Agrarstrukturgesetz für Brandenburg
Brandenburg will mit einem Agrarstrukturgesetz Bodenspekulationen und Landgrabbing verhindern. Ein erstes Eckpunktepapier mit zwölf Themen liegt nun vor, doch die Landwirte-Lobby ist skeptisch. Von Thomas Bittner
Die wichtigste Ressource für Bäuerinnen und Bauern ist ihr Boden. Doch landwirtschaftliche Flächen lassen sich nicht vermehren. Also muss der Zugang zum Acker reguliert werden. Seit über 100 Jahren gibt es dafür amtliche Regelwerke. Das älteste noch gültige Gesetz für den Bodenmarkt, das Reichssiedlungsgesetz, stammt aus dem Jahr 1919. Dazu kommt ein "Grundstücksverkehrsgesetz" von 1961 und das "Landpachtverkehrsgesetz" von 1985. Passt das zur heutigen Realität in Brandenburgs Landwirtschaft?
In den letzten Jahren kauften große Agrarkonzerne Flächen auf, auch Landwirtschaftsbetriebe von außerhalb schlugen beim Bodenkauf zu. Und besonders schwierig wurde es, wenn Käufer ohne Bezug zur Landwirtschaft Äcker als Spekulationsobjekt vom Markt kauften. Von 2007 bis 2019 haben sich die Ackerpreise verfünffacht, die Pachthöhen verdreifacht. Dazu kommt der Flächenfraß: Jeden Tag geht in Brandenburg eine Fläche von acht Fußballfeldern als Acker verloren, weil neue Straßen, Wohngebiete und Industrieansiedlungen Platz brauchen (Stand: 2020).
Die Bündnis-Grünen hatten schon im Wahlkampf 2019 den Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes vorgelegt, der die bisherigen Regelungen ersetzen sollte. Endlich sollte eine Verteilung von Grund und Boden organisiert werden, die den Landwirten ein Auskommen sichert, die Natur schützt, das Leben auf dem Land attraktiv macht.
Die Idee eines Agrarstrukturgesetzes fand sich dann auch im Kenia-Koalitionsvertrag wieder. Doch je näher ein konkreter Gesetzentwurf rückt, umso komplizierter wird es. Grüne in anderen Landesregierungen mit ähnlichen Plänen holten sich bereits blaue Flecken. In Sachsen-Anhalt scheiterten sie an den Koalitionspartnern, in Niedersachsen am Verfassungsgericht. Umso vorsichtiger agiert man in Brandenburg. Erst einmal arbeiteten sich die Akteure an einem agrarstrukturellen Leitbild ab, bevor es ans Gesetz geht. Das war auch nötig. Denn anders als in der traditionellen westdeutschen Landwirtschaft steht hierzulande nicht das "familiengeführte Unternehmen" im Mittelpunkt der gewünschten Entwicklung auf dem Lande. Auch große Betriebe, die aus den früheren DDR-LPG hervorgegangen sind, gehören zur Agrarstruktur.
Das Leitbild liest sich wie ein Wunschkatalog. Landwirtschaftliche Flächen sollen vor allem an Landwirte gehen. Die Finanzmärkte mit ihren Spekulationen sollen keinen Einfluss auf den Bodenmarkt haben. Die Vielfalt der Betriebsformen und Eigentümer soll erhalten bleiben. Aber zu viel Fläche bei wenigen Eigentümern soll es auch nicht geben. Junglandwirte und Betriebsgründer sollen beim Start ins Bauernleben auch pachten und kaufen können. Die Pacht- und Kaufpreise müssen auch in einem Verhältnis zum Ertrag stehen, den man aus dem Boden holen kann.
Aber mit welchen Regelungen will man diese Ziele erreichen? Noch gibt es kein Gesetz. Der Präsident des Landesbauernverbands Henrik Wendorff kritisierte zum Jahreswechsel das grün geführte Ministerium. "Langsam bekommt man das Gefühl, sie wollen immer nur das Problem beschreiben, aber nicht lösen."
Immerhin: Jetzt gibt es ein Eckpunktepapier, das dem rbb vorliegt. Darin werden zwölf Themen beschrieben. Wie bisher sind Verkäufe von mehr als zwei Hektar landwirtschaftlicher Fläche und Pachtverträge über mehr als einen Hektar genehmigungspflichtig. Die Landkreise und kreisfreien Städte sind zuständig. Landwirte, die "aufstockungsbedürftig" sind, bekommen beim Verkauf ein Vorkaufsrecht.
Verkäufe an nichtlandwirtschaftliche Gesellschaften darf es nur geben, wenn diese das Land unter optimalen Konditionen an Landwirte verpachten und sich verpflichten, Brandenburgs Agrarstruktur zu fördern. Dazu müssen sich die Unternehmen vom Land die "agrarstrukturelle Gemeinnützigkeit" anerkennen lassen, ähnlich wie gemeinnützige Vereine oder Unternehmen beim Finanzamt. Dazu wird es eine eigene Verordnung geben.
Betriebe mit mehr als 2.600 Hektar bewirtschafteter Flächen sollen nicht mehr ohne Weiteres Äcker dazukaufen können, wenn das nicht dem Leitbild entspricht. In Brandenburg gibt es derzeit 24 Agrarbetriebe, die so groß sind. Werden solche Unternehmen in ihrer Entwicklung gehemmt?
Das Ministerium verneint das, Effizienz hänge nicht von der Betriebsgröße ab. Sogenannte "Share Deals" werden erschwert. Wer ganze Agrarunternehmen oder Anteile solcher Gesellschaften kauft und damit indirekt auch zum Besitzer der dazugehörigen Grundstücke wird, muss den Kauf melden und wird genauso geprüft, als hätte er die Flächen direkt gekauft. Wenn ein Nachteil für Brandenburgs Agrarstruktur entsteht, können die Behörden den Deal beanstanden.
Bis Ende des Monats haben nun Verbände die Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Der Landesverbauernverband stellt sich bereits quer: "Von jemandem zu verlangen, nach Vorlage von lediglich Auszügen und Eckpunkten ernsthaft eine Stellungnahme abgeben zu können, setzt das Können in Glaskugeln zu lesen voraus", so LBV-Präsident Wendorff.
Der Gesetzentwurf kursiert derzeit in der Landesregierung und wird informell abgestimmt. Im Frühjahr sollen dann auch noch einmal die Verbände mitdiskutieren. Aber Bauernlobbyist Wendorff ist skeptisch: "Nichts wäre schlimmer als ein halbgares Gesetz durch den Landtag zu peitschen, was den Bodenmarkt in Brandenburg mehr zerstört als rettet."
Nach einem baldigen Konsens sieht das noch nicht aus.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 13.01.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Thomas Bittner
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