Experte Busse zur Versorgung in der Region
66 Klinik-Standorte gibt es in Brandenburg, 60 in Berlin. Gute Voraussetzungen für eine adäquate medizinische Versorgung, sollte man meinen. Doch ein Experte der TU Berlin sieht zu viel Masse anstatt Klasse.
Der Mediziner und Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin, Reinhard Busse, hat die geplante Krankenhausreform in Deutschland verteidigt. Die Reform würde nicht unbedingt die Zahl der Kliniken reduzieren, sondern für eine bessere Aufteilung und Spezialisierung einzelner Häuser sorgen.
Busse, der der Expertenkommission für die Krankenhausreform angehört, betonte am Dienstag in der rbb24 Abendschau, dass die Nähe einer Klinik zum Wohnort nicht das Wichtigste sei. Wichtiger sei vielmehr die Frage, ob in dem Krankenhaus, in das man gehe, dem Patienten überhaupt geholfen werden könne.
So gebe es beispielsweise im Landkreis Elbe Elster drei Krankenhäuser – von denen aber keines einen Linksherzkatheter habe, der wichtig wäre für die Herzinfarkt-Diagnostik. Auch eine Schlaganfall-Einheit habe keines der Krankenhäuser in dem Landkreis. "Wir gaukeln dem Bürger vor, dass er gut aufgehoben ist, wenn er ein Krankenhaus schnell erreicht. Aber dann wird ihm dort gar nicht adäquat geholfen", so Busse. Das gleiche Problem gebe es auch in Berlin. Von den 60 Kliniken in der Hauptstadt hätten 40 Notaufnahmen, aber nur 24 könnten einen Herzinfarkt adäquat diagnostizieren.
Als weiteres Beispiel führte Busse eine Krebsbehandlung an. Von 23 Krankenhäusern in Berlin, die Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs operieren, hätten nur sieben ein zertifiziertes Krebszentrum. "16 andere operieren, ohne eigentlich entsprechend dafür vorgesehen zu sein." Durch die geplante Stufen-Einteilung der Krankenhäuser würde sichergestellt, dass nur Krankenhäuser mit einem Bauchspeicheldrüsenkrebs-Zentrum auch solche Patienten behandeln dürfen.
Nach der geplanten Reform sollen die Krankenhäuser in drei Level eingeteilt werden: Die Kliniken in Level eins übernehmen eine Grundversorgung bei kleineren Eingriffen, die Häuser der mittleren Stufe die Regel- und Schwerpunktversorgung - dazu zählen auch Fachkliniken - und die Maximalversorgung leisten beispielsweise die Unikliniken.
Angesprochen auf die längeren Wege, die sich durch die neue Einteilung der Kliniken ergeben würden, sagte Busse, dass Fachärzte nach der derzeitigen Regelung erst 30 Minuten nach Ankunft eines Patienten vor Ort sein müssten. Das solle mit der Reform geändert werden. In den Häusern der Maximalversorgung sollen Fachärzte demnach immer vor Ort sein. "Man fährt vielleicht ein paar Minuten länger, aber dafür ist die ärztliche Versorgung und die technische Ausstattung sofort gewährleistet", zeigte sich Busse überzeugt. Die Versorgung insbesondere nachts und am Wochenende werden sich verbessern.
Auch hinsichtlich des Personalmangels in den Kliniken und der Überbelastung der Mitarbeiter geht Busse von einem positiven Effekt der Reform aus. Derzeit würde das Personal zu weit verteilt, so der Mediziner und verwies auf die 24 Linksherzkatheter in Berlin. "Wir haben weniger als 24 Herzinfarkte am Tag. Wir haben ganz viele Krankenhäuser, wo Ärzte und Pflegende sozusagen auf Patienten warten. Wir könnten das viel besser zentralisieren und wären dann auch zielgerichteter mit unserer Diagnostik und Therapie."
Busse sprach sich zudem dafür aus, deutlich mehr ambulant zu behandeln – innerhalb oder außerhalb des Krankenhauses. Das würde Personal sparen.
Viele – gerade kleinere - Kliniken fürchten um ihre Existenz. Außerdem wären Krankenhäuser der Level eins und zwei weniger interessant für Ärzte und Pflegepersonal, gibt Detlef Troppens, Chef der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg zu bedenken. "Man wird im ländlichen Bereich so unattraktiv, auch für kleine Krankenhäuser, dass der Personalmangel sich eher noch verstärken wird." Um das zu verhindern, müssten die Länder bei der Reform mehr einbezogen werden.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.01.2023, 19:30 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen