Opposition spricht von Wahlkampfgeschenk
Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin plant, an allen Grundschulen das Mittagessen kostenlos zu machen, um vor allem einkommensschwache Eltern zu entlasten. Die Opposition hält das für teuren Stimmenfang und warnt vor sinkender Qualität. Von Christoph Reinhardt
"There ain't no such thing as a free lunch" sagt man auf Amerikanisch, wenn man sagen will: "Nichts ist umsonst" oder auch "irgendwo muss ein Haken ja sein". Der rot-rot-grüne Senat will in Berlin ausgerechnet das einführen: ein Gratismittagessen für alle Grundschüler. Kein Wunder, dass die Opposition am Donnerstag den Gesetzentwurf im Abgeordnetenhaus äußerst misstrauisch beäugt hat.
In der Sprache des Gesetzes klingt das Vorhaben eher spröde: "Alle Schülerinnen und Schüler der Primarschule erhalten ein kostenbeteiligungsfreies Mittagessen." Die Sprecherinnen der Koalition nennen es lieber einen "historischen Moment" oder ein "großartiges Signal".
Die innenpolitische Sprecherin der SPD, Maja Lasic, will den Plan vom kostenlosen Mittagessen nach der Abschaffung von Hortgebühren, der Lernmittelfreiheit und dem kostenlosen Schülerticket gar in einem noch größeren Zusammenhang sehen: "In keinem anderen Bereich wird es so deutlich wie in diesem: Wir entlasten Berlin."
Für die CDU-Bildungspolitikerin Hildegard Bentele ist das kostenlose Schulessen dagegen grundfalsch. Das Geld aus dem Schuletat werde für Pädagogen fehlen und die Qualität werde sinken, sobald die Eltern nicht mehr in die Auswahl der Caterer eingebunden werden. Das kostenlose Mittagessen sei in Wirklichkeit Stimmenkauf. "Nichts anders ist das: Warmes Mittagessen gegen Stimme. Kostenloses, leckeres Mittagessen von rot-rot-grün."
So sieht es auch AfD-Schulexperte Stefan Franz Kerker. Laut seiner Analyse verzichte der vorgelegte Gesetzentwurf auf jegliche Begründung. Das sei außergewöhnlich. "Aber wenn sie so erfolgt, kann man davon ausgehen, dass Wahlen anstehen." Und in der Tat könne das Wahljahr 2019 als Superwahljahr bezeichnet werden, so Kerker.
Das wollte die Koalition so aber nicht stehen lassen. Regina Kittler, Bildungsexpertin der Linken, rückte vor allem die Armen in Bezug auf ein kostenloses Mittagessen in den Fokus: "Das bekämpft Kinderarmut. Jedes Dritte Kind in Berlin lebt von Hartz IV." Zudem beseitige es auch jede demütigende Bittstellerposition.
Die SPD rechnete vor, dass eine Familie mit zwei Grundschülern und 35.000 Euro Jahreseinkommen ohne staatliche Entlastungen rund zehn Prozent vom Netto für die Schule ausgeben müsste. Angesichts steigender Mieten sei Entlastung dringend nötig.
Dieses Argument brachte den FDP-Mann Paul Fresdorf in Rage. Das Scheitern der Mietenpolitik mit kostenlosem Schulessen kompensieren zu wollen, sei einfach nur traurig: "Wenn es mit Ihrer ideologischen Brille wichtig ist, es kostenlos zu machen, machen Sie es. Aber machen Sie es verdammt nochmal ordentlich". Der Gesetzentwurf wird jetzt in den Fachausschüssen beraten und soll noch in diesem Sommer in Kraft treten.
Beitrag von Christoph Reinhardt
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