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Quelle: dpa/Geisler-Fotopress

Volksinitiative in Brandenburg

Insektendialog in der Sackgasse

Knapp 100.000 Menschen hatten vor drei Jahren für mehr Insektenschutz in Brandenburg unterschrieben. Volksinitiativen und Fachpolitiker hatten seitdem einen Gesetzentwurf erarbeitet. Doch der droht nun an der Landespolitik zu scheitern. Von Stephanie Teistler

Insektendialog - was so putzig klingt, sollte eigentlich ein demokratisches Vorzeigeprojekt sein. Inzwischen ist es in einer Sackgasse, wo das Projekt genau steht, konnte man am vergangenen Mittwoch auch nicht im zuständigen Ausschuss für Landwirtschaft und Umwelt erfahren.

Die Parlamentarier bleiben diplomatisch vage. Nur eines haben alle scheinbar gemeinsam: Hoffnung. Hoffnung darauf, dass der Insektendialog zu einem guten Ende kommt. Was ein gutes Ende ist, bleibt Interpretationssache.

Einig ist man sich von Linke bis AfD am ehesten darüber, dass ein Scheitern des Dialogs ein Misserfolg wäre. Die Befürchtung: zwischen Landnutzer- und Naturschutzverbänden könnten alte Konflikte wieder aufbrechen, sie würden nicht mit, sondern gegeneinander arbeiten.

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Denn genauso waren die Volksinitiativen 2019 gestartet. Sowohl die Naturschützer als auch die Landwirte sammelten damals getrennt voneinander Unterschriften für den Insektenschutz - mit ähnlichen Zielen, aber verschiedenen Vorstellungen davon, wie man diese erreichen kann. Zusammengerechnet konnten beide Initiativen dem Landtag schließlich rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Die Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grünen spielte den Ball Anfang 2020 aber zurück: Die Volksinitiativen sollten in einem moderierten Verfahren selbst zu Lösungen finden, der Insektendialog war geboren. Konflikte gab es in anderthalb Jahren Dialog immer wieder - vor allem bei der Frage: Was muss über Verbote geregelt werden und was funktioniert über freiwillige Förderprogramme?

Am Ende stand ein Gesetzentwurf. Er will etwa chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel in Naturschutzgebieten verbieten und fordert den Verzicht von Pflanzenschutz- und Düngemitteln in Abstand zu fünf Metern neben Gewässern. Passiert ist seitdem: wenig. Nur eins ist klar: Das Gesetz wird so ab Januar 2023 nicht kommen.

Der Gesetzentwurf steht - Woran es jetzt hakt:

1) Bund und EU haben inzwischen eigene Regelungen

Wenn man Johannes Funke, SPD, fragt, hat sich ein Großteil der Forderungen aus dem Insektendialog bereits erledigt. Funke ist einer der drei Abgeordneten, die den Gesetzentwurf im Mai 2021 in den Landtag eingebracht hatten. So regele inzwischen der Bund, in welchem Abstand zu Gewässern Düngen und Pflanzenschutz, also Pestizide, erlaubt sind. Auch mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union ab kommendem Jahr habe sich die Grundlage für den Insektenschutz grundlegend geändert.

Zwischen EU-, Bundes- und Landesregelung macht Funke den Eindruck, als wolle er es den Landwirten nicht noch schwerer machen.

Axel Kruschat vom BUND und Mitinitiator einer der beiden Volksinitiativen will dieses Argument nicht gelten lassen. "Diese Änderungen im Bundesgesetz sind schon lange bekannt. Jetzt kommt die SPD damit um die Ecke – für mich ist das ein Zeichen, dass man der Landesregierung nicht trauen kann". Außerdem geht der Brandenburger Entwurf in vielen Maßnahmen weiter als etwa die Regelung des Bundes

2) Wer soll das bezahlen?

