Berliner Politik diskutiert Silvesterkrawalle
Böllerverbot? Härtere und schnellere Verfahren? Veröffentlichung der Vornamen von Tatverdächtigen? Nach den Attacken auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht diskutiert die Berliner Politik, wie reagiert werden soll.
Nach den Angriffen auf Polizei und Rettungskräfte haben die Silvesterkrawalle in Berlin den Wahlkampf zur bevorstehenden Abgeordnetenhauswahl erreicht.
Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hat in dem Zusammenhang betont, dass ihrer Ansicht nach vor allem im Jugendstrafrecht schnell Strafen auf die jeweiligen Taten folgen müssen. Für den Umgang mit Jugendgewalt seien klare Grenzen und Perspektiven wichtig. "Zu den klaren Grenzen gehört nicht die Debatte über Strafmaße, die wir jetzt schon wieder haben, sondern dass die Strafen sofort auf die Tat folgen", sagte die Verkehrssenatorin am Freitag rbb24 Inforadio. Dazu gehöre aber auch, dass "die Gerichte entsprechend ausgestattet sind".
Jarasch betonte zudem, dass aus ihrer Sicht der Migrationshintergrund vieler Tatverdächtiger für die Problemlösung keinen Unterschied mache. "Die Täter haben zu zwei Drittel Migrationshintergrund, das entspricht ungefähr auch insgesamt der Jugend in Berlin", sagte die Grünen-Politikerin. "Diese Jugendlichen, die nächste Berliner Generation, hat überwiegend Migrationshintergrund. Daran sollten sich alle mal gewöhnen."
Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), hatte in dieser Woche einen Gipfel gegen Jugendgewalt angekündigt. Die Vorfälle in der Silvesternacht hatte Giffey am Mittwoch im rbb "absolut unakzeptabel und zu verurteilen und konsequent zu verfolgen" genannt. Als Antwort auf die "massive Respektlosigkeit" und die Gewalt brauche es einen "Mix aus ausgestreckter Hand und Stopp-Signal", forderte Giffey im rbb24 Inforadio. Taten müssten konsequent und schnell bestraft werden, so Giffey. Sie erinnerte an das Neuköllner Modell der ehemaligen Jugendrichterin Kirsten Heisig. Die hatte sich für das Prinzip eingesetzt, dass bei jugendlichen Straf- und Intensivtätern die Strafe auf dem Fuß folgen müsse.
Kritik für Giffeys Vorstoß kam von der CDU. "Statt konkret das Gewaltproblem in der Silvesternacht anzupacken, will es Frau Giffey bei warmen Worten auf einem Gipfel zur Jugendkriminalität belassen", erklärte am Mittwoch CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner.
Wegner forderte konkrete Hilfe für die Berliner Polizei und "die volle Stärke des Rechtsstaats" für die Täter. "Wie weit wir mit Kuschelpädagogik und Gesprächskreisen gekommen sind, haben wir in der Silvesternacht gesehen", ergänzte er. Die Berliner CDU forderte unterdessen vom Innenausschuss die Bekanntgabe der Vornamen der deutschen Tatverdächtigen.
Der innenpolitische Sprecher der CDU, Frank Balzer, begründete die Frage nach den Vornamen der Verdächtigen mit mangelnder Transparenz. Die bisherigen Angaben der Polizei zu deren Nationalität reichten nicht aus, sagte er. Man wolle wissen, ob es einen Migrationshintergrund gebe bei Verdächtigen mit deutschem Pass. Nach Angaben der Einsatzkräfte sei dies der Fall. "Wenn es dort ein Problem gibt, müssen wir es wissen und es ohne Vorurteile offenlegen", so Balzer.
Innenpolitiker der Fraktionen von SPD, Grünen und Linke warfen der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Populismus vor. Nach bisherigen Angaben der Berliner Polizei waren unter den 145 vorübergehend festgenommenen Verdächtigen 45 Deutsche und 17 weitere Nationalitäten, darunter 27 Afghanen und 21 Syrer. 94 der 145 sind jünger als 25 Jahre, darunter 27 Minderjährige.
Die Spitzenkandidatin der Berliner AfD, Kristin Brinker, sagte mit Blick auf die Staatsangehörigkeit der Gewalttäter: "Ein Teil sind Deutsche, aber wir wissen ja noch gar nicht, ob sie vor kurzem erst eingebürgert worden sind oder ob sie gebürtige Deutsche sind. Wenn solche jungen Straftäter tatsächlich auch die doppelte Staatsbürgerschaft haben, dann kann man auch den Weg mal gehen, jemanden zu entbürgern, auszubürgern. Warum denn nicht?"
Zudem forderte sie ein härteres Durchgreifen des Staates. Sie habe nicht den Eindruck, dass ein Runder Tisch gegen Jugendgewalt, wie ihn Giffey angekündigt hat, weiterbringe, sagte Brinker am Donnerstag im rbb24 Inforadio. "Wir müssen die Tatsachen und Fakten klar benennen." Es handle sich nicht um "ein Jugendgewaltsthema im klassischen Sinne", sondern vor allem auch um eines, das auch mit Migration zu tun habe, so die AfD-Politikerin. "Da fehlt mir die deutliche klare Ansage, dass wir hier ein großes Problem haben." Nur wenn dieses Problem klar angesprochen werde, könne es auch klar gelöst werden. "Das kommt mir hier in der politischen Debatte viel zu kurz."
Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hatte sich nach den Angriffen in der Silvesternacht auf Polizei und Feuerwehr für ein Böllerverkaufsverbot ausgesprochen. "Das müsste bundesrechtlich geregelt werden", sagte er am Montag dem rbb.
Die Angriffe auf Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei nannte Lederer "inakzeptabel" und forderte, der Senat müsse schnell über Konsequenzen sprechen. Eine Ausweitung der Böllerverbotszonen - wie sie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ins Spiel brachte - sehe er kritisch, weil für die Durchsetzung viele Einsatzkräfte benötigt würden, so Lederer im rbb24 Inforadio. "Ich wünsche mir eigentlich, dass wir unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte für das einsetzen, für was sie da sind, und nicht für Katz-und-Maus-Spiele in der Stadt."
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.01.2023, 06:45 Uhr
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