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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 28.10.2022 | Andreas Hewel | Quelle: imago images/KH)

Verschuldet durch die Krise

Ruhe vor dem Sturm in der Brandenburger Landeskasse

Mit einem Hilfspaket will die Brandenburger Landesregierung Unternehmen und Bürger:innen helfen, die Folgen der Inflation und der hohen Energiepreise abzufedern. Zwei Milliarden Euro will das Land dafür bereitstellen - Geld, das es nicht hat. Von Andreas Hewel

Eigentlich hätte es das alles gar nicht mehr geben dürfen. Ein Ende des Schuldenmachens hatte die EU ihren Mitgliedsstaaten verordnet. Brandenburg hat dieses Gebot gar in seine Verfassung aufgenommen. Seit 2020 darf nur in Notsituationen eine Ausnahme gemacht werden.

Das Jahr 2020 aber war genau der Beginn der Ausnahmen, der Notsituationen. Erst kam die Corona-Pandemie, die weitgehende Lockdowns zur Folge hatte und massive Umsatzeinbrüche bei Unternehmen. Teure Rettungsschirme mussten finanziert werden. Jetzt treiben die Auswirkungen des Überfalls Russlands auf die Ukraine die Preise nach oben und drücken die wirtschaftlichen Aussichten.

Inflation

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Entlastungspakte sollen helfen

Für den Bund wie für Brandenburg heißt das, wieder mit massiven Finanzmitteln gegensteuern zu müssen. 95 Milliarden Euro hat der Bund allein für seine ersten drei Entlastungspakete veranschlagt. Und um die explodierenden Energiepreise für die Bürgerinnen und Bürger irgendwie in den Griff zu bekommen, werden noch einmal 200 Milliarden Euro bereitgestellt. Und - nicht zu vergessen - auch die Bundeswehr soll in den kommenden Jahren 100 Milliarden Euro zusätzlich bekommen. Zusammen überschreiten allein diese Beträge die Dimension eines gesamten normalen Bundeshaushalts. Zusätzliche Kosten wohlgemerkt. Das kann nur mit zusätzlichen Schulden finanziert werden, wie auch immer diese genannt werden.

Schulden auf Rekordniveau

Die Ausgangslage heute aber ist schon schwer belastet. Durch die Corona-Pandemie sind die Schulden schon jetzt auf einem Rekordniveau. Auf 2,48 Billionen Euro beliefen sich die Schulden des Bundes Ende 2021. Umgerechnet auf eine einzelne Person sind das rund 29.450 Euro. Und das sind nur die Schulden des Bundes. In Brandenburg haben sich die Landesschulden Ende 2021 auf 21,8 Milliarden Euro aufgetürmt. Auf jede Brandenburgerin und jeden Brandenburger kommen so knapp 8.600 Euro Schulden zusätzlich zu den Bundesschulden.

Noch aber herrscht in der Finanzkasse Brandenburgs die Ruhe vor dem Sturm. Denn Inflationsraten von zehn Prozent spülen auch mehr Geld in den Landeshaushalt. Wenn Lebensmittel und Energie teurer werden, muss dafür auch mehr Umsatzsteuer gezahlt werden. Noch Ende September rechnete Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) vor, dass dieser Effekt trotz aller Mehrbelastungen am Jahresende sogar zu einem Haushaltsüberschuss führen könnte von 175 Millionen Euro. "Aktuell sieht es so aus", sagt Lange dem rbb, "als würden wir in diesem Jahr mehr Steuereinnahmen haben als geplant." Das aber sind Zahlen, die wegen der Art, wie sie zustande kommen, der Finanzministerin keine Freude bereiten.

