Berliner Polizei hat 102 Verfahren wegen Übergriffen auf Einsatzkräfte eingeleitet
Die Berliner Silvesternacht beschäftigt nun das Abgeordnetenhaus. Während Innensenatorin Spranger über den Stand der Ermittlungen informiert hat, hat die CDU nach ihrer umstrittenen Forderung, Vornamen von Verdächtigen preiszugeben, nachgelegt.
erste Verfahren von der Polizei abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft übergeben
bereits rund 100 Uploads von Bildmaterial auf Hinweisportal der Polizei
Ermittler mit besonderer Begabung für Gesichtserkennung eingesetzt
Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht hat die Berliner Polizei erste Ermittlungen zu einigen Vorfällen beendet. Polizeipräsidentin Barbara Slowik teilte am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses mit, bis Freitag seien 22 Verfahren mit zehn Tatverdächtigen an die Staatsanwaltschaft übergeben worden.
Wegen Übergriffen auf Einsatzkräfte laufen nach Slowiks Angaben insgesamt 102 Verfahren: In 49 geht es um Übergriffe auf Polizeikräfte, in 53 auf die Feuerwehr.
Viele Videos und Bilder aus der Bevölkerung eingegangen
Zur Identifizierung der Tatverdächtigen wertet die Polizei unter anderem frei zugängliche Bilder und Videos aus dem Internet aus. Außerdem hat sie schon viele Rückmeldungen über ein Online-Hinweisportal zur Silvesternacht bekommen, das am 4. Januar eingerichtet wurde [be.hinweisportal.de]. Slowik berichtet, Bürgerinnen und Bürger hätten dort bisher rund 100 Datenpakete mit Bildern und Videos hochgeladen.
Um die enormen Mengen an Bildmaterial zu bewältigen und Tatverdächtige schnell zu identifizieren, setzt die Polizei nicht nur Software ein, sondern auch menschliche sogenannte Super-Recognizer, die eine besondere Begabung haben, Gesichter zu erkennen.
Quelle: rbb
Slowik verteidigt Einsatzplanung der Polizei
Berlins Polizeipräsidentin hat im Innenausschuss auch die Einsatzplanung zur Silvesternacht verteidigt. Die Ausschreitungen und Angriffe auf Einsatzkräfte seien "so weder erwartbar noch prognostizierbar" gewesen, sagte Slowik.
Insgesamt hätten einschließlich Bundespolizei knapp 3.000 Einsatzkräfte zur Verfügung gestanden. Die Polizisten seien je nach Lage umgruppiert worden. Slowik wies auch Kritik zurück, dass ein bereit gehaltener Wasserwerfer nicht eingesetzt worden sei. Ein solcher Einsatz sei bei großen Menschenansammlungen sinnvoll, nicht aber bei kleineren Gruppen, die sich in Straßen schnell bewegten.
Nach den Gewaltexzessen in der Silvesternacht sucht die Polizei nach Beweisen, um die Randalierer zu identifizieren. Welche Strafen es für die Täter geben könnte, zeigt ein Blick auf Gerichtsentscheidungen der vergangenen Jahre. Von Roberto Jurkschat
47 verletzte Beamte gezählt
Die Polizeipräsidentin schlüsselte zudem die Zahlen zu verletzten Beamten auf: Von 47 Verletzten seien 14 ambulant behandelt worden und fünf vom Dienst abgetreten. Besonders schwer seien die Verletzungen bei einem Beamten gewesen, den ein pyrotechnischer Artikel unter dem Helm getroffen habe. Ein weiterer habe einen unmittelbar aufgesetzten Schuss aus einer Schreckschusswaffe erlitten. Mit 31 Polizisten seien Gespräche zur psychischen Betreuung geführt worden.
Slowik wies auch Kritik daran zurück, dass alle 145 in der Silvesternacht festgenommenen Verdächtigen wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Es gebe nur sehr eingeschränkte Gründe für Gewahrsam, darunter Wiederholungsgefahr. Für die Anordnung einer Untersuchungshaft kämen nur drei Gründe infrage: Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr und die Schwere der Tat, was nur für "Schwerstverbrechen" gelte.
Frank Balzer, Innenpolitischer Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus warf der Landesregierung im Anschluss an die Sitzung mangelnden Aufklärungswillen vor. "Ein Großteil unserer Fragen zur Gewalt in der Silvesternacht blieb leider unbeantwortet", teilte er mit. Und weiter: "Es blieb unwidersprochen, dass es sich bei den Tätern fast ausschließlich um junge Männer mit Migrationshintergrund handelt."
Innenpolitiker der Fraktionen von SPD, Grünen und Linke warfen der CDU-Fraktion Populismus und Wahlkampf statt Interesse an sachlicher Aufklärung vor. Hintergrund ist ein Fragenkatalog für den Innenausschuss, in dem die CDU auch nach Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit fragt. Die Diskussion um die Konsequenzen nach den Krawallen fällt mitten in den Berliner Wahlkampf für die Wiederholungswahl am 12. Februar.
Feuerwerkskörper, die Hausfassaden in Brand stecken; Bierflaschen, die auf Straßenbahnen fliegen: In der Silvesternacht hatten Polizei und Feuerwehren in Brandenburg viel zu tun. Hunderte Einsätze wurden gezählt.
Wegner will Täterkreis genau kennen
Der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Kai Wegner verteidigte dies erneut. "Ich halte es für ganz wichtig, den Täterkreis genau zu kennen. Das würde ich genauso sagen, wenn es Rechtsradikale oder Linksextreme wären", sagte er der "Welt".
"Es gibt Jugendliche, die hier geboren und aufgewachsen sind, einen deutschen Pass haben und sich trotzdem nicht dazugehörig fühlen, wo Integration nicht gelungen ist", wurde Wegner von der Zeitung zitiert. Je präziser man den Täterkreis benenne, desto effektiver könne man auch Präventionsangebote machen.