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Quelle: dpa/Patrick Pleul

Kommentar | Gescheiterter Insektenschutz

Den Schuss nicht gehört

Der Insektenschwund in Deutschland nimmt seit Jahren dramatische Formen an. Forscher warnen. Und in Brandenburg: Fährt die Regierungs-Koalition ein landeseigenes Insektenschutz-Verfahren gegen die Wand. Ein Kommentar von Hanno Christ

Das Timing hätte kaum schlechter sein können: Während sich im kanadischen Montreal Forscher und Politiker den Kopf zermartern, was gemeinsam gegen den weltweit zu verzeichnenden rasanten Artenschwund zu tun ist, kriegen Verbände und Politiker im kleinen Brandenburg ein vergleichsweise winziges Insektenschutz-Programm nicht gebacken.

Zwei Volksinitiativen, viele Gespräche, Ausschusssitzungen und zwei Jahre später stehen Naturschützer und Politiker vor dem Nichts. Der sogenannte Insektendialog ist krachend gescheitert. Peinlich - und ein Armutszeugnis für die Landespolitik.

Landwirtschaft

Brandenburger "Insektendialog" und Gesetz für mehr Artenschutz gescheitert

Es sollte ein demokratisches Vorzeigeprojekt sein: der "Insektendialog" in Brandenburg. Initiativen und Fachpolitiker sollten zusammen einen Gesetzentwurf erarbeiten. Doch nun ist der Dialog gescheitert, obwohl eine Lösung sehr nahe schien.

Wirkungsvoller Insektenschutz sieht anders aus

Den letzten Rückzieher hatten die Initiatoren der Volksinitiative selbst gemacht. Ihre Begründung: Man wolle sich nicht mit einem Kompromiss zufriedengeben, der auf mehr freiwilligem statt verpflichtenden Insektenschutz hinausgelaufen wäre. Ihr Rückzieher ist konsequent. Was am Ende ausverhandelt war, wäre in Beliebigkeit versandet. Die Regierungs-Parteien hätten sich zwar die Befriedung eines lange schwelenden Konfliktes auf die Haben-Seite buchen können.

Doch wirkungsvoller Insektenschutz, staatlich gesteuert, sieht anders aus. Nun zeigen alle mit dem Finger auf die anderen. Der Schaden ist perfekt. Das Anliegen, Schöpfung zu bewahren, ist im Parteienstreit zerrieben. Die Leidtragenden sind zunächst die Insekten, später aber auch wir Menschen. Die schwindende Zahl von Insekten wird nicht folgenlos für Landwirtschaft und unsere Ernährung sein.

Insektenschwund ist Teil einer gigantischen Kettenreaktion

Es wirkt, als habe mancher den Schuss nicht gehört. Der Schwund an Insekten hat laut übereinstimmenden Studien einen dramatischen Stand erreicht. Wer keine Studien liest, der kann es vereinfacht zuweilen an seiner Autoscheibe ablesen. Früher war die im Sommer voll mit Insekten, heute hat das schon Seltenheitswert. Es summt nicht mehr wie einst.

Der Schwund der Insekten ist nur ein Teil einer gigantischen Kettenreaktion, bei der noch nicht klar ist, wo Ursache und Wirkung zu sehen sind. Die Landwirtschaft trägt sicherlich einen Teil dazu bei, den Tieren das (Über-)Leben schwer zu machen. Letztlich müssen alle ran. Doch all das zutage geförderte Wissen über das problematische Miteinander von Mensch und Natur reicht offenkundig nicht, um daraus konsequente politische Schlüsse zu ziehen und wirtschaftliche Einzelinteressen zu überwinden.

Landwirte hatten Zweifel - und mit ihnen SPD und CDU

Im Fall der Brandenburger Volksinitiativen galt es, Insektenschutz mit den wirtschaftlichen Interessen zu versöhnen. Das Land war bereit, wirtschaftliche Einbußen zu kompensieren, die etwa durch ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten und Flora-Fauna-Habitat-Gebieten entstanden wären. Die Landwirte hatten Zweifel daran. Und mit ihnen SPD und CDU. Ende. Aus.

Sicher: Politik ist immer das Geschäft von Kompromissen. Gerade in einer Demokratie. Mittlerweile haben wir aber solange getrödelt, dass wir unsere Lebensgrundlagen nicht mehr allein mit Kompromissen, sondern nur noch mit beherztem Handeln sichern. Wenn solche Mini-Einigungen nicht mal im kleinen Brandenburg erzielt werden, wie soll das erst weltweit gelingen?

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.12.2022, 12:40 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

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