nicht. Bei uns in der Schule gab es nur noch Russisch. Einige Brocken Englisch verstand man.
Aber das eine, das eine weiß ich noch genau: Die Predigt wurde Satz für Satz übersetzt. Und als Schluss war, hat meine Frau versucht, noch ans Auto zu kommen.
Aber Martin Luther King wurde abgeschirmt. Man ließ sie nicht ran. Doch dann bekam er es mit. Er rief sie heran und gab ihr ein Autogramm. Das hier, hier auf dem Blatt. Das war ein DIN-A7-Zettel aus dem Verlag. Die Idee war während des Gottesdienstes entstanden. Naja, und später haben wir das öfter gezeigt, ganz stolz.
Wir kannten keine ganzen Texte von Martin Luther King, eher Gedanken von ihm, also die Idee des gewaltlosen Widerstands. Damals war immer "Kampf" so ein Stichwort. Wir aber, wir haben uns mit Gandhi beschäftigt, wie man gegen die Staatsgewalt ankommen kann. Das hat mich damals motiviert.
Am 7. September, wenige Tage vor dem Besuch von King, hatte die DDR das Gesetz über die Aufstellung von Baueinheiten beschlossen, eine Alternative zum bewaffneten Wehrdienst.
Die DDR war damit der einzige Ostblock-Staat. Ich war zwar schon gemustert, aber der Besuch hat mich dann motiviert, dass ich zum Wehrkreiskommando gegangen bin und gesagt habe: "Ich gehe nur ohne Waffe zum Wehrdienst." Die haben mir dann ein weißes Blatt Papier gegeben und gesagt: "Schreiben Sie es da drauf!" Und am Ende wurde ich dann gar nicht eingezogen.
Was fällt mir noch ein? Ja, ich erinnere mich, dass wir "We Shall Overcome" gesungen haben.
Eva-Christine Poeschel war 15 damals, 1964. Sie hatte Mark Twain gelesen und Haper Lees "Wer die Nachtigall stört". Sie wollte ihn unbedingt sehen: Martin Luther King. Darum war sie auch pünktlich an der Marienkirche. Doch dann musste sie doch wieder los...
Hannelore Weist war 24, als er kam: Martin Luther King. Begeistert war sie vor allem von Kings Idee der Gewaltlosigkeit. Und als er dann in der Marienkirche sprach, wollte sie möglichst dicht an den Baptistenpfarrer aus Amerika heran.
"Ich weiß noch: Er kam nicht durch den Haupteingang." Irmtraut Streit war 21 Jahre alt, als Martin Luther King in die Kirche am Alex kam. Sie und ihre Familie gehörten zur Baptistengemeinde und freuten sich darum auch ganz besonders auf den Baptistenpfarrer aus dem amerikanischen Süden.