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Auch auf Bundesebene sorgt die Inflation im Bundeshaushalt erstmal für Entspannung. "Der Staat ist ein großer Gewinner dieser Krise, vor allem spezifisch der Inflation", moniert Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in rbb24 Brandenburg aktuell. "Dieses Geld sollte der Staat natürlich dann auch an die Menschen zurückgeben." Dass der Bund dies tut, begrüßt Fratzscher, das Gießkannenprinzip dabei aber hält er für falsch. "Menschen mit geringen oder mittleren Einkommen zielgenau entlasten", fordert er. "Das könnte der Bund beispielsweise über Einmalzahlungen machen." Immer geht es dabei um enorme Summen.

Zwei Milliarden Euro Neuverschuldung für 2023 geplant

Mit dem Haushaltsüberschuss wird es so auch in Brandenburg schnell vorbei sein. Denn das Land will selbst in einem sogenannten "Brandenburg-Paket" eigene Entlastungsfinanzierungen auf den Weg bringen. Bis zu zwei Milliarden Euro sollen dafür zur Verfügung gestellt werden. Ende des Jahres sollen diese in Form von Kreditermächtigungen vom Landtag genehmigt werden. Wie diese Milliarden finanziert werden sollen, ist auch klar. "Da wird es ohne neue Schulden nicht gehen", räumt die Finanzministerin im rbb ein.

Die Entlastungspakete aber sind für sie dringend notwendig. "Das Wichtigste ist, dass wir jetzt unsere Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger unterstützen, damit wir gut durch diese Krise kommen. Denn nur wenn wir gut durch diese Krise kommen, können wir auch in der Zukunft die Schulden wieder zurückzahlen."

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Landesrechnungshof mahnt zur Schuldendisziplin

Doch solche Summen lassen den Landesrechnungshof aufhorchen. In der Not Schulden zu machen, sei okay, aber nur dafür, mahnt der Präsident des Landesrechnungshofes, Christoph Weiser. "Nicht zulässig wäre eine Finanzierung von Maßnahmen, die auch ohne eine Krise realisiert werden sollten." Ein Schuss vor den Bug ist das. Offenbar fürchtet der Rechnungshofchef, dass das Geld schnell zu locker sitzen könnte, weil man es sich einfach leihen kann. Blankoschecks aber dürfe sich das Land nicht genehmigen.

Das aber dürfte kaum der Fall sein. Denn schon jetzt ist klar, dass mit der Inflation auch die Zinsen wieder steigen. Erst am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank angekündigt, den Leitzins erneut anzuheben auf 2,0 Prozent. Eine Reaktion auf die hohe Inflation. Das macht neue Schulden teurer. Bislang rechnet das Land damit, dass die Zinsen, die für die Schulden bezahlt werden müssen, von rund 248,2 Millionen Euro im Jahr 2021 deutlich steigen werden. 334,5 Millionen sind für 2026 eingeplant. Das aber reicht auch da nur, wenn die Gesamtschulden mehr oder weniger gleichbleiben. Eine kühne Annahme. Die geplante Neuverschuldung von zwei Milliarden im kommenden Jahr sind da noch nicht eingepreist.

Inflation frisst Sparguthaben und Geldvermögen auf

Die hohe Inflation macht zudem auch allen Sparerinnen und Sparern zu schaffen. Knapp 7,5 Billionen Euro als privates Geldvermögen haben die Menschen in der Bundesrepublik auf der hohen Kante. Das ist natürlich sehr unterschiedlich verteilt, im Osten ist es etwa halb so hoch wie im Westen. Statistisch gesehen liegt das Vermögen bundesweit bei 89.000 Euro pro Person.

Bei 10 Prozent Inflation verliert dieses Sparvermögen pro Jahr 8.900 Euro an Wert. Insgesamt wäre das ein Wertverlust am Sparvermögen von 750 Milliarden Euro in einem Jahr. Noch nimmt der Staat gerade durch die Inflation mehr Geld ein als geplant. Doch was hilft das, wenn das Geld dann weniger wert ist? Das ist dann nochmal eine ganz andere Rechnung.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 28.10.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas Hewel

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