Schlechte Internetanschlüsse
Ganze 257 Millionen Euro stellt der Digitalpakt Berliner Schulen für die dringend notwendige digitale Auf- und Ausrüstung zur Verfügung. Doch die Bilanz zeigt: Die bisher erreichten Fortschritte sind winzig. Von Christoph Reinhardt und Götz Gringmuth-Dallmer
Hybridunterricht als Alternative zur Quarantäne ganzer Lerngruppen oder gar einem neuen Komplett-Lockdown – das wünschen sich viele Berliner Schulen. Im Rahmen der Pandemiebekämpfung könnte er zudem erheblich zur Kontaktbeschränkung beitragen. Aber die Auswertung neuester Zahlen zu Schul-Digitalisierung in Berlin zeigt: Echter Hybridunterricht, bei dem ein Teil der Klasse mit den Lehrerinnen und Lehrern in der Schule bleibt, und der andere Teil per Livestream von Zuhause aus mitdiskutieren und Fragen stellen kann, ist technisch nach wie vor unmöglich. Ein Internetanschluss mit ausreichender Bandbreite ist praktisch in keiner allgemeinbildenden Schule vorhanden, ergibt die Abfrage der Schulverwaltung in den Bezirken. Zudem fehlen mobile Endgeräte für Schüler und Lehkräfte.
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Zwar melden rund 90 Prozent der Schulen, über einen Internetanschluss zu verfügen. Der führt in der Regel aber nur ins Schulsekretariat und entspricht in gut Zweidrittel der Fälle kaum den sehr bescheidenen Ansprüchen von Privathaushalten (DSL bis 50 MBit/s). Zeitgemäße Glasfaseranschlüsse haben in Berlin nur 41 berufliche Schulen, von den allgemeinbildenden Schulen nur eine einzige.
Kurios: Die Grundschule in Zehlendorf verfügt laut Schulverwaltung zwar über Glasfaser, aber weder über eine LAN-Verkabelung noch ein einziges mobiles digitales Endgerät. Selbst das vergleichsweise schnelle Internet an 34 Spandauer Schulen auf Basis von TV-Kabelanschlüssen (mit Download bis zu 1000 bzw. 500 MBit/s) genügt den Anforderungen nicht. Denn der für Hybridunterricht wichtigere Upload liegt bei der verwendeten Technik bei maximal 50 MBit/s.
Am Geld scheitert die Digitalisierung nicht. Schon 2018 hatten Bund und Länder ein beispielloses Förderprogramm für die Digitalisierung der Schulen auf den Weg gebracht. 257 Millionen Euro aus dem DigitalPakt Schule stehen dem Land Berlin bis einschließlich 2024 zur Verfügung für den Aus- und Aufbau der digitalen IT-Infrastruktur in den Schulen. Aber bis zum Corona-Ausbruch war nur ein Bruchteil der Fördermittel abgerufen worden. Auf die Anfrage des CDU-Abgeordneten Mario Czaja eine Woche nach dem Lockdown im März antwortete die Schulverwaltung. Fazit: Investiert worden war bis dahin fast gar nichts. Die deutliche Mehrheit der gut 650 öffentlichen Schulen, für deren Infrastruktur die Bezirke verantwortlich sind, hatte nicht einmal Anträge gestellt.
Rund drei Millionen Euro hatten die Schulen angemeldet, vor allem für neue Server, LAN-Verkabelung, ein paar Drucker und Smartboards. Die Erklärung der Schulverwaltung, warum nur etwas mehr als ein Prozent des Fördervolumens abgerufen worden war: Die wenigsten Schulen hätten das vorgeschriebene Medienkonzept vorgelegt. Dies solle nun aber schnell anders werden, versprach die Verwaltung. Der Plan: Die Schulen und Bezirke sollten mehr Unterstützung durch IT-Experten bekommen.
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Im Oktober fragte Czaja erneut nach, wie es den Schulen in den einzelnen Bezirken ergangen ist. Bei der Auswertung der neuen Daten zu 646 Schulen zeigen sich zwar Fortschritte – aber auf einem immer noch extrem niedrigen Niveau: Im Vergleich zum März haben immerhin über 90 Prozent der Schulen ein Medienkonzept vorgelegt. Auch haben die bewilligten Maßnahmen inzwischen ein Volumen von neun Millionen Euro erreicht. Das ist ein großer Fortschritt im Vergleich zum März – aber gerade einmal dreieinhalb Prozent des Gesamtvolumens von 257 Millionen Euro. Allein zwei Millionen Euro davon sollen für den Ausbau der LAN-Verkabelung in Schulgebäuden fließen. Die dafür fälligen Beträge erreichen pro Schule schnell sechsstellige Höhe – das John-Lennon-Gymnasium in Mitte investiert etwa fast eine Viertelmillion Euro für das neue Netzwerk.
"LAN fertig" meldet gerade einmal jede 30. Berliner Schule. Etwa 200 weitere Schulen wollen bis spätestens 2024 ihre Räume verkabeln. Ob die anderen Schulen kein Interesse haben, geht aus den Daten der Verwaltung nicht hervor oder steht nicht fest: In den allermeisten Fällen steht eine genaue Analyse des Bedarfs noch aus. Auch für die Einbindung der mobilen digitalen Endgeräte (vor allem Notebooks und Tablets) mit drahtlosem WLAN muss eine Grundverkabelung vorhanden sein.
Hatten bis zum Lockdown nur ganz wenige Schulen überhaupt eine nennenswerte Anzahl von solchen Geräten im Angebot, zeigt die neue Abfrage nun gewisse Fortschritte. Rund 15.600 Notebooks und 6.900 Tablets melden die Schulen vor den Herbstferien. Rund 10.000 Geräte hatte die Schulverwaltung vor den Sommerferien für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf angeschafft und gut 41.000 weitere versprochen. Gestern verkündete die Bildungsverwaltung, dass diese jetzt nach und nach ausgegeben werden sollen.
Trotzdem wären die allermeisten Schülerinnen und Schüler beim Distanzunterricht nach wie vor von Privatgeräten abhängig. Im Vergleich zu den inzwischen angeschafften Geräten liegt der eigentliche Bedarf um Größenordnungen höher. Bezieht man die Berufsschulen und die Schulen freier Trägerschaft ein, gibt es in Berlin rund 450.000 Schülerinnen und Schüler sowie 33.000 Lehrerinnen und Lehrer.
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Beitrag von Christoph Reinhard und Götz Gringmuth-Dallmer
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