Kommentar | Warnung vor vorzeitigem Braunkohleausstieg
Die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen haben in einem Brief an Bundeskanzler Scholz vor einem vorzeitigen Aus der Braunkohle gewarnt. Ihre Befürchtungen gehen in die falsche Richtung, kommentiert Torsten Mandalka.
In einem gibt es für Klimawissenschaftler und vom Klimawandel Betroffene keine zwei Meinungen: Jede Tonne fossiler Energiequellen, die nicht gefördert wird, ist ein Gewinn. Der Brief der Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, Reiner Haseloff und Michael Kretschmer an Bundeskanzler Olaf Scholz ist vor diesem Hintergrund ein Schuss in den Ofen.
Er ist Ausdruck von Kurzsichtigkeit, regionalem Tunnelblick und einer Ängstlichkeit, die ihre Länder nur weiter in die Krise führen wird. Aus dem Brief wird deutlich: Die Herren ahnen sehr genau, dass die Braunkohleindustrien ihrer Länder dem Druck, den die grün geführten Berliner Klimaschutz- und Umweltministerien angeblich machen, nachgeben werden. Wahrscheinlich eher heute als morgen.
Die Braunkohleförderer LEAG, MIBRAG und Co werden nämlich nach streng betriebswirtschaftlichen, gewinnorientierten Kriterien entscheiden, welche Schwerpunkte sie in Zukunft setzen. Und wenn es sich für sie lohnt, schon früher als 2038 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen, dann werden sie einem entsprechenden Deal mit der Bundesregierung zustimmen.
Die RWE hat das in Nordrhein-Westfalen bereits getan. Ihrem Aktienkurs hat das erkennbar nicht geschadet. Auch die LEAG orientiert sich längst auf die Zukunftstechnologien der Energieerzeugung: auf die Erneuerbaren. Man kann das Druck nennen, wie die Ministerpräsidenten, man kann es aber auch als ökonomische Vernunft und halbwegs verantwortungsvolle Klimapolitik betrachten.
Wenn die Ministerpräsidenten in ihrem Brief an den Bundeskanzler nun die Verdienste der Braunkohleindustrie in der Vergangenheit hervorheben, ist das eine sehr einseitige Betrachtung. Ja, sie hat den Menschen in den Braunkohleregionen ihre Jobs und damit die Lebensgrundlage gesichert.
Aber sie hat auch - wie keine andere Industrie - zur krisenhaften Entwicklung des Klimawandels beigetragen. Weswegen jetzt die Menschen - auch und gerade in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen - unter der Dürre leiden, im Sommer verzweifelt gegen Waldbrände kämpfen und vom Hitzetod bedroht sind - die aktuelle Statistik zur Übersterblichkeit in den heißen Sommermonaten des Jahres 2022 steht noch aus. Von den Folgen der Klimakrise in anderen Teilen der Welt müssten wir hier eigentlich auch noch sprechen.
Das zentrale Argument der Briefeschreiber ist, dass auch mit einem Braunkohleausstieg in erst 15 Jahren die vereinbarten internationalen CO2-Ziele eingehalten würden. Das mag sein. Sie verkennen jedoch, dass es dem Weltklima herzlich egal ist, was die internationale Gemeinschaft auf ihren Klimakonferenzen so verabredet.
Unabhängig davon verändert das Klima sich in einer Weise, die über die Befürchtungen der Wissenschaftler noch hinausgeht. Jedenfalls haben sich ihre bisherigen Prognosen alles andere als falsch erwiesen. Insofern ist es fast schon naiv zu sagen: Wir haben einen Ausstieg erst für 2038 verabredet, daran müssen wir uns jetzt auch halten.
Was die Ministerpräsidenten umtreibt, ist offensichtlich: die Angst vor der Angst der Wähler in den Braunkohleregionen, die sich Sorgen machen um ihre Jobs - und die nach der Wende schon einmal harte Brüche in ihren Biografien erleben mussten. Diese Angst produziert Wut, und Wut produziert Radikalisierung. Was nicht nur die Wahlerfolge der drei Herren gefährdet, sondern auch den sozialen Frieden.
Doch kurzsichtige Warnungen helfen da wenig. Verantwortungsvolle Politik würde den Menschen zeigen, dass es andere, zukunftsfähigere Perspektiven gibt als die Braunkohle - auch für sie. Sie würde eine Wirtschaftsförderung betreiben, die den Ausbau der Erneuerbaren radikal beschleunigt, die zeigt, dass Verzicht auf unbegrenzten Energiehunger gar nicht so schlimm ist, und die schlussendlich für einen möglichst schnellen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern sorgt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.12.2022, 19:30 Uhr
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Beitrag von Torsten Mandalka
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