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Quelle: dpa/Bernd Settnik

Rückblick mit Augenzwinkern

Von A bis Z - das war das politische Jahr in Brandenburg

Mit Tusch und Trommelschlag von Aufholprogramm, über Kartoffelbrei bis hin zum Zukunftszentrum: Thomas Bittner von der rbb-Landespolitik hat das Politikjahr in Brandenburg für Sie aufs Schönste durchbuchstabiert.

Aufholprogramm, das:

teurer Plan, um in Schulen wieder das Vor-Corona-Niveau zu erreichen. Brandenburg wollte dafür extra 200 zusätzliche Lehrkräfte einstellen, fand aber nicht mal die Hälfte. Wie soll man auch in Zeiten des Lehrermangels zusätzliche Pädagogen für ein Extra-Programm finden? Ergebnis: siehe Orthografie

Bauhaus Erde, das:

Versuch, mit einem großen Namen Aufmerksamkeit für eine Bauwende zu gewinnen: für nachhaltiges Bauen mit nachwachsenden Baustoffen. In Potsdam soll der dazugehörige Vorzeigebau entstehen. Aber erst mal gehts nur mit einem Provisorium los: einem temporären Holz-Pavillon. Allzu groß scheint das Vertrauen in eine schnelle Bauwende wohl doch nicht zu sein.

Berlin, das:

Nachbarstadt, die von einer Brandenburgerin regiert wird. Die jüngsten Treueschwüre zwischen Regier-Bürgermeisterin und Regions-Ministerpräsidenten hielten nicht lange. Spätestens beim Berliner 29-Euro-Ticket-Alleingang hatte B. vergessen, dass die Stadt auch vom und mit dem Umland lebt. B. geht immer gern eigene Wege, deshalb findet die gleiche Wahl dort gleich zweimal statt. Wiederholung ist die Mutter der Berliner Weisheit.

Chaos, das:

Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung. Kommt aus dem Griechischen, bedeutet "weiter leerer Raum", was fälschlicherweise nur auf Brandenburg hindeutet. Echtes Ch. findet man überall. Siehe dazu auch: Berlin

Sozialgipfel in Brandenburg

Land und Wohlfahrtsverbände beraten über Entlastungspaket

Brandenburgs Wohlfahrtsverbände wollen am Montag mit Ministerpräsident Woidke über Details des geplanten Entlastungspakets sprechen. Die Forderungsliste der Einrichtungen ist lang. Von Andreas B. Hewel

Doppelhaushalt, der:

Erfolgloser Versuch, Haushaltsdebatten im Landtag einzusparen, indem man den Etat gleich für zwei Jahre hintereinander beschließt. Wird alsbald mit mehreren Nachtragshaushaltsdebatten bestraft.

Entlastungspaket, das:

Zusätzlicher Teil des Haushalts, der Familien und Unternehmen durch die Krise bringen soll. Wurde "ohne Framing-Mätzchen" (Finanzministerin Lange) als "Brandenburg-Paket" bezeichnet. Kostet: zwei Milliarden Euro. Wird bezahlt: von der nächsten Generation.

Fahrplanwechsel, der:

Jahrelang vorbereitete größte Angebotssteigerung auf der Schiene in Brandenburg, die ernüchternd begann (siehe auch: Chaos). Drei statt zwei Züge in der Stunde auf einer beliebten Strecke fahren zu lassen, funktionierte nicht so richtig. Erst nach dem F. bemerkten die Verkehrsplaner, dass man im Berliner Stadtbahn-Netz Bummelzüge auf dem gleichen Gleis nicht überholen kann.

Finch, der:

Deutscher Rapper mit Fürstenwalder Wurzeln, der es mit "Dorfdisco" und "Rummelbums" an die Spitze der deutschen Albumcharts schaffte. Besonders lobpreiste er bisher betörende Substanzen aller Art. 2022 stellte er sein Bekenntnis zum Osten in den Dienst des Brandenburger Landesmarketings. "Jeder will dahin" (siehe auch: JWD). Das Video ist über zwei Millionen Mal aufgerufen worden. Brandenburg kann demnächst mit dem Zuzug von Millionen Finch-Fans rechnen. Im Rausch.

