Streit um Hochhäuser in Berlin-Pankow
Nach dem "Pankower Tor" zieht sich im Bezirk ein weiteres Bauprojekt in eine Endlosschleife. Die BVV hat zwar grünes Licht für die Hochhauspläne nördlich des Thälmannparks gegeben. Doch passieren wird dort so schnell nichts. Von Frank Preiss
Schon seit vielen Jahren wird im Bezirk Pankow darum gerungen, was genau am Nordrand des Ernst-Thälmann-Parks in Prenzlauer Berg entstehen soll. Im Jahr 2011 kaufte der Berliner Investor Christian Gérôme das 28.000 Quadratmeter große Areal zwischen den S-Bahnhöfen Greifswalder Straße und Prenzlauer Allee. Er will dort, auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände, bis zu drei Hochhäuser mit Wohnungen sowie Gewerbeflächen bauen. Besonders an den Hochhausplänen regt sich in den Reihen der Pankower SPD und Linken starker Widerstand.
Im Gespräch ist zudem ein Flächentausch zwischen dem Investor und dem Bezirk, damit auf dem Gelände an der Lilli-Henoch-Straße eine Oberschule entstehen kann. Auch an diesem Punkt gehen die Meinungen der Fraktionen in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) weit auseinander.
Bewegung in die Angelegenheit schien zuletzt am 14. Dezember gekommen zu sein. Da entschied die BVV mit den Stimmen von Grünen, CDU und FDP, es solle "eine zügige kooperative Entwicklung des Areals" geben. Das Bezirksamt solle "ein gebietsverträgliches Nutzungskonzept für die geplante Wohn- und Gewerbebebauung" entwickeln - dabei soll "die Versiegelung von Flächen durch die Errichtung von Hochpunkten möglichst gering" gehalten werden. Damit wird der Bau von Hochhäusern grundsätzlich befürwortet.
"Ziel ist, durch eine Grundstücksneuordnung auf den Flächen nahe der Greifswalder Straße eine qualitativ gute weiterführende Schule mit den entsprechenden Sport- und Freiflächen und eine verdichtete urbane Bebauung zu ermöglichen. Dabei sind die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und Belange des Klima- und Artenschutzes besonders zu berücksichtigen", heißt es in dem Beschluss, der von SPD und Linken nach der Sitzung deutlich kritisiert wurde.
Passiert sei nach diesem BVV-Beschluss allerdings noch nichts, kritisiert Investor Gérôme im Gespräch mit rbb|24: "An mich ist seitdem niemand herangetreten", stellt er fest. Und das, obwohl eine enge Zusammenarbeit mit ihm verabredet worden sei.
Gérôme wirft der zuständigen Baustadträtin Rona Tietje (SPD) Untätigkeit vor: "Sie muss den Beschluss der BVV umsetzen, aber sie sucht Mittel und Wege, um das weiter in die Länge zu ziehen." Der Investor signalisiert: "Ich bin gerne bereit, dort eine Schule zu bauen, Grünflächen und Einkaufsmöglichkeiten zu schaffen, Kultur zu erhalten, die vielen Betonflächen vor Ort zu entsiegeln - mehr geht nicht. Und ein privater Investor kann sehr wohl auch eine Schule bauen", entgegnet er entsprechenden Bedenken der SPD und Linken.
Beide Parteien "verhindern auf aller Breite Wohnungsbau in Berlin und Brandenburg, besonders in der Lilli-Henoch-Straße, obwohl ich ein Urteil vom Oberverwaltungsgericht von 2017 habe, wonach ich bauen kann. Und obwohl die Baustadträtin vom Bezirksparlament aufgefordert wird, zu bauen", sagt Gérôme. Verhindert werde damit auch weiterhin der Bau von 400 Miet- und Eigentumswohnungen.
