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Video: rbb24 | 19.11.2022 | Katrin Neumann | Quelle: imago images/Markus Pichlmaier

Brandenburgs Bündnisgrüne vor dem Landesparteitag

Das fünfte Rad?

Seit knapp drei Jahren sind Brandenburgs Bündnisgrüne Teil der Kenia-Koalition. Es fällt ihnen nicht leicht, ein eigenes Profil in der Regierung zu entwickeln. Vor dem Landesparteitag lautet die Devise dennoch: Ruhig bleiben und weitermachen. Von Michael Schon

Vielleicht ist schon die Wahl des Tagungsortes ein Zeichen dafür, dass die Grünen mal wieder eher auf Harmonie als auf Krawall gebürstet sind: Die Stadthalle Falkensee liegt mitten in Brandenburgs grüner Hochburg. Gesundheitsministerin Nonnemacher hat dort ihren Wahlkreis. Sie fuhr bei der Landtagswahl ein Spitzenergebnis von über 20 Prozent ein. Gute Voraussetzungen also, um sich ein wenig am bündnisgrünen Lagerfeuer zu wärmen.

Das dürfte auch nötig sein. In der Landesregierung sehen sich die Grünen in dichter Taktung der eisigen Regierungswirklichkeit ausgesetzt. Ein paar Beispiele: Beim Bau neuer Radwege bleibt Brandenburg weit hinter den von der Koalition gesteckten Zielen zurück. Beim geplanten Ein- und Ausreisezentrum am Flughafen BER, aus Sicht der Grünen Jugend in Wirklichkeit ein "menschenfeindliches Abschiebzentrum", sieht sich die Regierungspartei genötigt, mit staatstragendem Schulterzucken auf die Koalitionsdisziplin zu verweisen. Eine grüne Verkehrswende, vorangetrieben von einer Volksinitiative, beißt im CDU-geführten Verkehrsministerium auf Granit.

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Regieren kann sehr kräftezehrend sein

Doch ein grüner Aufschrei ist nicht vernehmbar. Nur eine zahme Bitte: Der Verkehrsminister möge doch den Gesprächsfaden zum Thema nicht abreißen lassen.

Überhaupt die CDU: Deren Fraktionschef Jan Redmann provoziert seine grünen Counterparts gerne mal zum öffentlichen Augenrollen – vor laufenden Kameras. In solchen Augenblicken scheint sich ein Fenster zu öffnen, das einen Blick auf die Betriebstemperatur im Maschinenraum der Rot-Schwarz-Grünen Koalition ermöglicht. Regieren kann sehr kräftezehrend sein.

Vor diesem Hintergrund scheint sich an der grünen Basis die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass Parteiführung und Koalitionäre nun nicht auch noch Druck von unten brauchen. Das Antragsheft für den Parteitag ist zwar dick – Streit scheint aber nicht einmal die Grüne Jugend zu suchen, die sich außerhalb der eigenen vier Parteiwände mit Kritik nicht zurückhält.

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Zauberformel für alle Kröten

"Enttäuschend" sei es, dass sich Bündnis 90/Die Grünen beim Streit um das Ein- und Ausreisezentrum am BER nicht "für ihre vermeintlichen Werte" einsetzten. Man sei im Gegenteil sogar "solidarisch mit Profitinteressen und offen gegenüber menschenverachtenden Abschiebemethoden", erklärte der Partei-Jugendverband jüngst. Der entsprechende Antrag der Parteijugend fällt aber überraschend zahm aus: Fraktion und Regierung sollen "alle ihnen zur Verfügung stehenden" Mittel nutzen, um das Projekt zu stoppen.

Welche Mittel zur Verfügung stehen – das ist dehnbar. Mit dem Koalitionsbruch zu drohen jedenfalls nicht, sagt Tammo Westphal, Sprecher der Grünen Jugend Brandenburg: "Wir wollen mit dem Antrag ein klares Zeichen gegen Abschiebung setzen, aber die ganze Partei mitnehmen." Das meint Minister in Regierungsverantwortung und Abgeordnete in Koalitionsdisziplin und ist offenbar die Zauberformel für alle Kröten, die die Grünen bereit zu schlucken sind. Außerdem dürfe man die Erfolge nicht aus dem Blick verlieren, so Westphal: Klimaplan, Coronapolitik und Lastenradprämie gehören aus seiner Sicht dazu.

"Unser Krisenmodus: Solidarität"

So bleibt es für alle kuschelig am grünen Lagerfeuer. Die ohnehin geringe Motivation der Parteioberen, den Aufstand in der Koalition zu proben, dürfte das nicht unbedingt anheizen.

Der Titel des Leitantrags passt denn auch ein wenig auch zur Lage der Partei: "Unser Krisenmodus: Solidarität". Das ist natürlich anders gemeint, inhaltlich: Die Grünen fordern mehr Unterstützung für Geflüchtete – und zwar im gleichen Maße für Personen aus der Ukraine wie aus anderen Teilen der Welt. Hilfen für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, die anders nicht durch die Energiekrise kommen. Für sie soll Geld aus dem geplanten Zwei-Milliarden-Paket der Landesregierung zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel in Form von Direktzahlungen an Empfänger von Transferleistungen, Familien, Auszubildende, Rentner und Studierende.

Das 49-Euro-Ticket soll so subventioniert werden, dass daraus ein 29-Euro-Ticket wird. Und natürlich Klimaschutz: Mehr Stellen in Genehmigungsbehörden sollen dafür sorgen, dass der Ausbau von Wind- und Solarenergie beschleunigt wird. Was sich in der Regierung nicht umsetzen ließe, werde eben Thema für den nächsten Wahlkampf, heißt es pragmatisch.

Mollig-warmer Parteitag-Samstag

Die Parteivorsitzende Julia Schmidt rechnet deshalb auch mit guter Stimmung. "Wir merken, dass wir den Schritt von der Opposition in die Regierung geschafft haben. Wir merken, dass wir einen riesigen Unterschied in der Koalition machen", sagt sie. Ob SPD und CDU das auch so sagen würden, muss an dieser Stelle offen bleiben. Das fünfte Rad am Wagen der Koalition – diesen Schuh will sich Schmidt jedoch keinesfalls anziehen. Sie besteht darauf, dass die Politik der Landesregierung eine deutlich grüne Handschrift trägt.

Öffentlicher Widerspruch dagegen ist nicht zu erwarten. Die Parteispitze rechnet mit einem mollig-warmen Parteitag-Samstag. Danach geht es wieder raus in die Welt. Bekanntlich ist dort gerade Frost angesagt.

Sendung: rbb24, 19.11.2022, 21:45 Uhr

Beitrag von Michael Schon

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