Quelle: dpa/A. Prautzsch

Gipfel, der:

Eine in Krisenzeiten bevorzugte Form der Politiksimulation. Möglichst hochrangige Vertreter sitzen zwischen 90 und 180 Minuten an einem mehr oder weniger großen Tisch in der Staatskanzlei rund um den Ministerpräsidenten, um hinterher wahlweise Forderungen an den Bund oder bereits längst verabredete Maßnahmen noch einmal gebündelt zu verkünden. Wird in Brandenburg als Energiegipfel, Sozialgipfel, Bahngipfel oder Kommunalgipfel veranstaltet. Die Teilnehmer der Tafelrunden verstehen sich mitunter auch als Task Force (siehe auch: PCK)

Hitzeaktionsplan, der:

Sehr geduldiges Papier mit Vorschlägen, wie sich Brandenburg gegen Affenhitze und Hundstage wappnen kann. Brandenburg wollte das erste Land mit einem solchen Plan sein. Aber vor jedem Plan kommt erst einmal: ein Gutachten. Das war im September fertig, rechtzeitig nach der diesjährigen Hitzesaison. Draußen wurden gerade 12 Grad gemessen.

Insektendialog, der:

Gescheiterter Versuch, die Zukunft von Gliederfüßern mit Paragrafen zu sichern. Agrarpolitiker, Naturschützer und Landnutzer hatten an einem Kompromisspapier gearbeitet, das unter dem Druck der Bauernlobby zu einem Kenia-Kompromist-Papier schrumpfte. Statt Spinnfäden blieb nur ein gerissener Gesprächsfaden übrig. Über eine Teilnahme von Insekten am Dialog ist nichts bekannt, was ihn zu einem Ohne-Insekten-Dialog machte.

Jagdgesetz-Entwurf, der:

Synonym für Mehr-Wald-mit-weniger-Wild. Brandenburgs vegane Rehe ernähren sich bevorzugt von schmackhaften jungen Trieben. Gut die Hälfte der Jungbäume überleben das nicht. Das grüne Umweltministerium will mehr jagen lassen, damit die Bäume in den Himmel wachsen können. Besitzer von Kleinwald, nicht zu verwechseln mit "kleinen Waldbesitzern" (über Körpergrößen gibt es keine Angaben im Gesetzentwurf), könnten dann selbst entscheiden, wer bei ihnen jagt. Dass nicht mehr allein die Jagdgenossenschaften das Sagen übers Jagen haben sollen, wenn man sie zum Jagen tragen muss, erzürnt die Lobby. Und so scheitert wohl auch der zweite Entwurf des Gesetzes.

JWD:

Abkürzung für JANZ WEIT DRAUSSEN. Wird vom Landesmarketing gerade umgedeutet in JEDER WILL DAHIN. Könnte Brandenburgs neuer Slogan werden (siehe auch: Finch). Brandenburg als neuer Sehnsuchtsort. Leider hatte sich das Marketing vor Jahren bereits den weniger zündenden Spruch "Es kann so einfach sein" aufschwatzen lassen. Jetzt hat Brandenburg gleich zwei Werbesprüche. Auch das beweist: Es kann so einfach sein - is es aber nich.

Quelle: dpa/Jörg Carstensen

Kartoffelbrei, der:

Sättigungsbeilage, die Klimaaktivisten im Potsdamer Barberini-Museum einem Monet-Gemälde hinzufügten, weil sie die Klimapolitik der Bundesregierung satthatten. Den inhaltlichen Bezug zum Klimawandel vermissten allerdings viele Beobachter. Der entstandene Schaden wurde auf eine fünfstellige Summe geschätzt, was mindestens 10.000 Euro wären. Das Bild hinter dem Brei war 10.000-mal so teuer. Und wird vielleicht noch wertvoller. Es fehlt in keinem Jahresrückblick.

LAGA, die:

Brandenburgs größter temporärer Garten in Beelitz, der einen Sommer lang erfolgreich die Krisenstimmung ein bisschen verdrängte. Dank intensiver Bewässerung und Pflege konnte auf dem Gelände suggeriert werden, dass der Klimawandel spurlos an Brandenburgs Landschaft vorbei geht.

Mülltonne, die:

Abfallentsorgungsgefäss, das mitunter von missliebigen Nachbarn und Investigativreportern durchforstet wird. Bei einer Potsdamer Familie wurden im Papiermüll "brisante" Akten gefunden: Listen von Outfits für die Ehefrau und Informationen über die LebenspartnerInnen von Amtskollegen des Ehemanns. Brisant war das, weil die Ehepartner beruflich im Kanzleramt und im Bildungsministerium beschäftigt sind. Als Kanzler und Ministerin.

