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Audio: rbb24 Inforadio | 09.12.2022 | Sebastian Schöbel | Quelle: imago images/S.Steinach

Entwurf eines Zwischenberichts

Expertenkommission hält Vergesellschaftung von Grundstücken für rechtlich möglich

Aus der Expertenkommission zur Umsetzung des Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" ist der Entwurf eines Zwischenberichts nach außen gedrungen, der den Befürwortern Vorschub geben dürfte. Noch sind aber viele Fragen offen.

Eine Vergesellschaftung von Wohnraum in Berlin könnte rechtlich möglich sein. Das geht aus dem Entwurf eines Zwischenberichts der Expertenkommission zur Umsetzung des Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" hervor. Das Papier liegt dem rbb vor.

Allerdings erklärte die Kommission in Reaktion auf die Veröffentlichung dieses Papiers, es handle sich dabei lediglich um "Auszüge eines Vorentwurfs", der von der Kommission in keiner Weise legitimiert sei. Der offizielle Zwischenbericht soll am kommenden Donnerstag vorgestellt werden.

Noch keine finalen Schlüsse

Auftrag der Experten ist es, die rechtlichen Voraussetzungen für Vergesellschaftungen abzuwägen. In diesen nun dem rbb vorliegenden Papieren ziehen sie keine finalen Schlüsse. Die Expertenkommission soll voraussichtlich noch bis kommenden Sommer tagen und - wie aus dem Entwurf hervorgeht - sind bis dahin noch viele Fragen offen.

Zusammengesetzt wurde die Kommission von den Senatsparteien als Antwort auf den erfolgreichen Volksentscheid der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen". Die meisten der 13 Rechtsexperten lehren an Universitäten, auch ein Bundesverfassungsrichter ist dabei. Über den Entwurf des Zwischenberichtes hatte zuerst die "Berliner Morgenpost" berichtet. Nun wird darüber spekuliert, wie das Dokument an die Öffentlichkeit gelangte. Zuvor hatte die Initiative mehrfach Kritik an der Kommission geübt wegen mangelnder Transparenz.

Rückenwind für Befürworter von Vergesellschaftung

Klar ist, dass der Entwurf den Befürwortern von Vergesellschaftungen Rückenwind geben dürfte, allen voran den Berliner Linken kurz vor ihrem Parteitag am Freitag. Die Spitze der SPD, die CDU und die FDP hingegen sind gegen Vergesellschaftungen von Immobilienkonzernen. Auch ihnen könnte der Leak dienen, um weiter gegen das Vorhaben zu mobilisieren.

CDU und FDP äußern Kritik

Aus der Opposition im Beriner Abgeordnetenhaus kamen kritische Reaktionen. "Berlins Wohnungsproblem lässt sich nicht mit Enteignungen lösen, sondern mit Mieterschutz und Neubau", sagte der Sprecher für Bauen und Wohnen der Berliner CDU-Fraktion, Dirk Stettnert. Jeder wisse, dass die Milliardenkosten nicht darstellbar seien - erst recht nicht in Zeiten von Energiekrise und Inflation. "Selbst wenn diese Enteignungsfantasien irgendwie bezahlbar und rechtens wären, würden die Mieten nicht sinken sondern weiter steigen", ergänzte Stettner: "Diese ganze Diskussion ist kein Mieterschutz sondern Mietertäuschung." Giffey müsse endlich einen Schlussstrich ziehen, forderte der CDU-Politiker. Enteignung schaffe keine neuen Wohnungen.

Auch Björn Jotzo, Sprecher für Stadtentwicklung und Mieten der FDP-Fraktion, äußerte Kritik: Zentrale Versprechen der Initiatoren hätten sich als Luftschlösser erwiesen. "Es wird weder eine Senkung von Mieten geben, noch ist eine Finanzierung zu Nahe-Nullzinsen möglich", ergänzte der FDP-Politiker. "Unabhängig davon wäre es desaströs für den Berliner Wohnungsmarkt, zweistellige Milliardenbeträge für den Rückkauf maroder Bestände zu verschwenden, deren Mieten ohnehin zu den niedrigsten in der Stadt gehören."

Im Detail argumentieren die Rechtsexperten, dass die Vergesellschaftung von Grund und Boden der sogenannten "konkurrierenden Gesetzgebung" unterliegt. Das heißt Länder, in dem Fall Berlin, können ein Gesetz zur Vergesellschaftung verabschieden, solange der Bund nicht von seiner eigenen Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Aus Sicht der Experten hat der Bund das bislang nicht getan. Auch die Mietpreisbremse reiche nicht aus, um zu argumentieren, dass der Bund bereits aktiv geworden ist, um steigende Mieten einzudämmen.

"Kein Plan für Zeit nach Abstimmung"

"Deutsche Wohnen & Co. enteignen" zeigt sich ein Jahr nach Volksentscheid enttäuscht

Nach dem Ja der Berliner für ihre Pläne hat sich bei den Organisatoren der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" Ernüchterung breitgemacht. In einer Kommission wird zäh um Details gerungen, die Initiative sieht aber auch eigene Fehler.

Viele strittige Punkte

Die Kommission argumentiert mit Artikel 15 des Grundgesetzes. Demnach ist es möglich, Grund und Boden zu vergesellschaften, wenn gleichzeitig eine Entschädigung geregelt wird und Grund und Boden in Gemeineigentum umgewandelt werden. Einige der Experten berufen sich darüber hinaus auf Artikel 20 des Grundgesetzes, wonach der Staat eine gewisse Verantwortung hat, sozial zu handeln.

Allerdings geht aus dem Entwurf auch hervor, dass die Experten sich längst nicht bei allen Punkten einig sind. So gibt es etwa unterschiedliche Ansichten, wie genau die Höhe der Entschädigung für Immobilienkonzerne festgelegt werden sollte. Die Frage sei noch "recht offen". Klar sei lediglich, dass das Land Berlin nicht zwingend den Preis auf dem freien Markt zahlen müsse.

Frage der Verhältnismäßigkeit

Offen ist vor allem auch die Frage, ob die Berliner Verfassung die Ermächtigung nach Artikel 15 des Grundgesetzes überhaupt nutzen kann. Laut Entwurf vertritt ein Mitglied der Kommission nämlich die Auffassung, dass die Berliner Verfassung entsprechende Eingriffe nicht vorsehe und damit Vergesellschaftungen ausschließe. Andere Kommissionsmitglieder sehen das Gegenteil als erwiesen. Hier besteht also noch Diskussionsbedarf.

Die Experten mahnen zudem an, dass sich die Unternehmen selbst wohl nicht aufs Grundgesetz berufen könnten: Ihr Recht, Geschäfte mit Immobilie zu machen, sei nicht wichtiger als das Recht des Staates, Grundstücke fürs Allgemeinwohl zu sichern. Allerdings müsse wohl geprüft werden, ob der Eingriff verhältnismäßig ist – und auch da gibt es durchaus wieder Differenzen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 9.12.2022, 6:00 Uhr

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