Am Ende geht es jetzt auch ums Geld. Denn die Landwirte hatten sich von Anfang an zum gemeinsamen Dialog und zu den Insektenschutzmaßnahmen nur bekannt, wenn sie dafür auch entschädigt würden. Denn weniger Pflanzenschutzmittel oder Dünger bedeuten fast immer geringere Ernten und damit weniger Einnahmen.

Sabine Buder vom Forum Natur, das die Seite der Landnutzer vertritt, rechnet vor: 40 bis 50 Millionen Euro würden der Dünge- und Pestizidverzicht kosten. Zwar stünde das Forum weiter hinter dem Kompromiss aus dem Insektendialog, aber auf den Ausgleich müsse man bestehen.

Das Problem: Bei den Verhandlungen waren die Finanzexperten der Fraktionen gar nicht dabei, ein Vertreter des Finanzministeriums kam erst am Ende hinzu. So finden sich auch im aktuellen Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt 2023/24 keine Mittel für ein eventuell verschärftes Insektenschutzgesetz. Die Koalition-Fraktionen müssen sich fragen lassen, wie ernst sie den Gesetzentwurf aus den eigenen Reihen nehmen.

3) Die Unterstützung im Parlament fehlt

Der kleinste gemeinsame Nenner der Fraktionen scheint nun eine Koordinierungsstelle zu sein. Sie war eine der Maßnahmen, auf die sich der Insektendialog neben den Dünge- und Pestizidverboten geeinigt hatte. Die Koordinierungsstelle soll wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse zusammenbringen.

Nicht nur Funke unterstützt sie, auch CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Er erklärte zuletzt, dass man die Stelle für den Insektenschutz dringend brauche und er sich dafür einsetzen werde, dass das Projekt es noch in den aktuellen Doppelhaushalt schafft.

Dem widerspricht allerdings Ingo Senftleben, der für die CDU an dem Gesetzentwurf mitgearbeitet hat. "Wenn nach drei Jahren Verhandlungen eine Koordinierungsstelle das Ergebnis ist, dann frage ich mich, wie wir unsere Zeit verbracht haben."

Senftleben spricht aus, was die Naturschutzverbände befürchten. Der größte Fehler gegenüber den Volksinitiativen sei es gewesen, dass der Gesetzentwurf nicht von allen drei Fraktionen, sondern lediglich von drei Abgeordneten eingebracht worden war, so Senftleben. "Da haben wir schon gezeigt, dass wir als Fraktionen nicht gewillt waren das zu unterstützen."

Was bleibt vom Insektendialog?

Auch die Grünen setzen noch darauf, dass am Ende ein Gesetzentwurf und nicht nur eine Koordinierungsstelle bleibt. "Wir haben den Auftrag, diesen Gesetzentwurf so zu verhandeln, dass er im Plenum auch beschlossen werden kann, wir haben nicht den Auftrag, ihn zu canceln", so Isabell Hiekel, Bündnis 90/Grüne, die den Gesetzentwurf wie Senfleben und Funke in den Landtag eingebracht hatte.

Sie verweist auch auf die Lücken in Bundes- und EU-Gesetzen, die ein Brandenburger Gesetz schließen könne.

Am Ende wird es darum gehen, wessen Hoffnung sich im Insektendialog durchsetzen wird und wer das Erreichte als Erfolg oder Niederlage empfindet. Eine mögliche Lösung könnte sein, dass das Land doch noch mehr Geld für den Gesetzentwurf locker macht.

Ob ein solcher Geldsegen kurz vor Haushaltsabschluss noch realistisch ist, ist fraglich.
Möglich ist auch, dass sich die Landtagsfraktionen und die beiden Volksinitiativen mit dem vorhandenen Geld auf Teilprojekte einigen. Also etwa auf die Koordinierungsstelle.

Vor allem den Naturschutzverbänden wird das wohl nicht reichen – sie haben als letztes Mittel bereits eine neue Volksinitiative in Aussicht gestellt. Beschädigt ist am Ende das Dialogformat. Künftige Volksinitiativen werden sich wohl sehr genau überlegen, ob sie sich darauf einlassen.

Beitrag von Stephanie Teistler

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