Die zuständige Baustadträtin Tietje will im Gespräch mit rbb|24 diese Vorwürfe so nicht stehen lassen. "Wir sind in regelmäßigem Kontakt mit Herrn Gérôme. Und ich muss ihn da in seiner Erwartungshaltung bremsen. Der BVV-Beschluss ist eine Entscheidung im Rahmen der nachgeordneten Bezirksverwaltung. Und wir müssen jetzt zunächst einmal schauen, wie wir diesem Beschluss nachkommen können", so Tietje.
Sie habe bereits zwei Tage nach der Parlamentsentscheidung vom 14. Dezember ein Treffen mit den verschiedenen Pankower Fraktionen anberaumt, um einen Konsens für das weitere Vorgehen zu finden. Das Treffen habe sie jedoch krankheitsbedingt absagen müssen. "Wir werden das aber bald nachholen und dabei hoffentlich gemeinsame Zielvorstellungen sowie einen Letter of Intent formulieren können", sagt die Baustadträtin. Auf der nächsten Bezirksverordnetenversammlung am 1. März wolle sie dann über die nächsten Schritte informieren.
Tietje nennt zwei zentrale Knackpunkte: zum einen die Pläne für die Hochhäuser, zum anderen die Frage der Realisierbarkeit einer Oberschule auf dem Gebiet. "Zu den Hochhäusern müssen wir noch einige Denkmalschutzfragen klären wegen der angrenzenden Thälmannpark-Siedlung. Es gibt Bedenken des Landesdenkmalamtes. Hochhäuser müssen sich auch gut in die Umgebung einfügen und dürfen dort kein hohes Konfliktpotential bieten", sagt Tietje. "Mit Hochhäusern muss zudem grundsätzlich das Baukollegium des Senats befasst werden und die Übereinstimmung mit dem Hochhausleitbild der Stadt feststellen."
Zum Thema Oberschule bestätigte sie, diese könne nicht vollständig auf landeseigenen Flächen untergebracht werden, und wenn, dann nur ohne Außen- und Sportflächen. Deswegen gebe es vom Investor die Idee des Grundstücktauschs, über die weiter nachgedacht werde. Das Angebot des Investors, dort selbst eine Schule zu bauen, kenne sie aber nur von einzelnen BVV-Abgeordneten und aus den Medien. "Uns gegenüber hat er immer kommuniziert, der Schulbau solle abgetrennt werden, damit er sich darum nicht kümmern muss", betont Tietje.
Dass ein Investor eine Schule baue, sei grundsätzlich "illusorisch", schränkt die Baustadträtin außerdem ein. "Er wird uns die Schule ja wohl nicht schenken wollen, er darf das planungsrechtlich auch gar nicht. Hinzu kommt: Es muss der Eindruck vermieden werden, Investoren könnten sich ein für sie vorteilhaftes Baurecht kaufen, indem sie der öffentlichen Hand irgendwelche Wünsche erfüllen. Ansonsten wäre der ganze Planungsprozess angreifbar", führt Tietje aus. Für Oberschulen sei außerdem eine europaweite Ausschreibung notwendig. Und die Finanzierung dieser Schule sei eben noch unklar.
Doch wie soll sich nun der Knoten rund um das Gebiet nördlich des Thälmannparks lösen? Tietje will zunächst jene Steuerungsrunden mit Investor Gérôme wieder aufnehmen, die im vergangenen Jahr abgebrochen worden waren. "Das werden wir gründlich vorbereiten und damit sicher nicht in der heißen Wahlkampfphase für die Wiederholungswahl im Februar beginnen", konkretisiert sie.
Bis Ende dieses Jahres hoffe sie dann auf ein gemeinsam getragenes Nutzungskonzept. Danach könnten noch zwei Jahre bis zur Verabschiedung eines Bebauungsplans vergehen, so Tietje. Soll heißen: Frühestens 2026 könnten dann die ersten Bagger auf das Areal an der Lilli-Henoch-Straße rollen – vorausgesetzt die Wahlwiederholung am 12. Februar wirbelt die Mehrheitsverhältnisse im Pankower Bezirksparlament nicht ordentlich durcheinander.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.01.2023, 06:00 Uhr
Beitrag von Frank Preiss
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