Interview | Erk Acarer
Der im Berliner Exil lebende türkische Journalist Erk Acarer ist von unbekannten Männern angegriffen und verletzt worden. Er glaubt: Der Befehl kam aus Ankara. Im Interview fordert Acarer die Bundesregierung zu einem entschlossenen Handeln auf.
Seit der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die Türkei mit harter Hand führt, setzen sich Regierungskritiker vermehrt ins Ausland ab. Besonders Berlin ist in den vergangenen fünf Jahren zu einem Exil für türkische Journalistinnen und Journalisten geworden. Doch das Gefühl von Schutz und Sicherheit ist plötzlich weg. Das spürt nun auch der Journalist Erk Acarer.
Der im Berliner Exil lebende Acarer wurde am Mittwochabend nahe seiner Wohnung in Neukölln von drei Männern angegriffen und verletzt. Zahlreiche Journalisten und Politiker reagierten auf den Vorfall und erklärten sich solidarisch mit dem 48-Jährigen. Am Abend fand zudem eine Demo am Kottbusser Tor mit rund 200 Menschen statt.
Acarer kennt nach eigenen Angaben die Angreifer nicht. Doch sei für ihn klar, dass der Auftrag aus Ankara kam, sagt der Journalist im Gespräch mit rbb|24.
rbb|24: Herr Acarer, wie hat sich der Angriff zugetragen?
Erk Acarer: Es standen drei beauftragte Schläger vor mir. Erst redeten sie mit mir, dann schlugen sie mich. Einer der Männer schrie: 'Du wirst nicht mehr schreiben!'
Auf Twitter erklärten Sie, dass die Angreifer bewaffnet waren.
Ja, die Männer hatten eine Hand immer an ihren Hüften. Sie trugen irgendetwas bei sich. Ich meine, ich hätte eine Schusswaffe gesehen, genau sagen kann ich das aber nicht. Meine Frau glaubt, es war ein Messer.
Hatten Sie die Angreifer vorher schon einmal in Berlin gesehen?
Nein, noch nie.
Sie wurden ins Krankenhaus gebracht. Welche Verletzungen haben Sie erlitten?
Ich wurde am Kopf verletzt. Einige Stellen sind noch geschwollen. Erst wurde befürchtet, ich könnte einen Bruch davongetragen haben. Dass nichts Schlimmeres passiert ist, habe ich der Nachbarschaft zu verdanken. Es wurde viel geschrien, durch die vielen Zeugen gerieten die Angreifer in Panik.
Sie sagen, Sie gehen davon aus, dass es "drei beauftragte Schläger" waren. Wer steckt denn ihrer Meinung nach dahinter?
Für mich ist klar, dass die türkische AKP/MHP-Regierung dahintersteckt. Sie werden dafür eine der für sie in Deutschland tätigen Gruppen aktiviert haben.
Sie meinen die Regierungspartei AKP von Präsident Erdogan und die mit ihr de facto koalierende rechtsnationale MHP - über die Sie immer wieder kritisch berichteten.
Genau. Sie müssen ja nur meine veröffentlichten Texte der letzten Wochen lesen, um zu verstehen, warum die es auf mich abgesehen haben.
Sie gehen also von einem konkreten Befehl aus Ankara aus?
Es war jedenfalls ein organisierter Angriff gegen mich. Die Täter haben mich nicht irgendwo aufgegriffen, sondern im Gartenbereich des Gebäudes, in dem ich lebe.
Sind Sie in letzter Zeit vermehrt bedroht worden?
Vor zwei Monaten hat mich der türkische Innenminister Süleyman Soylu (AKP) auf Twitter beleidigt. Ein anderes AKP-Mitglied schrieb, man müsste mir Hundegift verabreichen.
Sie kamen 2017 aus der Türkei nach Berlin, um aus dem Exil heraus als Journalist weiterzuarbeiten. Oft wird über den sogenannten langen Arm Ankaras gesprochen, der bis nach Berlin reiche. Fühlen Sie sich nach dem Angriff hier noch sicher?
Meine Familie und ich stehen inzwischen unter Polizeischutz. Dass ich das hier in Berlin aber nun erlebt habe, hat mich sehr überrascht. Mir wurde gesagt, dass die deutschen Sicherheitsbehörden fähig sind und uns beschützen würden. Ich bin nun ziemlich enttäuscht, das muss ich zugeben.
Der Vorfall zeigt, dass wir hier endgültig den Punkt erreicht haben, an dem jeder die Sache ernst nehmen muss. Nun muss sich auch die Bundesregierung einschalten und entsprechend handeln.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Hasan Gökkaya auf Türkisch
Sendung: Inforadio, 08.07.2021, 18:00 Uhr
Beitrag von Hasan Gökkaya
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