SEZ in Berlin-Friedrichshain
Um kaum ein anderes Berliner Gebäude wird so ausdauernd gestritten wie um das Sport-und Erholungszentrum in Friedrichshain. Nun unterlag der Investor erneut vor Gericht. Dass das Gelände jetzt schnell zurück ans Land geht, steht aber noch nicht fest. Von Franziska Hoppen
Es ist ein Streit, der selbst für Berliner Verhältnisse lange dauert, erstaunlich viele Gerichtsinstanzen durchläuft und immer weitere Wirrungen produziert. "Ungewöhnlich" nennt ihn der Stadtentwicklungspolitik-Experte der Berliner FDP, Stefan Förster. Dabei sollte der Prachtbau, als Erich Honecker ihn 1981 eröffnete, DDR-Bürgern einfach nur Spaß bringen. Das Sport-und Erholungszentrum an der Landsberger Allee war ein Prestigeprojekt mit Wellenbad, Rollschuhlaufbahn und Bowlinganlage.
Heute lässt sich an ihm ablesen, wie sehr das wachsende Land und hungrige Investoren um jeden freien Millimeter ringen.
Hätte Finanzsenator Thilo Sarrazin, damals SPD, 2003 schon gewusst, dass Berlin ein rasanter Zuwachs und ein Immobilienboom bevorstünde, hätte er das SEZ-Gelände vielleicht nicht an einen sächsischen Investor verkauft – erst recht nicht für den Symbolwert von einem Euro. Aber das SEZ war dem Senat nun mal ein Klotz am Bein: geschlossen, verfallen und sanierungsbedürftig. Und immerhin verpflichtete der Kaufvertrag den Investor, in der Landsberger Allee 77 wieder ein Hallenbad zu eröffnen. Käme der Investor dem nicht nach, sollte Berlin das 5,6 Hektar große Gelände zurückkaufen können. Nur ließ der Kaufvertrag anscheinend Interpretationsspielraum zu, wie genau das Hallenbad auszusehen hatte. Und das führte Jahre später zu Streit.
Denn 2016 zog das Land Berlin vors Landgericht. Und verlor. Die Richter befanden, dass der Investor seinen vertraglichen Verpflichtungen durchaus entsprochen hatte. Auf sein Wiederkaufsrecht sollte Berlin außerdem verzichten. Das ließ das Land nicht auf sich sitzen und zog erneut vor Gericht. In einer 180-Grad-Wende gab ihm das Kammergericht im Sommer 2022 Recht. Demnach musste der Investor das SEZ-Gelände zurückgeben. Eigentlich. Er wandte sich an den Bundesgerichtshof.
"Wann eine Entscheidung des BGH vorliegt, lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Vermutlich nicht vor Sommer 2023", schreibt die Senatsverwaltung für Finanzen auf Nachfrage. Heißt also: So schnell werden keine Schlüssel übergeben. Wenn der BGH im Sommer entscheidet, sich des Falles anzunehmen, oder den Fall zurück ans Kammergericht zu überweisen, wird noch mehr Zeit vergehen. Und selbst wenn Berlin erneut Recht bekommt: Es gibt noch ein weiteres Problem, warnt Stefan Förster von der FDP.
2018 beschloss das Abgeordnetenhaus einen Bebauungsplan für das Gelände. Der B-Plan legt fest, was auf dem Gelände gebaut werden darf und was nicht. Der Investor, der das Grundstück immerhin für einen Euro praktisch geschenkt bekommen hatte, plante damals, das SEZ-Gebäude abzureißen und dort unter anderem auch Wohnungen zu bauen - und damit Geld zu verdienen. Das sollte der B-Plan verhindern. Aus einer parlamentarischen Anfrage des Linke-Abgeordneten Damiano Valgolio geht hervor, dass der B-Plan stattdessen den Bau von 500 teils auch geförderten Wohnungen und einer Grundschule auf dem Gelände ermöglicht, auch von einer Sporthalle. Konkrete Pläne für eine Schwimmhalle gibt es nicht.
Gegen den B-Plan zog der Investor vor das Oberverwaltungsgericht. Das Verfahren läuft noch. Aber auch für das Land Berlin könnte weiterer Zeitverzug entstehen, wenn sich etwa viele für eine stärkere sportliche Nutzung aussprechen, oder überhaupt für eine andere Nutzung - wenn also etwas gebaut werden soll, das der B-Plan nicht vorsieht. Dann müsste er noch einmal angepasst werden. „Das wird Geld und Zeit kosten“, sagt Stefan Förster.
Auch Damiano Valgolio von den Linken, Direktkandidat für den entsprechenden Friedrichshainer Wahlkreis, wünscht sich, dass auf dem SEZ-Gelände viel Sport getrieben wird. Denn gerade in Friedrichshain ist das Sportangebot mau. Geht es nach Valgolio, "sollten wir zuerst Rollschuh-, und Schlittschuh-Sport ermöglichen." Das wäre dann schnell möglich, wenn viele der alten Strukturen des SEZ erhalten wären und weitergenutzt werden könnten.
Doch zunächst bräuchte es eine Bestandsaufnahme, wie es um die alte Bausubstanz steht. Die kann das Land aber erst vornehmen, wenn das Grundstück ihm auch wirklich gehört – erst nach einer Entscheidung des BGH also. "Da kann das Land nix machen", so Valgolio. Der Abgeordnete, der selbst Jurist ist, geht seinen Worten zufolge jedoch nicht davon aus, dass der Bundesgerichtshof sich der Beschwerde des Investors annimmt. Der Streit um die Hallenbadgröße eines Berliner Sportzentrums sei eher kein Fall für ein Gericht, das sich sonst mit grundsätzlichen Rechtsfragen beschäftigt. Dann könnte Berlin schon nächsten Sommer das Bauwerk inspizieren.
Stefan Förster, der auch sportpolitischer Sprecher der FDP ist, wünscht sich zwar auch mehr Sportangebote auf dem SEZ-Gelände, vor allem für den Vereinssport. Er gehe aber nicht davon aus, dass das mit der alten Bausubstanz möglich ist, sagt er. "Die Kosten des Aufwands der Erhaltung stünden in keinem Verhältnis zum Ertrag", so Förster. Auch die Energie-Effizienz gebe ihm zu denken. Also doch die Abrissbirne? Noch ist all das noch nicht geklärt.
Klar ist wohl nur, dass der sächsische Investor sich das damals, 2003, alles anders vorgestellt hatte. Auch deshalb war er vor Kurzem vor das Landgericht gezogen. Der Investor hatte gegen fünf Personen geklagt, darunter die Geschäftsführerin der landeseigenen Berliner Immobilien-Management-Gesellschaft, die das SEZ verkaufte. Außerdem die frühere Staatssekretärin für Finanzen sowie zwei Anwälte des Landes Berlin. Der Investor beklagte Mietausfallschäden, beziehungsweise Baukostensteigerungen im Zuge eines geplanten Umbaus auf dem Gelände – Stichwort B-Plan. Das Gericht schmetterte seine KIage heute ab. Eine weitere Niederlage in dem Streit, in dem nun das Land Berlin vorerst vorne zu liegen scheint.
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.11.2022, 19:30 Uhr
Beitrag von Franziska Hoppen
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