Schulen während der Corona-Pandemie

Pandemiebedingte Lernrückstände: Berlin und Brandenburg investieren 43 Millionen Euro

Die Corona-Zeit hat bei Schülerinnen und Schülern große Lernlücken hinterlassen. Um die Rückstände aufzuholen, werden Millionenbeträge aus dem Bundesprogramm "Aufholen nach Corona" investiert - Schulen in Brandenburg fordern dazu weitere Lehrkräfte.

Notlage, die:

Schwierige, bedrohliche Situation, die per Parlamentsbeschluss auch für ein ganzes Land beschlossen werden kann. Brandenburg hat sich damit ein Schuldenpaket von zwei Milliarden Euro genehmigt (siehe auch: Entlastungspaket). Erstaunlich ist nur, dass sämtliche Nachbarländer sich in keiner solchen N. befinden, obwohl sie von Krieg und Krise genauso betroffen sind.

Orthografie, die:

Rechtschreibung, richtige Schreibweise von Wörtern und Sätzen. Brandenburgs Grundschüler stehen auf Kriegsfuss mit der O., wie ein aktueller Bildungstrend ergab. Die Kompetenzen von Viertklässlern waren nach der Corona-Phase am weitesten vom Bundesdurchschnitt entfernt. Aba Branburger sint schon imma ohne fiel Ortegrafie gut durschs Lehm gekomm.

Gespräche über PCK Schwedt

Vorerst wird weiter Öl fließen - aber wie?

Trotz des bevorstehenden Öl-Embargos gegen Russland ist die Versorgung der PCK-Raffinerie in Schwedt gesichert. Einige Fragen sind aber offen. Dazu kam am Montag erneut die Taskforce zusammen. Von Michael Schon

PCK, das oder die:

Erdölverarbeitender Großbetrieb in der Uckermark, der von manchen als "das PCK" bezeichnet wird, weil er mal ein PCK war, ein Petrolchemisches Kombinat. Wer auf dem neuesten Stand ist, nennt den Betrieb "die PCK", weil es sowohl eine GmbH ist als auch eine Raffinerie. Die Abkürzung steht jetzt für PetrolChemie und Kraftstoffe. Das Öl kam bisher aus einer Pipeline namens Дружба - Freundschaft. Weil es mit der Дружба vorbei ist, ist auch Schluss mit dem Pipeline-Öl.

Queen, die:

Britische Königin, die auch Brandenburg in ihr Herz geschlossen hatte. Ministerpräsident Woidke zitierte nach ihrem Tod aus einem persönlichen Gespräch. Sie reagierte 2015 auf seine Bemerkung, dass Berlin zwar wichtig, aber Brandenburg schön sei: “But I believe, that Brandenburg is important too, isn’t it?” ("Aber ich glaube, dass Brandenburg auch wichtig ist"). Danke. It´s so true, your Majesty.

Quelle: dpa/A. Parsons

rbb-Rechtsaufsicht, die:

Alle zwei Jahre zwischen Berlin und Brandenburg wechselnde Aufsicht über die öffentlich-rechtliche Rundfunk-Anstalt, die ausgerechnet während der schwersten Krise des rbb auf Brandenburg fiel. Seit dem Sommer wächst täglich die Zahl der rbb-Experten in Brandenburgs Verwaltung und Parlament (siehe auch: Untersuchungsausschuss).

Salzfracht, die:

Masse an gelösten Salzen, die durch ein Gewässer fließt. Wenn die Fracht zu groß wird, setzt es den Fischen zu. Salz soll idealerweise erst im Kochtopf an den Fisch. (Für die Fische selbst wäre sowohl der Kontakt zu Salz als auch zu Kochtöpfen idealerweise verzichtbar). Wenn zwischen der Einleitung der S. und dem dadurch ausgelösten Fischsterben eine Staatsgrenze liegt, sorgt die S. für diplomatische Verwicklungen.

Quelle: rbb

Tesla-Geschwindigkeit, die:

Tempo, mit dem eine Genehmigung für ein Großprojekt ausnahmsweise in nur 843 Tagen erteilt wird. Nicht zu verwechseln mit der Tesla-Geschwindigkeit: Bis zu 217 km/h kann ein in Brandenburg gebauter Tesla fahren (siehe auch: Y-Model).

Tierschutzbeauftragte, der oder die:

Funktionär im Verbraucherschutzministerium, der sich nicht an Vorgesetzten, sondern am Wohl der Tiere orientieren muss. Viel zu sagen hat ein T. in Brandenburg aber nicht. Mit großen Mastbetrieben kann er sich nicht anlegen. Er darf nur beraten und mahnen. Der erste T. hat sich scheu wie ein Reh auch in den Medien rar gemacht. Nun hat er nach fünf Jahren vorzeitig sein Amt aufgegeben und Platz für eine Nachfolgerin gemacht. Sie will sich vor allem um Nutztiere kümmern, aber auch über Qualzucht bei Tieren aufklären. In Brandenburgs Ställen wird eine lautere Stimme gegen Tierleid sicher gern gehört.

