Reaktion auf angespannte Lage
Flexiblere Besetzungen von Rettungswagen, mehr Befugnisse für den Feuerwehrchef: Nach einigem Streit wird der Senat nun doch das Rettungsdienstgesetz ändern. Der Handlungsdruck war zuletzt enorm gestiegen.
Der Koalitionsstreit um ein neues Berliner Rettungsdienstgesetz ist am Dienstag beigelegt worden. Der Senat habe den entsprechenden Gesetzentwurf von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) beschlossen, wie die Berliner Feuerwehr nach der Senatssitzung mitteilte.
Der Gesetzentwurf kann damit am Donnerstag in der ersten Lesung in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Die zweite und dritte Lesung sollen laut der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Januar stattfinden. Zeitgleich zur Gesetzesänderung soll eine Verordnung erarbeitet werden, die den Stufenplan möglich macht. Beides könnte laut Giffey Ende Januar abgeschlossen sein.
Dem Rettungsdienst solle mit der Gesetzesänderung ermöglicht werden, flexibler auf besondere Lagen wie Personalmangel, größere Schadensfälle oder Pandemien reagieren zu können, so die Feuerwehr. Damit sei es künftig möglich, Einsatzmittel vorübergehend anders zu einzusetzen als in der Vergangenheit.
Innensenatorin Spranger erklärte, mit der zeitlich befristeten Ausnahmeregel dürfe künftig nicht nur ein Notfallsanitäter den Notarztwagen fahren, sondern bei besonders hoher Auslastung auch ein geringer ausgebildeter Rettungssanitäter. "Mit dieser Lösung werden wir im Optimalfall ungefähr bis zu 25 Rettungswagen mehr auf die Straße bringen können“, sagte Innensenatorin Iris Spranger. Ein Stufenplan soll klären, wie die Fahrzeuge wann besetzt werden.
Zudem soll die Rolle des Landesbranddirektors gestärkt werden. Er soll mehr Verantwortung bekommen und schneller Entscheidungen treffen können. "Wir haben uns geeinigt, uns auf die dringendsten Maßnahmen zu beschränken, die schnell umsetzbar sind und zu einer Entlastung führen sollen", so Spranger.
Zuletzt hatte es Streit innerhalb der rot-grün-roten Koalition über die Rettungsdienstreform gegeben. Die Grünen um Gesundheitssenatorin Ulrike Gote lehnten die Vorschläge der SPD ab aus Sorge, dass die medizinische Versorgung sich in Berlin verschlechtern könnte.
Nun äußerte sich Gote zufrieden: "Wir haben eine Lösung gefunden, die mir als Gesundheitssenatorin sehr wichtig war: dass wir die Qualität der notärztlichen Versorgung nicht antasten und Rettungsmittel zielgenau einsetzen können, sodass bei lebensbedrohlichen Einsätzen wirklich Ärzte und Notfallsanitäter da sind." Der Abzug der Notfallsanitäter aus den Notfalleinsatzfahrzeugen sei lediglich ultima ratio.
Gote betonte aber auch, dass sich Innen- und Gesundheitsverwaltung einig seien, dass es im nächsten Jahr eine weitergreifende Reform des Rettungsdienstes brauche.
Landesbranddirektor Karsten Homrighausen begrüßte in der Mitteilung die Entscheidung des Senats: "Heute ist ein guter Tag, an dem uns zugegebenermaßen ein Stein vom Herzen fällt. Es bedarf jedoch dringend noch weiterer Schritte, um die Situation im Rettungsdienst nachhaltig zu verbessern."
Der Landesvorstand der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP), Brandoberinspektor Oliver Mertens, hob die stärkere Rolle des Landesbranddirektors hervor: Die sei "ein erster sehr hilfreicher richtiger Schritt", die vorgestellten Lösungen könnten die aktuelle Situation verbessen.
Für die Berliner CDU-Fraktion war der Schritt überfällig, wie deren Feuerwehrexperte Alexander J. Herrmann am Dienstag mitteilte: "Dass angesichts des fast täglichen Ausnahmezustands im Rettungsdienst unserer Feuerwehr das Problem von SPD, Grünen und Linken so lange verschleppt worden ist, macht uns fassungslos." Gefragt sei nun eine strukturelle Verbesserung im Rettungsdienst.
Auch der AfD-Innenpolitiker Karsten Woldeit bemängelte, die nun beschlossenen Schritte "wären schon seit Monaten möglich gewesen." Gebraucht werde jetzt "ein plausibles Konzept" für das Rettungswesen.
Für die FDP teilte deren Innenpolitiker Björn Jotzo mit, die Senatsentscheidung seien "kleine Schritte in die richtige Richtung, bleiben aber ein Tropfen auf den heißen Stein." Es brauche "eine große Reform" und auch mehr Attraktivität für Fachpersonal durch eine eigene Rettungsdienstlaufbahn.
Über die angespannte Personallage bei den Rettungsdiensten wurde erst am vergangenen Wochenende wieder verstärkt diskutiert. Zwei Jugendliche waren von einem BVG-Bus überfahren worden, eine 15-Jährige dabei ums Leben gekommen. Die Jugendlichen waren unter dem großen Bus eingeklemmt worden und mussten von der Feuerwehr mit Spezialtechnik geborgen werden.
Zum Zeitpunkt des Notrufes war zunächst kein freier Rettungswagen in Berlin verfügbar. Als erster Wagen traf dann ein Notarzt neun Minuten nach dem Notruf ein, die ersten beiden Rettungswagen (RTW) kamen nach 20 Minuten an, so die Feuerwehr.
Der Rettungsdienst ist vor allem deshalb überlastet, weil das Personal knapp ist. Außerdem gehen viele Notrufe ein, die sich nicht auf echte Notfälle beziehen. Auch darum müssen sich die Sanitäter kümmern, so dass es bei echten Notfällen länger dauern kann.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.12.2022, 16:20 Uhr
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