"Damit müssen wir umgehen"

AfD initiiert gleich vier Untersuchungsausschüsse im Brandenburger Landtag

Der Landtag in Brandenburg hat viel zu tun: Gleich vier Untersuchungsausschüsse laufen parallel, alle initiiert von der AfD-Fraktion. Die Landtagspräsidentin spricht von einer "großen Belastung", die Stimmung kippe deshalb aber nicht.

Untersuchungsausschuss, der:

Ausführliche, intensive Extra-Beschäftigung des Parlaments zur Aufklärung von Missständen. Derzeit untersucht Brandenburgs Landtag die Corona-Maßnahmen der letzten Jahre, den inzwischen eröffneten Flughafen BER und die Verfehlungen im rbb (siehe auch: rbb-Rechtsaufsicht). Vor allem die AfD nutzt inflationär das Recht, ausschließlich mit den eigenen Stimmen ihrer Fraktion, diese Gremien einzusetzen. Inzwischen bereits viermal. Dass ein solcher Ausschuss im Jahr etwa eine Million Euro kostet, obwohl er wenig herausbekommt, was nicht schon woanders bekannt wurde, ficht die Fraktion nicht an.

Verfassungsrichterin, die:

Für den ausscheidenden Verfassungsrichter Andreas Dresen gesuchte Nachfolgerin. Der Name einer einigermaßen chancenreichen Kandidatin von der FDP prangte ausgerechnet in der entscheidenden Phase der Bewerbung auf der Titelseite der größten Boulevardzeitung. Ihr Ex-Ehemann hatte für Schlagzeilen gesorgt. Weil sie Schlafzimmer-Reports mit der Würde des angestrebten Amtes nicht vereinbar sah, zog die Kandidatin ihre Bewerbung zurück. Und kam einer Wahlschlappe zuvor. Denn in einer Anhörung zuvor hatte sie auch fachlich nicht überzeugt. Die nötige Zweidrittelmehrheit schien unerreichbar.

Warten aufn Bus, das:

Wird durch das geplante 49-Euro-Ticket in Brandenburg bald günstiger. Ansonsten ändert sich nix.

Weihnachtsfeier, die:

Schlagzeilenträchtige Jahresendbegegnung der brandenburgischen AfD-Fraktion. Erst fiel auf, dass gegen die Hausordnung mit offenem Feuer die Weihnachtsgans warmgehalten wurde. Dann hinterließ die Feiertruppe den Raum in einem nicht sehr parlamentarischen Zustand. Und schließlich wurde bekannt, dass Fraktionsmitglied Andreas Kalbitz zu vorgerückter Stunde eine Kollegin schwer beleidigt habe, was ihm eine Missbilligung der Fraktion einbrachte. Keine Spur von stiller Nacht (siehe auch: Chaos)

X-App, die:

Die Alles-App, ein Traum von Elon Musk, dem er mit dem Kauf von Twitter näherkommen wollte. Lenkt ihn aber von Grünheide ab. (Siehe Y-Modell)

Y-Modell, das:

In Grünheide produziertes E-Auto der Marke Tesla. (Siehe auch: Tesla-Geschwindigkeit). Löst gerade den VW-Golf als Deutschlands meistverkauftes Auto ab. Tesla-Chef Elon Musk tanzte im Mai in Grünheide vor Olaf Scholz um den Wagen, als sei es das goldene Kalb. Kümmerte sich dann aber derart intensiv um seine teure Neuerwerbung Twitter, dass man sich um den Y-Absatz Sorgen machen musste.

Zukunftszentrum, das:

Einrichtung des Bundes fürs Morgen, die sich ausgerechnet am Gestern orientiert. Im Z. sollen die Transformations -Erfahrungen der Ostdeutschen europäisch veredelt werden. Das akademische Wort Transformation klingt auch besser als Wende oder Zusammenbruch. Frankfurt (Oder) bietet als einzige Bewerberstadt einen direkten Blick auf Osteuropa. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Entscheidung fällt Anfang des neuen Jahres. Wenn‘s gut wird, pilgern vielleicht bald Neugierige zum neuen Oder-Dom. Wenn's schlecht läuft, ist die Zukunft schon wieder Vergangenheit.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 30.12.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

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